# taz.de -- Kinotechnik-Sammlung in Löningen: Hollywood an der Hase | |
> Weil ein HNO-Arzt Filmprojektoren und anderes Gerät sammelte, gibt es | |
> heute in der niedersächsischen Provinz eine beachtliche kinotechnische | |
> Sammlung. | |
Bild: Auch Daumenkino ist Kino – und Bestandteil der kinotechnischen Sammlung… | |
LÖNINGEN taz | Nein, ein Museum ist es nicht: Das ist Josef Anneken | |
wichtig. Und doch: Wer die [1][„kinotechnische Sammlung Dr. Heinz | |
Dobelmann“]kennt, spricht gerne von einem „Kinomuseum“, das es dort gebe, | |
in Löningen, Kreis Cloppenburg, einer Stadt mit rund 14.000 EinwohnerInnen. | |
Anneken war lange bei der örtlichen Sparkasse, hat schon viele Ehrenämter | |
bekleidet und ist heute ist einer von rund 20 LöningerInnen, die sich | |
ehrenamtlich um die Sammlung kümmern. Das heißt: den Betrieb organisieren, | |
an der Kasse sitzen, Führungen veranstalten, aber auch Kaffee kochen und | |
Kuchen backen. | |
Auf 450 Quadratmetern sind in einem Ladengeschäft in der Innenstadt | |
Filmprojektoren und andere technische Geräte ausgestellt – man könnte auch | |
sagen: abgestellt. Ein „richtiges“ Museum soll daraus irgendwann mal | |
werden, geht es nach den UnterstützerInnen: In ein bis zwei Jahren will man | |
aus Fördergeldern einen Kurator oder Museumspädagogen bezahlen, der dann | |
ein Konzept erarbeitet und auch umsetzt. Schon jetzt aber kommen im Jahr | |
[2][rund 2.000 Menschen] zu Besuch. | |
Wie kommt nun der anerkannte Erholungsort Löningen, [3][in eigenen Worten] | |
„ein kleines Stück heile Welt“, zu so einer Sammlung, nach Aussage von | |
KennerInnen einmalig in Europa? Das liegt an Heinz Dobelmann, Hals-, | |
Nasen-, Ohrenarzt. Von 1982 bis zu seinem Tod im Jahr 1996 hat er die | |
kinotechnischen Geräte gesammelt, meist Projektoren, also durchaus schwere | |
Maschinen. Wohnung und Praxis waren irgendwann voll gestellt mit diesen | |
Apparaten, deren schwerster immerhin 450 Kilogramm wiegt. Dobelmann baute | |
eigens eine Hütte in den heimischen Garten, die er bald angefüllt hatte, so | |
wie schon den Dachboden eines Stalls. | |
Die Sternstunde des Sammlers dürfte 1988 geschlagen haben. Da besuchte | |
TV-Moderator Rudi Carrell mit seiner Show „Lass Dich überraschen“ Dobelmann | |
zuhause, und in dessen privatem Kinosaal kam es zu einer echten | |
Deutschlandpremiere: Man zeigte Robert Zemeckis’ das alte Hollywood | |
feiernden Animations-Realfilm-Mix [4][„Falsches Spiel mit Roger Rabbit“], | |
und das mitsamt Stargästen wie Maria Schell und Hans-Jörg Felmy. | |
## Lokalpatriotismus als Antrieb | |
Als 1996, nach dem Tod Heinz Dobelmanns, die Gefahr bestand, dass sie den | |
Ort verlassen könnten, regte sich ein gewisser Lokalpatriotismus: Einige | |
LöningerInnen gründeten einen Verein mit dem Ziel, die Geräte am Ort zu | |
halten. Umso bemerkenswerter, als unter diesen InitiatorInnen nicht eine/r | |
cineastisch oder sonst wie besonders am Thema Kino interessiert war. | |
2009 dann übernahm der Verein die Sammlung ganz, und die wurde, sagt | |
Anneken, erst einmal „eingemottet“: Fünf Menschen waren 14 Tage lang damit | |
beschäftigt, all die Gerätschaften aus den diversen Immobilien der Familie | |
Dobelmann in Lagerräume zu verfrachten – 80 Projektoren, dazu über 400 | |
kleinere Objekte; insgesamt bewegte man rund 1.000 Stücke. Dafür suchte man | |
nach Räumlichkeiten, um wenigstens einen Teil auch ausstellen zu können. | |
Unter Mithilfe der Stadt konnte der Verein ein ehemaliges Textilgeschäft | |
anmieten, in dem seit 2013 nun etwa die Hälfte der Bestände zu sehen ist. | |
Ungefähr 15.000 BesucherInnen hat die Sammlung inzwischen gehabt. | |
Finanziert werden ihre Aktivitäten heute zu einem Drittel durch die Stadt: | |
Sie zahlt unter anderem die Ladenmiete; ein weiteres Drittel sind Spenden, | |
das dritte erwirtschaftet der Verein im laufenden Betrieb: Er bietet | |
Führungen an, und jeden Donnerstag auch Kaffee und Kuchen. Für Gruppen | |
werden auf Bestellung sogar Frühstück, Brunch und deftige Suppen angeboten, | |
und das kleine Kino mit 26 Sitzplätzen wird vermietet: Denn auch Filme hat | |
Dobelmann gesammelt, mehr als 1.200 Kopien lagern in der Sammlung – bloß | |
hat der Verein nicht die Rechte für ihre kommerzielle Nutzung. Die Folge. | |
Vorführen kann man ausschließlich bei geschlossener Gesellschaft. Einer der | |
Favoriten: „Die Feuerzangenbowle.“ | |
Das Spektrum der Dobelmann’schen Objekte reicht vom erotischen Daumenkino | |
aus den 20er-Jahren über einen Eintrittskarten-Spender aus den 50ern – | |
Erwerbslose und Kriegsversehrte 50 Pfennig – bis hin zu einem [5][Pianola]: | |
ein mechanischer Apparat, der selbsttätig das Instrument spielte, etwa zur | |
Begleitung von Stummfilmen. Doch vor allem hatte Dobelmann eben doch | |
Projektoren gesammelt, der älteste ist aus dem Jahr 1914, der jüngste ein | |
70mm-Projektor aus der DDR. | |
Das wohl wertvollste Stück ist ein [6][Mechau-Projektor], nach dem Tüftler | |
[7][Emil Mechau]: Er arbeitet nach einem anderen Prinzip als die | |
allermeisten anderen Geräte und sieht auch anders aus; Mechaus Entwicklung | |
spielt den Film kontinuierlich ab, nicht ruckartig, was das Material | |
schonte. Aber diese Technik setzte sich nicht durch, es gibt heute nur noch | |
vier Exemplare – und das einzig funktionsfähige steht in Löningen. | |
Genau genommen fehlt in der Sammlung ein Projektor, wie sie bis in die | |
90er-Jahre entwickelt und dann in Multiplex-Kinos eingesetzt wurden. Bei | |
diesem Typ liegen die Filmkopien auf großen Tellern, der Film wird auf | |
Rollen über viele Meter und Etagen transportiert – und kann in mehreren | |
Sälen gleichzeitig gezeigt werden. Insofern repräsentiert die Sammlung | |
nicht die abgeschlossene Geschichte von 120 Jahren analoger Kinotechnik. | |
Auch Anneken sagt, es fehlten einige Geräte, etwa aus den 30er-Jahren. | |
Finanziert durch Fördergelder, ist im Frühjahr die Inventarisierung | |
abgeschlossen worden, und so könnten bald einige mehrfach vorhandene Stücke | |
gegen fehlende eingetauscht werden. Es wird also weiter gesammelt. | |
25 Jul 2019 | |
## LINKS | |
[1] http://www.historische-kinotechnik.de/ | |
[2] https://www.radiobremen.de/bremenzwei/rubriken/reportagen/kinotechnische-sa… | |
[3] https://www.loeningen.de/tourismus-freizeit.php | |
[4] https://www.youtube.com/watch?v=zXCMiKAVYkk | |
[5] https://de.wikipedia.org/wiki/Pianola | |
[6] https://de.wikipedia.org/wiki/Projektor#Geschichte | |
[7] https://de.wikipedia.org/wiki/Emil_Mechau | |
## AUTOREN | |
Wilfried Hippen | |
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