# taz.de -- Kritik am NRW-Entwicklungsplan: Klimaschutz? Nö, Wirtschaft! | |
> Immer mehr Städte rufen den Klimanotstand aus. Nur die Landesregierung | |
> Nordrhein-Westfalen hat eine „Entfesselung“ der Wirtschaft beschlossen. | |
Bild: Wieso Ausbau der Windkraft? Es gibt doch schon Windanlagen in NRW – wie… | |
Köln taz | Jedes neue Gewerbegebiet, jede Neubausiedlung, jedes neue | |
Windrad, jede Straße und Schiene in Nordrhein-Westfalen hängt von ihm ab: | |
Der Landesentwicklungsplan (LEP) ist die wichtigste Rechtsgrundlage für die | |
Zukunft von Klimaschutz. | |
Doch was CDU und FDP im bevölkerungsreichsten Bundesland Ende vergangener | |
Woche im Landtag verabschiedet haben, ist für die Opposition ein | |
„Rechtsbruch“ in Sachen Klimaziele. Grüne, SPD und AfD stimmten vergeblich | |
dagegen. | |
Kurz gefasst haben CDU und FDP eine Einschränkung zur Neubebauung von | |
Naturflächen gestrichen – und dafür eine Einschränkung zum Neubau von | |
Windrädern aufgestellt. Außerdem haben sie beschlossen, dass die | |
umstrittenen Kiesgruben am Niederrhein gegen den Willen betroffener | |
Kommunen weiter ausgebaggert werden dürfen. | |
Die Landesregierung selbst spricht vom Plan als Teil einer „Entfesselung“. | |
Das Land leide unter einer chronischen Wirtschaftsschwäche: Das sehe man an | |
der Arbeitslosigkeit von 1,5 Prozentpunkten über dem Bundesschnitt. „Die | |
Städte und Gemeinden erhalten dadurch mehr Freiraum bei der Planung“, sagte | |
Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP). | |
## Neubau von Windanlagen eingeschränkt | |
Der Planungsexperte Horst Becker (Grüne) nannte es dagegen | |
„verantwortungslos“, Naturflächen zur Neubebauung freizugeben. Ungezügelt… | |
Flächenfraß habe fatale Auswirkungen auf Natur und Klimaschutz. Außerdem | |
würden so die Pachtpreise dauerhaft nach oben getrieben, das bedrohe die | |
Existenz von Landwirt*innen. | |
Hauptkritikpunkt allerdings ist, dass der LEP den Neubau von | |
Windkraftanlagen einschränkt, indem er die Fläche begrenzt, auf denen | |
überhaupt noch neue Windräder aufgestellt werden können. Die Privilegierung | |
von Windkraft – eine komplizierte planungsrechtliche Sonderregelung, die | |
den Ausbau der Windenergie unterstützen sollte – entfällt im Wald komplett. | |
Ferner legt der Plan einen pauschalen Mindestabstand zwischen Wohngebieten | |
und Windrädern fest. | |
Das Umweltbundesamt (UBA) hatte dagegen zuletzt gewarnt: “Mindestabstände | |
bei Windenergieanlagen schaden der Energiewende.“ Bereits ein pauschaler | |
Abstand von 1.000 Metern reduziere die vorhandene Fläche um 20 bis 50 | |
Prozent. “Ein Ausbau der Windkraft wäre damit kaum ausreichend möglich.“ | |
Bei 1.200 Metern Mindestabstand, so das UBA, „würde langfristig bestenfalls | |
ein viel zu geringfügiger Zubau ermöglicht werden – und die | |
Klimaschutzziele werden nicht erreicht“. Statt pauschaler Abstände | |
empfiehlt die Behörde, „eine standortspezifische Prüfung der Gesundheits- | |
und Umweltschutzbelange“. CDU und FDP haben nun einen pauschalen Abstand | |
von 1.500 Metern beschlossen. | |
## Baggerei verlängert | |
Eine „Totalbremse“ für den Windkraftausbau in NRW nannte das Marc Herter, | |
der stellvertretende Landesvorsitzende der SPD. Ähnlich äußerte sich Sascha | |
Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer des Umweltverbands Deutsche | |
Umwelthilfe: “Diese Entscheidung ist völlig unverständlich und | |
realitätsfern. Während die Städte und Kommunen in NRW reihenweise den | |
Klimanotstand ausrufen, setzt man auf Landesebene ein Ausrufezeichen gegen | |
den Klimaschutz.“ | |
Ein weiterer Streitpunkt ist, dass CDU und FDP mit dem neuen Plan die | |
ursprünglich auf weitere 20 Jahre begrenzte Abbauzeit von Kies am | |
Niederrhein auf 25 Jahre verlängern. Das sei nicht hinnehmbar, hatte der | |
Landrat des Kreises Wesel, Ansgar Müller (SPD), bereits im Mai über den | |
Entwurf gesagt. Seit mehr zwei Jahrzehnten kämpften Kommunen und | |
Bürgerinitiativen dagegen, “dass sich hier Baggerloch an Baggerloch reiht“. | |
Die Kulturlandschaft gleiche jetzt schon einem „Schweizer Käse“. Den | |
Kiesabbau nun um weitere fünf Jahre zu verlängern, würde bedeuten, dass man | |
Fläche in der Größe von 420 Fußballfeldern “unwiederbringlich zerstört�… | |
Die Landesregierung habe vorab gar nicht ermittelt, welcher Kiesbedarf | |
überhaupt zu decken sei, schreibt der Rechtswissenschaftler Martin Kment | |
von der Universität Augsburg in einem Gutachten. Damit sei die Ausweisung | |
weiterer Abbauflächen angreifbar. | |
Für den – jetzt eingetretenen – Fall, dass Plan und Kiesabbau-Verlängerung | |
beschlossen werden, hat Landrat Müller mit einer Klage vor dem | |
Oberverwaltungsgericht gedroht. „Mit dem neuen Landesentwicklungsplan | |
zeigen CDU und FDP, wie egal ihnen Natur-, Arten- und Klimaschutz sind“, | |
kritisierte Horst Becker von den Grünen und sprach von “Rechtsbruch“. Die | |
Landesregierung setze wohl darauf, dass Jahre vergehen, bis das | |
Oberverwaltungsgericht dies abschließend feststellt. Minister Pinkwart | |
sagte, CDU und FDP sorgten für “einen besseren Ausgleich zwischen den | |
erneuerbaren Energien und den Menschen“. | |
17 Jul 2019 | |
## AUTOREN | |
Anett Selle | |
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