# taz.de -- Hertha-BSC-Investor Lars Windhorst: Alte Dame will blühende Landsc… | |
> Millionen-Segen oder Verzweiflungstat? Seit dem Einstieg von Investor | |
> Windhorst bei Hertha rätseln Fans, welche Folgen der Deal für den Verein | |
> hat. | |
Bild: Bis zur blühenden Landschaft gibt es noch ein bisschen zu pflügen: mats… | |
BERLIN taz | Helmut Kohl lebt nicht mehr. Andernfalls hätte man ihn mal | |
fragen können, was er von der Ankündigung seiner einstigen Favoritenzeitung | |
Bild hält, dass Hertha BSC zum „Big Player in der Bundesliga“ aufsteige. | |
Das jedenfalls schließt das Blatt aus der Abmachung des Investors Lars | |
Windhorst mit dem Klub aus Charlottenburg. Für 125 Millionen Euro hat der | |
nämlich 37,5 Prozent der Klubanteile gekauft, für angeblich weitere 125 | |
Millionen wird er seine Anteile in der nächsten Saison um noch mal 12,4 | |
Prozent auf dann 49,9 Prozent erhöhen. | |
Die aufgrund der 50+1-Regel einzuhaltende [1][Mehrheit an Stimmanteilen | |
gibt der Verein damit nicht auf]. Hertha könnte mit seiner Rechtsform als | |
Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA) sogar noch mehr Anteile verkaufen, | |
solange der Stammverein die Mehrheit an seiner hundertprozentigen Tochter | |
Hertha BSC Verwaltung GmbH behält. Die 50+1-Regel soll verhindern, dass | |
Investoren die Kontrolle über in Kapitalgesellschaften ausgegliederte | |
Fußballvereine erkaufen können. | |
Der Megadeal rückt den 42-jährigen Windhorst wieder in ein öffentliches | |
Licht, in das ihn Helmut Kohl erstmals geholt hatte. Als Bundeskanzler | |
hatte dieser den Ostwestfalen, der bereits mit 16 eine Computerfirma | |
gründete und Millionenumsätze machte, Mitte der Neunziger als | |
Vorzeigeunternehmer präsentiert. Der war Windhorst freilich nur bis 2003, | |
als seine Firma pleiteging, seine Konten gepfändet wurden und er alsbald | |
auch noch vom Berliner Landgericht wegen Untreue verurteilt wurde. Immerhin | |
ließ ihn das nicht verzweifeln. Stattdessen gestaltete er seine | |
Resozialisierung als Investor mit neuen Finanzunternehmungen, von denen der | |
jetzige Einzug bei der alten Tante Hertha mit einem großen Geldkoffer | |
sicher die spektakulärste ist. | |
Helmut Kohls Meinung über diesen Coup wäre auch deshalb interessant, weil | |
der Pfälzer selbst einmal ein Investment in den Hauptstadtfußball | |
angeschoben hatte. Letztlich ging das total in die Hose, zum Glück nicht | |
für die Hertha, die deshalb verschont blieb, weil sie zu der Zeit als zu | |
unseriös galt. Stattdessen wurde Tennis Borussia mit etlichen Millionen in | |
den Abgrund geführt. Seinen Anfang nahm das 1991, als Bundeskanzler Kohl | |
dem erfolgreichen und CDU-nahen Berliner Schlagerproduzenten Jack White | |
(Tony Marshall, David Hasselhoff, singende DFB-Auswahl) zuraunte, die | |
Regierung könne nicht in die Hauptstadt ziehen, wenn es dort keinen | |
Bundesligaklub gibt. | |
## Jack White und TeBe | |
Einige Herren aus der Berliner Wirtschaft hätten gern die Hertha | |
aufgepäppelt, berichtete Jack White vor Jahren der taz, aber ihm sei der | |
Klub einfach zu skandalös gewesen. Deshalb habe er lieber den | |
Traditionsverein TeBe gewählt, um ihn nach Vorbild von Bayern München | |
aufzubauen. Promis wie Fritz Walter, Franz Beckenbauer und | |
ZDF-Hitparade-Moderator Dieter-Thomas Heck konnten für den exklusiven | |
Zirkel der TeBe-„Botschafter“ (und mindestens 20.000 D-Mark Jahresbeitrag) | |
gewonnen werden. | |
Whites Engagement als Präsident und Hauptsponsor des Klubs endete 1997 | |
nicht wie erhofft. Statt hoch in die Erste Bundesliga stieg der Klub ab in | |
die Regionalliga. Sein verlustträchtiges Engagement bezeichnete Jack White | |
als schlimmsten Fehler seines Lebens. Die Vereinsübernahme durch die | |
windigen Finanzinvestoren von der „Göttinger Gruppe“ besiegelte trotz | |
reingepumpter 70 Millionen Mark vollends den Absturz von TeBe. | |
So ein Szenario ist im aktuellen Fall von Hertha BSC ziemlich undenkbar, | |
gleichwohl ist Vorsicht vor übertriebener Euphorie angeraten. Jedenfalls | |
für die einschlägige Fachpresse. Laut Wirtschaftswoche dürfte der | |
spektakuläre Einstieg des umstrittenen Investors den Hauptstadtclub „nicht | |
annähernd in die erhofften Sphären von internationalen Clubs wie Real | |
Madrid oder FC Bayern München katapultieren“. | |
Der Grund: Die Hertha BSC GmbH Co. KGaA, in die die Profiabteilung des | |
Klubs ausgelagert ist und in die Windhorst mit seiner Investmentfirma | |
Tennor Holding einstieg, weise in ihrer letzten Bilanz vor allem eines aus: | |
„tiefe Löcher“ (die sich unter anderem aus Anleiheschulden über 40,4 | |
Millionen und Bankkredite über 46,2 Millionen Euro ergäben). Der Deal mit | |
Windhorst gleiche insofern mehr einer Verzweiflungstat als wahrer Liebe, | |
resümierte die Wirtschaftswoche unromantisch. | |
Um Windhorsts romantische Träumereien vom „Big City Club“ und seinen | |
Einstieg überhaupt zu ermöglichen, hatte Hertha zunächst einmal selbst Geld | |
in die Hand nehmen müssen. Konkret 71,2 Millionen Euro, um die 36,3 Prozent | |
Hertha-Anteile zurückzukaufen, die der amerikanische Finanzinvestors KKR | |
2014 erworben hatte: für 61,2 Millionen Euro. Damit war die „bahnbrechende | |
Vereinbarung für die Zukunft“ (O-Ton Hertha) Bilanzgeschichte. | |
## Umstrittene Bilanzen | |
Wie zukunftssicher der jetzige Partner Windhorst ist, ist in der Finanzwelt | |
offenbar auch umstritten. Dass seine Firmenholding Tennor gar nicht so | |
finanzstark sei, weil einige Anleihen praktisch illiquide seien, wie die | |
Financial Times kürzlich schrieb, wies der Neu-Herthaner gegenüber dem | |
Spiegel freilich zurück. Seiner Holding gehe es bei einem Wert über 3 | |
Milliarden Euro so gut wie nie. | |
Die Bilanztransfers zu durchschauen wird den allermeisten Hertha-Fans in | |
der Kurve nicht nur unmöglich sein. Sie dürfte auch mehr interessieren, wie | |
sich der Millionensegen auf Spielertransfers auswirkt. Exzessive | |
Shoppingtouren hat Manager Michael Preetz bereits ausgeschlossen. Die | |
zusätzlichen Millionen sollen peu à peu über die nächsten vier, fünf Jahre | |
ausgegeben werden, nicht jedoch für einen Supertransfer in der Kategorie | |
XXL-Star. Vor allem wolle man mit dem frischen Geld Verbindlichkeiten | |
decken und nicht in das geplante neue Fußballstadion investieren. | |
Bis zur Fertigstellung der Arena, für die noch gar kein Bauplatz existiert, | |
soll Hertha nach den Vorstellungen von Lars Windhorst längst ein | |
Gewinn(er)verein sein. Dafür möchte er sämtliche Einnahmequellen – | |
Sponsoren, Merch-Verkauf, VIP-Vermarktung – stärker zum Sprudeln bringen. | |
Diesbezüglich setzt der Teilzeitberliner mit Wohnsitz London auch auf die | |
wachsende Stadt und die Zugezogenen. Allerdings wäre er nicht der Erste, | |
der sich da verkalkuliert. Der zugezogene Berliner Fußballfan ist oft | |
fußballheimattreu, und wenn schon auf der Suche nach einem neuen | |
Heimatklub, dann nicht unbedingt in Charlottenburg. Stadtsoziologe Andrej | |
Holm erklärte das im [2][11Freunde-Interview] mit Distinktionsgründen: „Auf | |
einer WG-Party oder bei Leuten, die eher ins Theater gehen, kannst du Union | |
besser vermitteln als regelmäßige Besuche im Olympiastadion.“ Andererseits, | |
im Olympiastadion sind noch Plätze frei. Ob sich das dank Lars Windhorst | |
langfristig ändert, wird man sehen. | |
17 Jul 2019 | |
## LINKS | |
[1] https://boerse-express.com/news/articles/windhorst-uebernimmt-499-prozent-d… | |
[2] https://11freunde.de/interview/andrej-holm-ueber-gentrifizierung-und-union-… | |
## AUTOREN | |
Gunnar Leue | |
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