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# taz.de -- Streit um Ausrichtung der AfD: Wenn Höcke übernimmt
> Führt der Streit innerhalb der AfD zur Schwächung der Partei? Leider nein
> – völkisches Gedankengut ist weit in die Mitte der Gesellschaft gerückt.
Bild: Spaltung in Sicht? Eher nein. Weidel und Gauland haben den Anti-Höcke-Ap…
In der AfD ist der Konflikt zwischen dem nationalkonservativen und dem
völkischen Flügel in bisher unbekannter Schärfe ausgebrochen. Gegenseitige
Beschimpfungen, ein [1][offener Brief gegen Björn Höcke], Anzeigen gegen
die bayerische Fraktionschefin und ein im Chaos versunkener Landesparteitag
in Nordrhein-Westfalen prägen das Bild der Partei: Sind die
Rechtspopulisten gerade dabei, sich selbst zu erledigen?
Dafür sprechen zwei eherne Gesetze. Noch jede Partei ist in der
bundesdeutschen Geschichte bei Wahlen abgestraft worden, wenn sie in der
Öffentlichkeit zerstritten auftrat. Und: Wer keinen eindeutigen
Trennungsstrich zur rechtsradikalen Gedankenwelt zu ziehen bereit war, der
verfiel bislang früher oder später in die Bedeutungslosigkeit.
Die Versuchung ist daher groß, den Streit mit einer Portion Frohsinn zu
begleiten. Was Proteste, Warnungen und Isolationsversuche nicht bewirkt
haben, erreicht die AfD scheinbar in Eigenregie. Doch diese Einschätzung
ist trügerisch, so behaglich sie erscheinen mag. Denn einiges spricht
dafür, dass die beiden Regeln aus der Parteiengeschichte im Fall der AfD
ihre Gültigkeit verlieren könnten.
Bisher zumindest konnten interne Konflikte der Partei ebenso wenig anhaben
wie diverse [2][Parteispendenaffären] und ihr löchriges Programm. Die
Ursache dafür ist, dass die AfD von den meisten ihrer Wähler als reine
Protestpartei verstanden wird, der man deshalb seine Stimme gibt, um die
anderen Parteien zu bestrafen, nicht aber, weil man unbedingt mit allen
Inhalten der Rechtspopulisten übereinstimmt. Diesem Personenkreis schien
die Wahl der Partei zudem risikoarm, stand doch bisher fest, dass die AfD
nicht in die Verlegenheit kommen wird, ihre politischen Vorstellungen auch
umsetzen zu können.
## Völkischer Flügel gewinnt an Einfluss
Doch die Wahl der AfD ist mehr als eine taktische Frage, zumal wenn der
völkische Flügel weiter an Einfluss gewinnt. Denn nicht nur die Partei,
sondern auch ihre Wähler überschreiten eine zivilisatorische Grenze, wenn
dort in rassistischen Kategorien gedacht wird, die zwischen wertvollen und
weniger wertvollen Menschen unterscheiden und die Verbrechen des
Nationalsozialismus relativiert werden.
Eine wachsende Zahl von deutschen Staatsbürgern scheint sich daran nicht
länger zu stören. Völkische Gedanken, die über Jahrzehnte nicht
anschlussfähig waren, gelten zunehmend als akzeptabel, wenn dabei das
vermeintlich Deutsche – also das eigene Ich – eine hervorgehobene Stellung
erhält. Das beginnt mit Überlegungen, Menschen mit deutschem Stammbaum in
der Sozialpolitik besser zu stellen als andere, und endet in Vorstellungen
einer stärkeren kulturellen Homogenität, also dem Ausschluss vermeintlich
unangepasster Lebensweisen.
Die Bindung an demokratische Normen und Werte, verbunden mit der
Tabuisierung des Nationalsozialismus, verliert an gesellschaftlicher Kraft.
Unsagbares erscheint wieder aussprechbar. Dieser alarmierende Wandel,
dessen Ausläufer mit der Forderung nach einer Kasernierung von
Asylbewerbern und der Zurückweisung von Flüchtlingen bis hinein in die
Union reicht, ist gefährlicher als alle bisherigen Wahlergebnisse der AfD.
## Radikalisierte AfD
Wenn die [3][Völkischen um Björn Höcke] in der AfD an Bedeutung gewinnen,
dann entspricht das also Tendenzen in der Gesellschaft. Zugleich aber
steuern gerade Vertreter dieses Parteiflügels bei den kommenden
Landtagswahlen auf Ergebnisse zu, die die AfD im Osten zu einer Volkspartei
machen könnten. Ihr Einfluss in der Gesamtpartei dürfte damit noch weiter
gestärkt werden – denn wer mag sich schon den Siegern entziehen wollen?
Und deshalb könnten die derzeitigen Flügelkämpfe Vorboten für eine noch
gefährlichere Entwicklung sein: für eine radikalisierte AfD, die dennoch
nicht weniger Menschen als wählbar erscheint, und für die Akzeptanz einer
menschenverachtenden Ideologie, die das Individuum einzig nach seiner
Herkunft zu sortieren trachtet.
12 Jul 2019
## LINKS
[1] /Fluegel-Streit-der-AfD/!5606295
[2] /Bundestag-ahndet-illegale-Parteispende/!5588726
[3] /AfD-Gutachten-des-Verfassungsschutzes/!5567533
## AUTOREN
Klaus Hillenbrand
## TAGS
Schwerpunkt AfD
Björn Höcke
Soziale Spaltung
rechte Parteien
Rechts
Alice Weidel
Schwerpunkt Landtagswahlen
Kolumne Habibitus
AfD Sachsen
Schwerpunkt AfD in Berlin
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