# taz.de -- Die Wahrheit: Gehirnwäsche in der Höhenluft | |
> Die „Neue Zürcher Zeitung“ ist das Leib-und-Magen-Blatt der Rechten. Was | |
> treibt der Chefredakteur der „NZZ“, Eric Gujer, da eigentlich? | |
Bild: Westfernsehen für die Weidel-AfD: die „Neue Zürcher Zeitung“ | |
„Die Schweiz, das kleine Stachelschwein, das nehmen wir beim Rückzug ein“, | |
soll Hitler gesagt und den Eidgenossinnen und Eidgenossen damit also eher | |
geringe Bedeutung beigemessen haben. Wie bei fast allem sind die Deutschen | |
auch in dieser Sache noch heute der Ansicht ihres einstigen Führers: Für | |
das Bergvolk mit den ulkigen Kehlkopfklängen interessiert man sich | |
hierzulande kaum. | |
Umgekehrt haben die Schweizerinnen und Schweizer das Treiben ihrer | |
Nordnachbarn aber durchaus genau im „Blick“ (hehe). Schon aus Selbstschutz: | |
Wegen der hohen Löhne in der Schweiz schaffen immer mehr | |
wirtschaftsflüchtige Deutsche im Pflege- und Gastrobereich an, die die | |
Landessprache nicht beherrschen und gleichzeitig erwarten, dass die | |
Einheimischen sich an die Zugezogenen anpassen. Deshalb gilt die Schweiz | |
als die deutschenfeindlichste Nation Europas. Das weiß wahrscheinlich hier | |
niemand, weil sich Deutsche ja, wie gesagt, nicht für die Schweiz | |
interessieren. | |
In letzter Zeit jedoch verweist man im desinteressierten Deutschland | |
häufiger auf Publikationen aus der Schweiz, genauer: auf Artikel der Neuen | |
Zürcher Zeitung. Beatrix von Storch, wohl die deutscheste Deutsche von | |
allen, empfiehlt mittlerweile gestandenen Journalistinnen und Journalisten | |
via Twitter, dort ein Volontariat zu absolvieren. „Auf! Bewerben!“, schrieb | |
sie gewohnt herrisch und verlinkte unter anderen Claus Kleber, Dunja Hayali | |
und Anne Will. Woher rührt der Sinneswandel? Wurden aus uns | |
selbstherrlichen Teutonen plötzlich weltoffene Bürger, die die Meinung | |
anderer Nationen juckt? Haha, natürlich nicht! | |
Nein, der Hype um die NZZ hat andere Ursachen. Im Land der Deutschenhasser | |
gibt es nämlich noch einen aufrechten Mann, der sich um das Wohlergehen der | |
Deutschen sorgt: Chefredakteur Eric Gujer, seit dem Jahr 2015 im Amt, hat | |
das Blatt zum völkischen Beobachter, Quatsch, zum Volksbeobachter umgebaut. | |
In seinem wöchentlichen Newsletter „Der andere Blick“ schreibt der | |
57-Jährige seit zwei Jahren aus der objektiven Auslandsperspektive über die | |
Politik der Bundesrepublik. Dank Gujer, der als Chefredakteur eine nach | |
Aussage ehemaliger Mitarbeiter personelle „Säuberungswelle“ durch die | |
Redaktion gespült hat, erfahren wir, was uns im eigenen Land verborgen | |
bleibt – oder womöglich von der politisch korrekten, gleichgeschalteten | |
Presse bewusst geheim gehalten wird? | |
## Braune Rinnsale | |
Doch von Gleichschaltung, das weiß auch Gujer, kann keine Rede sein: In | |
Deutschland herrscht lediglich „im Namen des politischen Anstands eine | |
geistig-moralische Ödnis, die man nur deswegen nicht als Gleichschaltung | |
bezeichnen kann, weil der Begriff eine zentrale Steuerung voraussetzt“. Und | |
die gibt’s ja nicht. Oder doch? Na, so halb: „Gelenkt ist dieser Prozess | |
aber nicht; er entsteht durch die gegenseitige Verstärkung unabhängiger | |
Echokammern in den Medien, der Politik, der Wirtschaft, in den Kirchen und | |
Gewerkschaften. Oder einfacher gesagt: durch den Mainstream. Der wäre gar | |
nicht schlimm, wenn der Mainstream ein wenig mehr Respekt hätte für alle | |
Bäche, die nicht in den breiten Strom münden.“ Also vor allem für die | |
schmutzigen, braunen Rinnsale. | |
Denn gerade im Umgang mit Rechtspopulisten machen wir Dütsche leider alles | |
falsch: „Grenzen die ‚Anständigen‘ die ‚Ausgrenzer‘ aus, führt dies… | |
dazu, dass populistische Positionen in der Öffentlichkeit als nicht mehr | |
sagbar gelten. Damit verschwinden sie nicht, sie werden nur in den | |
Untergrund gedrängt“, weiß Gujer. Das wäre fatal: Die Ausgrenzer, sprich | |
die Nazis, wollen wir Anständigen in Deutschland ja nicht im Untergrund | |
haben, sondern, öhm, ja, wo eigentlich? In der Regierung? Fragen wir lieber | |
Gujer! | |
Der krittelt nämlich nicht nur. Er bietet auch Lösungen. Das macht ihn so | |
gut. Die AfD etwa wären wir mit ihm längst los, denn die „will Deutschland | |
in ein ethnisch und religiös homogenes Land verwandeln und findet dafür | |
Zuspruch. Umso wichtiger ist, dass Abschiebungen auch durchgesetzt werden. | |
Sonst entsteht ein Bleiberecht für alle, und der Unmut in der Bevölkerung | |
wächst weiter.“ Genial: Deutschland mittels Abschiebungen als ethnisch und | |
religiös homogenes Land gestalten, damit die AfD das nicht machen kann. Für | |
derlei Geistesblitze brauchen wir Fachkräfte aus der Schweiz wie Eric | |
Gujer. | |
Von den Alpengipfeln hat selbiger einfach einen besseren Überblick. Aus der | |
Vogelperspektive erfasst er nicht nur die BRD, sondern auch deren Umgang | |
mit anderen Ländern. Tunesien etwa sei von Deutschland erst viel zu spät | |
als sicheres Herkunftsland eingestuft worden, handle es sich dabei doch um | |
einen Staat, „in dem jeder ungehindert seine Meinung sagen kann. Wer | |
emigriert, tut dies wegen der Arbeitslosigkeit und nicht wegen politischer | |
Repression.“ | |
## Ewiggestrige Menschenrechtler | |
Interessant: Anders als in Deutschland herrscht in Tunesien echte | |
Meinungsfreiheit! Ewiggestrige Menschenrechtler von Amnesty International | |
zum Beispiel kritisieren in Tunesien Folter, Misshandlung und Verhaftung | |
aufgrund auffälligen Aussehens, religiöser Äußerungen oder Sexualität. | |
Alberne Political Correctness halt. | |
Die zu belächeln Gujers Zeitung nicht müde wird. Allein im vergangenen Jahr | |
zählt der Schweizer Tagesanzeiger in der NZZ „über hundert, meist | |
ganzseitige Artikel, in denen gegen ‚politische Korrektheit‘ angeschrieben | |
wird“. Jeden dritten Tag wird hier gesagt, was man nicht mehr sagen darf. | |
Mutig, ehrenhaft, stark. | |
Dem österreichischen Zeitungsverband sagte Gujer, er habe im Zuge der seit | |
2015 nach Deutschland gekommenen Flüchtlinge den Eindruck gewonnen, | |
Journalisten verstünden sich als „Sozialarbeiter der Nation“ und „geisti… | |
Verfassungsschutz“. 80 Prozent der Journalisten in Deutschland hätten „nur | |
noch eine Wahrheit“ transportiert. Gut also, dass Gujer uns die zweite | |
Wahrheit verkauft. | |
Und „Verkaufen“ ist das Stichwort. Leider interessiert sich für Gujers | |
zweite Wahrheit kaum noch jemand. Nur fünf Millionen Schweizer sprechen | |
Deutsch, von denen lesen die wenigsten die Züri Zytig, wie man in der | |
Schweiz sagt und daraufhin meist lacht. Im Grunde hat Gujer mit einer | |
verkauften Auflage von etwa 100.000 also weniger Reichweite als der | |
Chefredakteur der Schwäbischen Zeitung (150.000). | |
Dabei wäre Gujer als Aufklärer so wichtig für uns. Auch wenn die Höhenluft | |
auf dem Matterhorn es ihm ermöglicht, in die 1780 gegründete NZZ Sätze zu | |
schreiben, die man als per se intellektuell unterlegener Deutscher einfach | |
nie verstehen wird: „Was zur Zeit eines Lessing und eines Lichtenberg | |
richtig war, kann heute nicht falsch sein“, ist so ein Satz. | |
„Leibeigenschaft“ hätte man darauf als deutscher Depp intuitiv geantwortet, | |
aber wahrscheinlich ist man in dieser Hinsicht schon zu sehr von der | |
Gutmenschengehirnwäsche geprägt. | |
Es gab einst in den Jahren 1933 bis 1967 mit Willy Bretscher einen | |
Chefredakteur der NZZ, der wichtigster journalistischer Gegenpart der Nazis | |
in Europa war. Einmal soll er der Legende nach zu einem besonders | |
renitenten Leser gesagt haben: „Sie sind nicht würdig, diese Zeitung zu | |
lesen. Ich entziehe Ihnen Ihr Abonnement.“ Der heutige Chefredaktor würde | |
vermutlich Hitler ein Frei-Abonnement einrichten. | |
10 Jul 2019 | |
## AUTOREN | |
Cornelius Oettle | |
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