# taz.de -- Die Wahrheit: Fragen Sie Ihr Auto | |
> Gib Strom, Alter! Im Autoland Deutschland sind sprunghafte Gedanken das | |
> letzte alternative Fortbewegungsmittel für Individualisten. | |
Wenn ich mir für 1.000 Euro Daimler-Aktien kaufe und sie später für 1.500 | |
Euro verkaufe, entziehe ich dem Unternehmen 500 Euro. Wenn hingegen ein | |
Kapitalismuskritiker einen Mercedes anzündet, beschert er dem Konzern im | |
Zweifel 50.000 Euro Mehreinnahmen, weil sich der Besitzer ja einen neuen | |
kaufen muss. Bekämpfen also gewinnlüsterne Aktionäre die Schweinekonzerne | |
besser als jede 1.-Mai-Demo? | |
Ein atemberaubender Gedanke. „Atemberaubend“ ist übrigens ein Wort, das man | |
nicht mehr sagen soll. Denn der Atem selbst wird nicht beraubt, sondern die | |
Atmenden ihres Atems. Besser also: „atemraubend“. | |
Doch nochmal zurück zu den Autos. Wobei, Moment. „Nochmal“ sollte man bitte | |
so schreiben: „Noch mal“. Es ist die Kurzform von „Noch einmal“. Das w�… | |
ja auch kein Mensch so schreiben: „Nocheinmal“. Das Argument, das | |
Leerzeichen zwischen „Noch“ und „einmal“ werde halt ebenfalls gestriche… | |
gilt nicht. Denn das Leerzeichen ist ein Nichts – und ein Nichts kann sich | |
wohl schlecht in nichts auflösen. Kapiert? Lesen Sie den Absatz gern noch | |
mal. | |
Jetzt aber die Autos. Die Formulierung „Gib Gas!“ ist in Deutschland | |
gebräuchlich, weil das Gaspedal nach dem amerikanischen Wort für Benzin, | |
also „gasoline“ benannt sein soll. Gas gibt man aber im Grunde nur im | |
Erdgasauto, und das existiert bei Weitem nicht so lange wie diese | |
Redewendung. In einem Erdgasauto kann man also getrost noch „Gib Gas!“ | |
sagen. Nicht jedoch in einem E-Auto! Dort wäre „Gib Strom!“ angebracht. | |
Apropos Benzin: Hat man das wirklich nach dem Automobilpionier Carl Benz | |
benannt? Ohne den und seinen kongenialen Kollegen Gottlieb Daimler müssten | |
wir uns diese Fragen rund ums Auto vielleicht gar nicht stellen. Gut, | |
müssen wir eigentlich auch so nicht, aber ich mach’s halt. Daimler wiederum | |
kam eigentlich als Gottlieb Däumler zur Welt – schade, dass daraus Daimler | |
geworden ist. Viel vergnüglicher wär es, führe man heute in einem Däumler | |
umher. Verdammte Lautverschiebung. Hat das überhaupt etwas mit der | |
Lautverschiebung zu tun? | |
Namen gehen jedenfalls häufig auf Berufe zurück: Fischer, Müller, | |
Schiffschaukelbremser. An letzteren als Nachnamen glauben Sie nicht? Da | |
muss ich Sie eines Besseren belehren: Eine ehemalige Klassenkameradin von | |
mir heißt Mariella Schiffschaukelbremser. Nein, Quatsch, das war gelogen. | |
Der Däumler jedenfalls war ein Henkershelfer, der Daumenschrauben | |
angebracht hat. Ein Folterknecht also. Der Daimler hingegen fährt uns | |
direkt tot. Eine ehemalige Klassenkameradin von mir heißt Franziska Folter. | |
Das stimmt wirklich. Liebe Grüße! | |
Die Gebrüder Montgolfier indes sind die Erfinder der gleichnamigen | |
Montgolfiere, sprich des Heißluftballons. Wenn die jetzt zum Beispiel | |
Däumler geheißen hätten. Oder Horch. Dann flöge man heute in einem Audi | |
durch die Luft. Fragen Sie doch demnächst Ihr Auto. | |
10 Sep 2019 | |
## AUTOREN | |
Cornelius Oettle | |
## TAGS | |
Auto | |
Verkehr | |
IAA | |
Gefängnis | |
Gedicht | |
FIFA 20 | |
Citroën | |
ZDF-Fernsehgarten | |
Neue Zürcher Zeitung | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Die Wahrheit: Urlaub im Gefängnis | |
So ist es im Knast: Zu Mittag gibt es Pampe, in den Duschen sollte man sich | |
nicht nach der Seife bücken. Tatsächlich ist aber alles ganz anders. | |
Die Wahrheit: Norwegen – eine Beschimpfung | |
Donnerstag ist Gedichtetag auf der Wahrheit: Diesmal darf sich die | |
Leserschaft an einem Poem über das wohl schönste Land Skandinaviens | |
erfreuen. | |
Die Wahrheit: Im dunklen Keller mit Olli Kahn | |
Noch echter als echter Fußball: Die soeben erschienene neue Version | |
„FIFA20“ der Kickvideospielreihe ist realistisch wie nie zuvor. | |
Die Wahrheit: Epigönen und Zitrönen | |
Als der Autohersteller Citroën sich kürzlich einen Werbespaß erlaubte, rief | |
er all die schlechten Scherzbolde von Twitter bis Facebook auf den Plan | |
Die Wahrheit: Bier für Kiewel im Fernsehgarten | |
Am Sonntagmorgen auf dem Mainzer Lerchenberg. Ein Besuch in der | |
Rentnerschunkelbude Nummer eins. Das kann man nur mit Alkohol überstehen. | |
Die Wahrheit: Gehirnwäsche in der Höhenluft | |
Die „Neue Zürcher Zeitung“ ist das Leib-und-Magen-Blatt der Rechten. Was | |
treibt der Chefredakteur der „NZZ“, Eric Gujer, da eigentlich? |