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# taz.de -- Die Wahrheit: Freibeuterin für Hollywood
> Die deutsche Kapitänin Carola Rackete wird in New York von der
> „International League of Captain Icons“ in die Captains Hall of Fame
> aufgenommen.
Bild: Neue Ikone noch ohne Kapitänsmütze: Carola Rackete
Als erste Frau in der Geschichte wurde am Dienstag die deutsche
[1][Kapitänin Carola Rackete] in die „International League of Captain
Icons“ (ILCI) aufgenommen. Das gab die Internationale Liga der
Kapitäns-Ikonen an ihrem Stammsitz in New York bekannt. Zur Captains League
gehören so illustre Persönlichkeiten wie Captain Ahab und Captain
Beefheart, Captain Future und Kapitän Haddock, deutsche Vertreter sind
unter anderem Käpt’n Blaubär und Käpt’n Iglo. Präsident der ILCI ist
derzeit Captain Kirk.
Mit der berühmten Zeile „O Captain! My Captain!“ aus dem legendären
Gedicht, mit dem seinerzeit Walt Whitman den Befreier Abraham Lincoln
poetisch rühmte, begann die Rede, die ein sichtlich ergriffener Captain
Kirk eindrucksvoll vortrug. Für die Pressekonferenz vor Medienvertretern
aus aller Welt hatte man sich bewusst einen historischen Ort gewählt: Ellis
Island, die Einwandererinsel vor Manhattan, mit Blick auf die
Freiheitsstatue.
Hinter dem ILCI-Boss Kirk standen aufgereiht viele eigens angereiste
historische und fiktionale Kapitäne, die als wahre Ikonen der
Menschheitsgeschichte gelten. Kirk erklärte, dass Kapitänin Rackete für
ihre humanitären Verdienste in die Captains Hall of Fame aufgenommen werde.
Rackete habe mit ihrem entschiedenen Eingreifen das Bild aller modernen
Seebären und Seebärinnen neu geprägt. „Nie würde ein Kapitän Menschen in
Seenot zurücklassen. Kapitäne sind keine Verbrecher!“, rief Kirk mit
bewegter Stimme. Racketes Arbeit auf ihrem Schiff „Sea-Watch 3“ sei großen
Vorbildern wie beispielsweise Captain Picard und der „Enterprise“
ebenbürtig.
Kapitänin Rackete sei am 29. Juni 2019 mit ihrem [2][Schiff trotz eines
Landungsverbots] in den Hafen der italienischen Insel Lampedusa
eingelaufen, rekapulierte Kirk noch einmal die Ereignisse. An Bord der
„Sea-Watch 3“ seien 40 Flüchtlinge aus Afrika gewesen, die man am 12. Juni
in Seenot vor der libyschen Küste im Mittelmeer vorgefunden hätte.
Kapitänin Rackete sei dann nach der Einfahrt in den Hafen festgenommen
gewonnen.
„Shame! Shame! Shame!“, schmetterten die ikonischen Kapitäne mit einer
Stimme, und Kirk ergänzte, dass es Racketes „verdammte Pflicht“ gewesen
sei, die Menschen zu retten. „O Captain! My Captain! Rise up and hear the
bells“, brummte der Chor der Kapitäne so energisch, dass die roten und
schwarzen Bärte im Wind flatterten: O Kapitän, mein Kapitän, steh auf und
hör die Glocken!
Mit ihrem konsequenten Handeln erweise die deutsche Skipperin allen
Schiffsführern einen außerordentlichen Dienst, führte Kirk weiter aus. Man
dürfe auch angesichts der hier versammelten historischen Kapitäne nicht
vergessen, dass das Meeresgewerbe jahrhundertelang dunkle Geschäfte, Mord
und Totschlag, Raub und Sklavenhandel betrieben habe. Von der
erniedrigenden Rolle der Frau in der Seefahrt als Piratenbraut und
Seemannsliebchen wolle gerade er selbst hier in heutigen MeToo-Tagen besser
schweigen, meinte Kirk. Aber die Zeiten wandelten sich, und das beste
Zeichen dafür sei Kapitänin Rackete, die die Weiblichkeit der Meere neu
definiere, übertraf sich Captain Kirk selbst.
## Rächer der Entrechteten
Auch eher düstere und finstere Figuren wie Captain Hook, Captain Blackbeard
oder Capitaine Nemo versicherten am Rande der Veranstaltung der neuen
weiblichen Ikone ihre Unterstützung. Insbesondere als Korsar der sieben
Weltmeere und Rächer der Entrechteten schätze man das konsequente
moralische Handeln Racketes.
Captain Jack Sparrow gab überdies bekannt, dass Carola Rackete von der
Produktionsfirma Disney nach Hollywood eingeladen werde, um im zehnten Teil
der Filmserie „Fluch der Karibik“ die Anführerin einer Besatzung von
Freibeuterinnen und Flintenweibern zu spielen. Ihr Name sei einfach
„rakete“ und bleibe selbstverständlich. Auch müsse sie ihr äußeres
Erscheinungsbild nicht verändern, sondern könne gern ihren leichten
Damenbart behalten, der ihr eine wundersam raue Aura verleihe. „Alle, die
mit uns auf Kaperfahrt gehen, müssen Frauen mit Bärten sein“, stimmten die
alten Captains zu Ehren Racketes eine neue, weibliche Version des Liedes
an.
Zum Abschluss der Pressekonferenz zauberte Captain Kirk dann ein besonderes
Utensil hervor: den Original-Kapitänshut von Captain Cook, dem britischen
Weltumsegler des achtzehnten Jahrhunderts. Da Kapitänin Rackete bislang bei
all ihren öffentlichen Auftritten noch keine Kapitänsmütze oder eine
ähnliche Kopfbedeckung getragen habe, sei es dringend an der Zeit, ihre
sinnbildliche Kraft zu verstärken und ihr das Symbol einer wahren Kapitänin
zu verleihen.
„Hoo ray and up she rises, Hoo ray and up she rises, Hoo ray and up she
rises, Early in the morning“, intonierten die versammelten Kapitäne, bevor
sie sich ihrem Lieblingssport, dem Rum-Trunk, hingaben.
3 Jul 2019
## LINKS
[1] /Sea-Watch-Kapitaenin-festgenommen/!5608445
[2] /Sea-Watch-3-vor-Lampedusa/!5607383
## AUTOREN
Michael Ringel
## TAGS
Carola Rackete
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