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# taz.de -- Glasnost beim DFB: Schluss mit dem Versteckspiel
> Das deutsche Team kommuniziert erfrischend offen nach außen. Die neue
> Spielerinnengeneration ist weit entfernt von der früher gepflegten Scheu.
Bild: Selbstbewusst nicht nur auf dem Feld: Giulia Gwinn ballt die Faust nach i…
Paris taz | Die Tribüne kann bisweilen gnadenlos sein. Das ist in der Kurve
nicht anders als auf der Pressetribüne. „Die muss raus“, heißt es schnell
einmal. Oder: „Die kannst du in der zweiten Halbzeit eigentlich nicht noch
einmal bringen.“ Das Auftaktspiel der Deutschen gegen China war bis dahin
nicht besonders gut gelaufen. Die Chinesinnen hatten auch deshalb zwei
Großchancen, weil Sara Doorsoun ihnen den Ball regelrecht in den Lauf
gespielt hatte. Sie spielte weiter. Und feierte ein großes Comeback nach
dem Spiel – in der Mixed Zone. Sie redete derart offen darüber, wie sie das
Spiel erlebt hat, dass man nur staunen konnte. Ihr Auftritt steht
beispielhaft für einen doch recht frischen Umgang der DFB-Auswahl mit der
Presse.
Das war nicht immer so. Zwar beklagten sich etliche Spielerinnen aus der
Generation Prinz immer wieder über mangelndes Medieninteresse an ihrem
Sport und wollten doch nichts preisgeben von sich und ihrer Arbeit, wenn
sie dann vor einem Mikrofon standen. So redselig wie ein Doorsoun ist
gewiss nicht jede im deutschen Team. Auch so geduldig sind sicher wenige.
Und doch steht sie für eine neuen Spielerinnengeneration, die keine Scheu
mehr hat vor der Öffentlichkeit.
Nach ihrem schwierigen Spiel gegen China ließ sie sich mehr als eine halbe
Stunde Zeit, ging von Kamera zu Kamera, von Schreibblock zu Schreibblock,
um klarzustellen, dass sie sich ihrer Fehler sehr wohl bewusst war, dass
sie auch befürchtet hat, ausgewechselt zu werden. Dass sie sich selbst
nicht erklären konnte, warum sie, statt über die Torhüterin zu spielen,
immer wieder einen Querpass gespielt hat. Dass ihr niemand zu sagen
braucht, was sie falsch gemacht hat.
Wie sie sich selbst im Spiel immer wieder versichert hat, dass sie es doch
besser kann. Und dass man ihr, wenn man sie schon kritisiert, ihr doch auch
zugute halten sollte, dass sie so manchen gegnerischen Angriff abgelaufen
habe. Ein ganzes Spiel aus den Augen einer Akteurin wurde einem da
dargelegt. Ob sie sich überlegt habe, nach diesem Spiel überhaupt den
Medien zu stellen, wurde sie dann noch gefragt. Ihre Antwort: „Das war
keine Frage für mich.“
## Plaudernde Schülerin
Derweil wird Lena Oberdorf zu den Medienvertretern geschoben. Die
17-jährige Schülerin hat es leicht. Wenn sie über die Absperrung zu den
Medienvertreterinnen schaut, sieht sie nur freundliche Gesichter. „Wie war
es, das erste Mal!“, wird sie gefragt. Und beim zweiten Spiel: „Und wie war
es heute?“ Klar war das toll. Aber es war auch schwierig.
Und da fängt die Schülerin an zu erzählen, warum es nicht einfach ist. Und
beinahe nebenbei erfährt man, wie sehr sie die verletzte Spielmacherin
Dzsenifer Marozsán bewundert. Die wisse immer schon ganz genau, wie sie den
Ball verarbeiten wird, noch bevor sie ihn bekommt. Und schon bekommt man
eine Ahnung, wie das Team funktioniert, dass es da eine Spielerin gibt, an
der sich alle orientieren und ahnt, dass es wohl stimmt, wenn – wie nach
dem Spiel gegen Spanien – fast alle sagen: „Heute haben wir für Dzseni
gespielt.“
Klar, es gibt auch diese Spielerinnenphrasen. „Das müssen wir jetzt erst
einmal analysieren.“ Oder: „Wir haben uns schwer getan, ins Spiel zu
finden.“ Und: „Jetzt gilt es, konzentrierter weiterzuarbeiten.“ Aber als
Melanie Leupolz versuchte, ihre Enttäuschung darüber zum Ausdruck zu
bringen, dass sie gegen Spanien nicht von Beginn an spielen durfte, und
sich in eine dieser Phrasen („Das Wichtigste ist der Erfolg des Teams“)
retten wollte, musste sie selber lachen. „Klar hätte ich gerne gespielt.“
Da stand Klara Bühl neben ihr, die 18-jährige Stürmerin, die natürlich
strahlte, weil sie doch tatsächlich zum ersten WM-Einsatz gekommen war. Die
Trainerin habe ihr gesagt, dass sie versuchen solle, mit ihrer
Schnelligkeit hinter die Verteidigung zu kommen und ein Tor zu schießen.
„Das ist ja nun nicht gelungen“, sagte sie und jeder durfte sehen, wie viel
Ehrgeiz in ihr steckt. Sara Doorsoun wird auch gefragt, was sie von Bühl
hält. Schnell sei sie schon. „Aber natürlich nicht so schnell wie ich. Da
wollen wir doch die Kirche schön mal im Dorf lassen.“ Alle lachen und
merken doch, dass sie gerade etwas gelernt haben über der Hackordnung im
Team.
## Diabolisches Lächeln
Und am Ende hört man vor allem Almuth Schult in der Mixed Zone. Sie ist das
personifizierte Selbstbewusstsein im Team. Die Torhüterin weiß am besten,
dass bis jetzt nur mit viel Glück zwei Niederlagen verhindert wurden. Sie
spricht aber so, als hätte das etwas mit dem deutschen Team und natürlich
mit ihr selbst zu tun. „Alle haben Angst vor uns“, sagt sie und lächelt
fast diabolisch. Das Kraftzentrum der Mannschaft steht zwischen den
Pfosten, lernt man da.
Vielleicht stimmt das Bild nicht, das sich aus dem Auftritt der Mannschaft
nach den Spielen ergibt. Immerhin entsteht ein Bild, weil die Spielerinnen
etwas darstellen wollen. Schön, dass der DFB und seine Sprecherin, Annette
Seitz, das nicht verhindern und die Spielerinnen aus der Mixed Zone ziehen,
bevor sie das letzte Wort gesprochen haben.
Und doch ist es der Verband, der bisweilen ein Bild vom Team zeichnet, wie
man es eher aus vergangenen Tagen kennt. In einem vom DFB verschickten
Video von einem Ausflug der Mannschaft in die Innenstadt von Lille wirkt
das Team wie eine verschüchterte Klosterschülerinnengruppe. Sind das
wirklich die Frauen, die die Mixed Zone aufmischen? Man mag es kaum
glauben.
15 Jun 2019
## AUTOREN
Andreas Rüttenauer
## TAGS
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