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# taz.de -- Kinofilm „Kim hat einen Penis“: Im Vakuum zu zweit
> Kein Klamauk, im Gegenteil: Philipp Eichholtz' neuer Film ist eine ernste
> Studie über Paare, die nicht mehr über ihre Wünsche sprechen.
Bild: Kim (Martina Schöne-Radunski) entscheidet sich aus einer Laune heraus f�…
Man stelle sich eine Zeit vor, in der es völlig unproblematisch wäre, sein
Geschlecht umwandeln zu lassen. In Philipp Eichholtz’ neuem Film (der
vierte in fünf Jahren) ist so etwas möglich. Dank der sogenannten Smooth
Gender Transition, ausgeführt in der Schweiz, hat man binnen vierundzwanzig
Stunden ein neues funktionstüchtiges Geschlecht zwischen den Beinen.
Das Motto der Klinik: „There are no genders – there are just decisions!“
Für Kim (Martina Schöne-Radunski) klingt das verlockend. Und so entscheidet
sie sich kurzerhand während eines Zwischenstopps mit dem Flugzeug – die
Berlinerin ist Pilotin – für den Eingriff. Das Ergebnis offenbart der Titel
des Films. Partner Andreas (Christian Ehrich) erfährt von der Laune erst,
als alles längst geschehen ist. Seine Begeisterung hält sich in Grenzen.
Eichholtz, der seine Filme außerhalb des gängigen Fördersystems realisiert,
hat sich in den letzten Jahren nicht nur in der Mumble-wütigen Hauptstadt
einen Namen gemacht. Jene, die sich für das deutsche Independent-Kino
interessieren, interessieren sich auch für Eichholtz. Wer sich für den 1982
in Hildesheim Geborenen derweil nicht interessiert, sind die deutschen
Sendeanstalten. Noch nie sei ein Redakteur auf ihn zugekommen, sagt
Eichholtz im Rahmen der Premiere von „Kim hat einen Penis“ beim Filmfest
München.
Dabei hätte er gar nichts dagegen. Andererseits: Sein Produktionstempo
könne er dann sicher nicht mehr beibehalten. Und ein Film wie „Kim hat
einen Penis“ wäre in dieser Form wohl auch kaum durchgegangen. Oder er
hätte Klamauk werden müssen.
## Erzwungene Veränderungen
An Klamauk, auch wenn es in diesen Filmen allerhand Albernheiten gibt, ist
Eichholtz nicht gelegen. Er möchte schon ernst genommen werden in seinen
Anliegen, auch wenn diese manchmal etwas rumpelig vorgetragen sind. „Luca
tanzt leise“ (2016), abermals mit Schöne-Radunski in der Hauptrolle,
beschäftigte sich mit dem Thema Depression. In „Rückenwind von vorn“
(2018), der vergangenes Jahr auf der Berlinale lief, stellte Eichholtz die
Frage, wie man denn bitte schön damit umgehen soll, wenn alle ihr Leben
verändern, voranbringen, während das eigene stillzustehen scheint.
„Kim hat einen Penis“ ist gewissermaßen das Gegenstück zu „Rückenwind …
vorn“. Denn hier ist es die Hauptfigur selbst, die Veränderung
voranschubst, ja, erzwingt. Ihre Lust, etwas Neues zu erproben, steht nicht
wirklich in Einklang mit dem, was Lehrer Andreas will. Aber was will dieser
Andreas eigentlich? Er sagt es nicht. Und so zielen Kims zunächst als
egoman anmutende Aktionen eben genau auch in jenes Vakuum, das eine
Beziehung lässt, in der sich nicht mehr anständig darüber ausgetauscht
wird, was man eigentlich voneinander (nicht) will.
## Glatt läuft wirklich gar nichts
Ein solches Nichtwollen illustriert Philipp Eichholtz einmal sehr schön in
einer Szene, die sich am Rand von Berlin, der eigentlich schon Brandenburg
ist, abspielt. In einem heruntergekommenen Gartenhaus in Großziethen,
umringt von Gewächs und leeren Straßen. „Nur sieben Minuten vom Flughafen
entfernt!“, freut sich Kim. Dass Andreas in die Schule nach Neukölln mehr
als das Dutzendfache benötigt – geschenkt.
Sexuell läuft es zwischen den beiden, seitdem Kim einen Penis hat, auch
nicht mehr. Und dass beider bester Freundin Anna (Stella Hilb), nachdem ihr
Freund eine andere Frau geschwängert hat, mit Saxofon und Zigaretten in die
gemeinsame Wohnung gezogen ist, macht nichts einfacher.
Von „smooth“ also keine Spur. Auch außerhalb der Erzählung nicht, wo
Philipp Eichholtz für seine Filme Kredite auf eigene Faust aufnimmt. Das
Risiko geht allerdings auch mit Freiheit einher. Ein schreckliches Glück,
das er mit Kim teilt.
13 Jun 2019
## AUTOREN
Carolin Weidner
## TAGS
Kino
Sexualität
Beziehung
Kommunikation
Surrealismus
Familie
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