# taz.de -- Türkei kauft russisches Waffensystem: Raketen-Deal mit Konsequenzen | |
> Die Türkei will das Abwehrsystem S-400 von Russland kaufen. Das Geschäft | |
> gefährdet die Nato-Mitgliedschaft des Landes. | |
Bild: Noch stehen diese Boden-Luft-Raketen in Russland | |
ISTANBUL taz | Nach außen scheint alles klar. Ankara sei fest | |
„entschlossen“ und habe nicht vor, bei dem umstrittenen Kauf des russischen | |
Raketenabwehrsystems S-400 „einen Rückzieher zu machen“, sagte | |
[1][Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan] am Dienstagmorgen. | |
Noch in diesem Monat sollen die ersten Systeme aus Moskau geliefert werden. | |
Ein ganz normales Waffengeschäft also. Die Anzahlung ist auch bereits | |
getätigt. In Wahrheit aber ist der Kauf des hochmodernen russischen | |
Raketenabwehrsystems S-400 durch den Nato-Staat Türkei ein Schritt, den es | |
innerhalb der Allianz so noch nicht gegeben hat. | |
Die Entscheidung Erdoğans, das Milliardengeschäft der Raketenabwehr nicht | |
mit den USA, sondern mit seinem „Freund“ Wladimir Putin abzuschließen, ist | |
eine wirtschaftliche, politische und militärische Provokation für die | |
Nato-Vormacht USA, die weitreichende Konsequenzen haben könnte. Zieht | |
Erdoğan seinen Deal wirklich durch, könnte das am Ende sogar dazu führen, | |
dass die Türkei die Nato verlässt und aus der amerikanischen, westlichen | |
Hemisphäre in die russische, eurasische Hemisphäre wechselt. | |
Es wäre ein „Epochenbruch“, schrieb kürzlich der ehemalige EU-Botschafter | |
in Ankara, der Italiener Marc Pierini in einem Strategiepapier der | |
Carnegie-Stiftung, ein „Game-Changer“ für Europa und den gesamten Nahen | |
Osten. Aus Washington wird deshalb Druck aufgebaut, um Erdoğan doch noch zu | |
bewegen, von dem Deal mit Putin abzulassen. Zuerst hat das Pentagon der | |
Türkei nach jahrelangem Zögern doch noch angeboten, das amerikanische | |
Raketenabwehrsystem Patriot zu kaufen. Allerdings waren die Konditionen | |
wesentlich schlechter als die der Russen. | |
## Drohungen schaukeln sich hoch | |
Auch kam das Angebot viel zu spät, wie türkische Politiker sagen. | |
„Jahrelang“, klagte Erdoğan jüngst bei einem Telefonat mit US-Präsident | |
Donald Trump, hätte die Obama-Administration die Türkei hingehalten, „bis | |
uns gar nichts anderes übrig blieb, als bei den Russen einzukaufen“. | |
Während Trump bereit zu sein scheint, dieses Argument zu akzeptieren, hat | |
der US-Kongress bereits Sanktionen für den Fall beschlossen, dass die | |
Türkei beim Kauf der S-400 bleibt. | |
An erster Stelle soll die Auslieferung der amerikanischen | |
F-35-Tarnkappenbomber an die Türkei gestoppt werden. Ankara hat sich | |
finanziell und technologisch an der Entwicklung dieses weltweit modernsten | |
Kampfflugzeuges mit mehr als einer Milliarde Dollar beteiligt und will nun | |
über einhundert Maschinen kaufen. Türkische Piloten trainieren bereits in | |
Arizona in F-35-Maschinen, deren erste Lieferung an die Türkei ebenfalls | |
für diesen Monat ansteht. US-Experten befürchten jedoch, mit ihrem | |
S-400-System in der Türkei könnten die Russen die Elektronik der F-35 | |
ausspähen. | |
Drohungen und Gegendrohungen schaukeln sich immer weiter hoch. Falls die | |
Türkei nicht bis Ende dieser Woche den Verzicht auf das S-400-System | |
verkünde, wolle der Kongress den „Countering America’s Aversaries Through | |
Sanctions Act“ (CAATSA) gegen die Türkei in Kraft setzen, berichten | |
US-Medien. | |
In diesem Fall, schreiben türkische Kolumnisten, sollte man den | |
US-Luftwaffenstützpunkt in İncirlik dichtmachen und die US-Luftwaffe | |
rausschmeißen. „Noch nie waren die türkisch-amerikanischen Beziehungen nach | |
dem Zweiten Weltkrieg so schlecht wie heute“, schrieb die bekannte | |
Journalistin Hande Firat kürzlich. | |
Hinter den Kulissen wird aber wohl doch noch nach einem Ausweg gesucht. | |
Angeblich soll der türkische Präsident seinen russischen Amtskollegen | |
gebeten haben, mit der Auslieferung der S-400 zu warten. Am Rande des | |
anstehenden G-20-Gipfels am 28. Juni in Japan will Erdoğan sowohl Trump als | |
auch Putin zu bilateralen Gesprächen treffen. | |
4 Jun 2019 | |
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[1] /Kommentar-Kommunalwahl-in-der-Tuerkei/!5584423 | |
## AUTOREN | |
Jürgen Gottschlich | |
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