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# taz.de -- Grips Theater feiert Jubiläum: 50 Jahre befreiendes Lachen
> Viele Kinder haben hier gelernt, dass sie stark sind und Erwachsene nicht
> immer recht haben: Das Grips Theater hat seine revolutionäre Kraft
> behalten.
Bild: Autoritäten aus der Fassung lachen: Szenenbild aus „Die Lücke im Bauz…
Bei einer Festrede zum Fünzigsten sollte man besser nicht über sich selbst
sprechen, sondern über den Jubilar. Trotzdem ist es nicht ganz abwegig, die
taz und das Grips Theater (für Familie, Freunde und Bekannte einfach nur:
„das Grips“) auch mal gedanklich nebeneinanderzustellen, schließlich sind
beide demselben Nährboden entsprossen. Wobei das Grips nicht wie die
„tägliche linke, radikale Zeitung“ Kind der 68er-Bewegung war, sondern ein
Teil davon, von Beginn an. Und während die taz alles Radikale weitgehend
abgestreift hat, kam das Grips nie so sehr in diese Verlegenheit,
vielleicht weil Radikalität im Sinne einer konsequenten Ermutigung der
Schwachen eigentlich immer aktuell bleibt.
Dabei galt das 1969 aus Volker Ludwigs linkem „Reichskabarett“ erwachsene
„emanzipatorische“ Theater, wie es bald genannt wurde, der politischen
Reaktion lange als antiautoritäres Nervengift, das die Frontstadt zu
zersetzen drohte. Im Jubiläumsband erinnert sich Ludwig an die
Hetzkampagnen von CDU und Springer. Dessen Morgenpost schrieb damals:
„Zuschüsse für GRIPS bedeuten, dass wir uns einen Haufen Psychopathen
heranzüchten, arme Typen, die eines Tages an sich zerbrechen werden. Vorher
werden sie noch anderes zerbrochen haben.“
Aus heutiger Sicht, zig Kinder-, Jugend- und Erwachsenenstücke, Preise,
Tourneen und weltweite Nachinszenierungen später, klingt das so drollig wie
realitätsfern, aber damals machte es der 1974 in ein ehemaliges Kino am
Hansaplatz gezogenen Bühne das Leben verdammt schwer: In den CDU-regierten
Bezirken der Halbstadt war den Schulen der Besuch von Grips-Aufführungen
jahrelang untersagt, die dringend benötigten Zuschüsse standen unter
Dauerbeschuss von rechts.
## Frische Utopien
Ein Songtext wie das „Gartenlied“ (siehe oben) von 1973 klang in
konservativen Ohren wie die Fanfare zum Angriff auf Grunewalder oder
Frohnauer Bastionen, obwohl „Eines Tages (!) reißen wir die Zäune von den
großen Gärten ein“ ja auch nur die aufmüpfige Version von „I have a drea…
war. Dass man Kinder durch darstellendes Spiel und ohrwurmträchtige Songs
zu proletarischen Kampfmaschinen formen konnte oder sollte, daran haben die
Gripsler sowieso nie geglaubt. Und heute, „Fridays for Future“ und
„Deutsche Wohnen enteignen“ lassen grüßen, kommt die Gärten-für-alle-Ut…
irgendwie auch wieder sehr frisch daher.
Ein weiteres Schicksal teilt das Grips mit der taz: Wer es nicht so genau
kennt, hat immer noch ein Klischee parat. Bei uns ist es der vor
Jahrzehnten abgeschaffte Einheitslohn, beim Grips die Reduzierung auf den
Song „Wir werden immer größer“ und „Linie 1“. Nichts gegen beides, nu…
das Grips-Universum unbeschreiblich reicher an Inhalten und künstlerischen,
musikalischen Formen. Wenn heute eine Autorin aus dem Lesebühnen-Kosmos wie
Kirsten Fuchs mit dem „Nacktschnecken-Game“ ein witzig-surreales Stück üb…
Sex und Erwachsenwerden im digitalen Zeitalter liefert – mittlerweile ihr
drittes für das Grips –, zeigt das, dass dieses Theater nie stehen oder
stecken geblieben ist.
Gleichzeitig gibt es große personelle Kontinuitäten in der Grips-Familie –
man denke an Dietrich Lehmann, der von Anfang an dabei ist und nicht nur
als Schauspieler seine Figuren markant geprägt, sondern auch viele Male
Regie geführt hat. Philipp Harpain, seit 2017 Ludwigs Nachfolger an der
Spitze des Hauses, ist auch ein Eigengewächs: Er leitete jahrelang die
theaterpädagogische Abteilung, die für die Grips-Arbeit extrem wichtig ist.
Und, auch darauf muss man als tazler hinweisen, die Bühne hat seit 1976 ein
einzigartiges Mitbestimmungsmodell: Das „Gremium“, in dem alle Gruppen des
Hauses über Spielplan und Besetzungen diskutieren und gemeinsam
entscheiden. Möge es weiterhin so weise Entscheidungen treffen.
Seine ersten 50 Jahre feiert das Grips Theater mit zwei Festwochen, Motto:
„On the Child’s Side“. Am 6. Juni ging es mit „Die Lücke im Bauzaun“…
heute (Sa., 8. Juni, 18 Uhr) zeigt die Manufaktur des Lachens aus Athen „O
Mormolis“ in der Akademie der Künste. Es folgen Gastspiele aus Ägypten und
Indien, eine Jubiläumsgala, ein Internationales Symposium zu Kinderrechten
im Theater und am 15. Juni das Hansaplatzfest. Krönender Abschluss am 18.
und 19. Juni: der südkoreanische Mega-Erfolg „Seoul Line 1“. Das ganze
Programm findet sich [1][hier].
[2][Hier] geht es zum Interview mit Volker Ludwig und Vassilis Koukalani.
8 Jun 2019
## LINKS
[1] http://www.grips-theater.de/assets/Uploads/Neuigkeiten/369/Downloads/GRIPSS…
[2] /50-Jahre-Grips-Theater/!5599591
## AUTOREN
Claudius Prößer
## TAGS
Grips Theater
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BVG
Theater Berlin
Grips Theater
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