# taz.de -- BVG-Musical „Tarifzone Liebe“: Ne halbe Station Richtung „Lin… | |
> Das BVG-Marketing hat seinen Fans ein echtes Musical geschenkt – der Plot | |
> handelt von einer verliebten Tram. Unser Autor ist widerwillig | |
> mitgefahren. | |
Bild: Das neue BVG-Musical „Tarifzone Liebe“ – Tram Tramara verliebt sich… | |
Ein Musical, das bei der BVG spielt? Mit Songs, die fetzen, und schrillen | |
Typen? Klingt ganz schön nach die Achtzja, wie der Berliner so sagt – und | |
unweigerlich nach dem Grips-Theater-Klassiker „Linie 1“. Ist es aber nicht. | |
Jedenfalls nicht Anfang Dezember 2023 im Admiralspalast an der | |
Friedrichstraße. Da haben die Verkehrsbetriebe höchstselbst zum Schunkeln | |
eingeladen: „Tarifzone Liebe“ heißt das 60-minütige Produkt, Uraufführung | |
Montag, letzte Vorstellung Dienstag. | |
Eine Stunde mit Musik aus der Konserve, aber richtig echten SängerInnen, | |
manche sogar auf Rädern? Wie kommt man auf sowas? Ist doch klar, meint | |
[1][BVG]-Marketingchefin Christine Wolburg, die zu Beginn vor den noch | |
geschlossenen Vorhang tritt: „Das Zusammenleben in der Großstadt | |
funktioniert nur, wenn wir das Gute ineinander sehen. Deshalb setzen wir in | |
unserer Story ein Zeichen für Zusammenhalt und gegenseitige Akzeptanz.“ | |
Tatsächlich handelt sich um ein Weihnachtsgeschenk an all die | |
[2][Hardcore-Fans], die auch noch nach einem knappen Jahrzehnt | |
#weilwirdichlieben jedes Wortspiel mit Schienen und Weichen als Kult | |
bejubeln und sich bei jedem weiteren Coversong aufs Neue kringeln. Dass es | |
davon genügend gibt, zeigt der an beiden Abenden ausverkaufte Theatersaal – | |
und auch an den Bildschirmen, sprich: bei YouTube, schauen am Montag ein | |
paar Tausend zu. | |
Aber wobei jetzt genau? Nun, der Plot geht mehr oder weniger so: Rund um | |
einen [3][sprechenden Ticketautomaten], der „Fahrausweisheiten“ zum Besten | |
gibt („Kommt Zeit, kommt Fahrt“, „Alle Wege führen nach Mitte“) treffe… | |
paar skurrile Berliner Schnauzen auf lebendige Verkehrsmittel wie Bustav, | |
Ulaf oder Tramara, die Straßenbahn. Letztere verliebt sich prompt in einen | |
jungen Mann mit Hoodie und Ukulele, der, nun ja, „in ihr“ seinen Geldbeutel | |
liegen gelassen hat. | |
Per Fahrtzielanzeiger will sie ihm ihre Liebe erklären, ihn aber hindert | |
ein fieser Kontrolleur daran, Tramara auf der Suche nach seiner Brieftasche | |
zu besteigen – pun intended, wie man in der Londoner Tube so sagt. Er nimmt | |
fortan das Fahrrad, sie verlässt mit gebrochenem Herzen ihr Gleis, um sich | |
nach Paris abzusetzen. Das bringt den gesamten ÖPNV, ja die Stadt | |
durcheinander. Zum Glück begegnen sich Tramara und der Ukulelenjüngling | |
dann doch noch an einer nächtlichen Haltestelle … | |
## Wenn sich Rücksicht auf Rücklicht reimt | |
Was soll man sagen? Nach den neun von „Musical-Koryphäen und Profis“ | |
(Wolberg) vorgetragenen Songs kann man eigentlich nur noch hoffen, dass der | |
Wortspielgenerator der BVG jetzt endlich leer gelaufen ist – in Zeiten von | |
ChatGPT ein wohl vergeblicher Wunsch. „Ihr nehmt einfach keine Rücksicht / | |
darum zeig ich euch mein Rücklicht“, trällert Tramara aus ihrem gelben | |
Kostümkasten, oder: „Mein Herz ist mein Getriebe / die ganze Energie fließt | |
nur, weil ich ihn liebe“. Usw. usw. | |
Okay, ein paar nette Ideen sind auch dabei, zum Beispiel ein | |
Beschwerdesong, in dem der Chor „zu spät, zu laut, zu dreckig / zu langsam, | |
zu bunt, zu eckig“ singt und die berufsempörten KundInnen: „Ich fand nen | |
Krümel in der Ritze / mein Pudel darf nicht auf die Sitze.“ Das geht | |
gefühlt tatsächlich eine halbe Station in Richtung „Linie 1“, kommt dort | |
aber natürlich nie an. Die Wilmersdorfer Nazi-Witwen, Bambi, Schlucki und | |
die Rockband „No Ticket“ waren, sind und bleiben halt unsterblich. | |
Oder, um diese Fallhöhe mit einem auch nicht gänzlich ungelungenen Gag aus | |
„Tarifzone Liebe“ metaphorisch zu beschreiben: „Wenn wir nichts | |
unternehmen, endet das hier im Chaos“, schreit der Ticketautomat Bustav, | |
den Bus, an. Der versteht die Aufregung nicht: „Also ich ende in Köpenick.“ | |
5 Dec 2023 | |
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## AUTOREN | |
Claudius Prößer | |
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