| # taz.de -- Initiative „Die wahre SPD“: Aufstand der Altgedienten | |
| > In NRW wollen einige Sozialdemokraten verhindern, dass der Juso-Chef | |
| > Kevin Kühnert zum Parteichef oder Kanzlerkandidaten aufsteigt. | |
| Bild: Da hatten sie noch gut lachen: Sebastian Hartmann (l.) und Michael Grosch… | |
| Bochum taz | Im größten Landesverband der SPD wächst der Widerstand gegen | |
| einen angeblich drohenden Linksruck: Rund um den ehemaligen | |
| Landesparteichef und ehemaligen Bauminister [1][Michael „Mike“ Groschek] | |
| hat sich eine Initiative gegründet, die sich „Die wahre SPD“ nennt. Deren | |
| zumeist männliche und ältere Unterstützer wollen offenbar verhindern, dass | |
| die Partei große Teile der Agenda-Reformen und damit eines politischen | |
| Erbes abräumt, das sie über 15 Jahre mitgetragen haben. | |
| „Wir müssen uns das Spielfeld offenhalten, dürfen nicht nur über Linksauß… | |
| kommen“, sagte Groschek der taz – „dort drängen sich schon andere.“ Di… | |
| müsse „regierungsfähig“ bleiben, dürfe ihre „Wirtschaftskompetenz nicht | |
| vernachlässigen“, mahnt der Exlandesvorsitzende. Noch deutlicher wird der | |
| wie Groschek aus Oberhausen stammende Initiator der „Wahren SPD“, Hartmut | |
| Schmidt: „Wir sind keine Verstaatlichungspartei und wollen keine | |
| Linkspartei 2.0 sein“, sagte er den Zeitungen der WAZ-Gruppe. | |
| Schmidt, der seit 38 Jahren Genosse ist und bis 2006 den Unterbezirk | |
| Oberhausen geleitet hat, macht damit Front gegen Jusochef Kevin Kühnert. | |
| Der hatte Anfang Mai im Interview mit der Zeit über eine mögliche | |
| [2][Vergesellschaftung von Großunternehmen wie BMW nachgedacht]: Der | |
| Autobauer gehört zu 47 Prozent den superreichen Firmenerben Susanne Klatten | |
| und Stefan Quandt, deren Vermögen auf zusammen 34 Milliarden Euro geschätzt | |
| wird. Erst kürzlich kassierten die beiden eine Dividende von 1,1 Milliarden | |
| Euro. | |
| Kühnert gilt wegen des offensichtlichen Personalmangels der | |
| Sozialdemokraten nach dem Abgang von Parteichefin Andrea Nahles als | |
| möglicher Vorsitzender – und ziert als denkbarer Kanzlerkandidat sogar den | |
| aktuellen Spiegel-Titel. Für viele traditionell denkende Genossen offenbar | |
| ein Albtraum. | |
| ## Brief an die kommissarischen SPD-Vorsitzenden | |
| Die amtierende Parteiführung der nordrhein-westfälischen SPD reagierte | |
| betont gelassen auf die Initiative der Altgedienten. Groschek und seine | |
| Unterstützer sorgten sich eben vor einer Verkürzung der Debatte auf die | |
| Stichworte „Kühnert“ und „Enteignung“, war aus Düsseldorf zu hören. … | |
| konservative Medien sind dann schnell beim Sozialismus und der DDR – und | |
| das ist tödlich.“ | |
| Dabei kann die Gründung der „Wahren SPD“ auch als massive Kritik am | |
| amtierenden NRW-Landesparteichef Sebastian Hartmann und | |
| Landtagsfraktionschef Thomas Kutschaty verstanden werden: Beide rangeln | |
| zwar noch um die Rolle als Nummer 1 im Landesverband. Dennoch wollen beide | |
| die Partei deutlich sozialer aufstellen. Zumindest formal [3][müsse das | |
| Label „Hartz IV“ verschwinde]n, glauben sie – sonst drohe der in Umfragen | |
| auf 12 Prozent abgestürzten SPD ein weiterer Niedergang. | |
| In einem Brief an die drei kommissarischen Vorsitzenden der Bundespartei, | |
| Manuela Schwesig, Malu Dreyer und Thorsten Schäfer-Gümbel, hatte auch der | |
| Landesvorstand der NRW-SPD ein deutlich sozialeres Profil angemahnt. Wie im | |
| schon im „Sozialstaatskonzept“ der Bundespartei im Februar gefordert müsse | |
| die SPD „Hartz IV zugunsten einer Arbeitsversicherung und einer | |
| bedarfsgerechten Grundsicherung abschaffen“. Außerdem fordern die | |
| NRW-Genossen eine Digital- und Finanztransaktionssteuer, effektive Steuern | |
| auf „sehr hohe Einkommen“ und „besonders hohe Erbschaften“ sowie eine | |
| „echte Stunde null für die kommunalen Altschulden“. | |
| ## „Kein Wischiwaschi, sondern mehr „Rot pur“ | |
| Nur so könne die Sozialdemokratie ihre „massiv verlorenen gegangene | |
| Glaubwürdigkeit wiedergewinnen“, heißt es in dem Papier. Die SPD habe den | |
| „sozialen Fortschritt“ aus „den Augen verloren“ und auf einen „falsch… | |
| Glauben an den Markt“ gesetzt, so die bittere Analyse. Auf dem | |
| Bundesparteitag im Dezember in Berlin müsse deshalb die Groko „evaluiert“ | |
| werden. Außerdem soll es eine Mitgliederbefragung zur künftigen | |
| Parteiführung geben. Unterschrieben haben nicht nur Parteilinke wie der | |
| Landesvize und Ex-Juso-Chef Veith Lemmen, sondern auch Vertreter des | |
| rechten Flügels wie Duisburgs Oberbürgermeister Sören Link. | |
| „Wir brauchen kein Wischiwaschi, sondern mehr Rot pur“, sagt deshalb | |
| NRW-Parteichef Sebastian Hartmann. Allerdings: „Rot pur“ fordern auch | |
| Groschek und seine „Wahre SPD“. Von der „Abschaffung“ von Hartz IV etwa | |
| will der ehemalige Landesparteichef trotzdem nicht reden, spricht lieber | |
| von „weiterentwickeln“ und „nachjustieren“. Außerdem wirbt der frühere | |
| Minister, der bei einer SPD-Konferenz am Samstag ausgerechnet in seiner | |
| Heimatstadt Oberhausen harte Kritik an seiner Initiative einstecken musste, | |
| schon heute für das Weiterregieren mit CDU und CSU. | |
| „Wir können das Leben der Menschen nur verbessern, wenn wir regieren. Wenn | |
| wir opponieren, ist Pause“, glaubt Groschek – und gönnt sich noch eine | |
| Spitze gegen Kühnert: Mit 12 Prozent sei die SPD in einer „existenziellen | |
| Lage“, die keinen Platz für verengte Personaldiskussionen und | |
| „Titelblatt-Inszenierungen“ wie auf dem Spiegel-Cover lasse. All das ähnele | |
| dem einstigen Hype um den gescheiterten S[4][PD-Kanzlerkandidaten Martin | |
| Schulz], sagte Groschek der taz: „Ich erinnere an die schmerzhafte | |
| Entwicklung von Sankt Martin.“ | |
| 11 Jun 2019 | |
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| ## AUTOREN | |
| Andreas Wyputta | |
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