# taz.de -- Kommentar Spermien-Prozess in den USA: Wenn Tote Vater werden | |
> In den USA dürfen Eltern mit dem Sperma ihres verstorbenen Sohnes nun | |
> Enkel zeugen. Aber nicht alles, was möglich ist, ist auch richtig. | |
Bild: Aus den Spermien eines Toten ein Kind zeugen? Faszinierend. Aber nicht f�… | |
Die Eltern des verstorbenen US-Amerikaners Peter Zhu sagen es ganz offen: | |
Sie wollen sich ein Stück ihres Sohnes bewahren, um jeden Preis. Deshalb | |
haben sie dem bereits [1][hirntoten] jungen Mann, der nach einem Skiunfall | |
als Organspender künstlich am Leben erhalten worden war, Sperma entnehmen | |
lassen. Nun entschied ein Gericht im Bundesstaat New York, dass sie damit | |
Enkel zeugen dürfen. Ein Toter soll Vater werden. | |
Man könnte einwenden, dass auch andere Paare Kinder mit Hilfe von | |
Samenspendern bekommen, und auch diese später keine Rolle spielen. Und in | |
diesem Fall bestünde ja sogar eine verwandtschaftliche Beziehung. Ist es | |
nicht Teil unseres progressiven Weltbildes, dass neue Familienformen | |
jenseits von Vater-Mutter-Kind entstehen und Familie überall dort ist, wo | |
Kinder sind? | |
Einerseits ja. Doch viel weniger fortschrittlich erscheint das, was heute | |
reproduktionstechnisch möglich ist, wenn man es [2][aus der Perspektive | |
eines Kindes] betrachtet: Der Vater ist schon bei der Zeugung tot, die | |
Mutter eine Eizellenspenderin, ausgetragen von einer Leihmutter, dazu | |
Großeltern, die den Enkel immer mit ihrem verstorbenen und vermissten Sohn | |
vergleichen werden – was für eine Hypothek. | |
Natürlich kennen auch Adoptivkinder in der Regel ihre biologischen Eltern | |
nicht. Das aber ist keine bewusst gewählte Zeugung; das Adoptivkind ist | |
durch seine Lebensumstände neuen Eltern anvertraut worden. | |
## Eigene Wünsche – nicht unbedingt die der Kinder | |
Wo immer es umsetzbar ist, versucht man heute Regelungen zu finden, die | |
einen Kontakt zu den leiblichen Eltern bei Volljährigkeit ermöglichen. Auch | |
Kinder von Samenspendern haben nach einem Gerichtsurteil in Deutschland | |
inzwischen das Recht zu erfahren, wer der leibliche Vater ist. Denn es hat | |
sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass es eben doch eine Rolle spielt zu | |
wissen, woher man stammt. | |
Für [3][Erwachsene mit einem Kinderwunsch] ist die moderne | |
Reproduktionsmedizin faszinierend, oft sogar elektrisierend und auf jeden | |
Fall ein Segen. Alles scheint möglich. Doch nicht alles ist deshalb auch | |
richtig. Es mag beruhigen sich einzureden, dass ein Kind nicht vermissen | |
wird, was es gar nicht kennt. Dass nur wichtig ist, geliebt zu werden und | |
geborgen aufzuwachsen. | |
Es klingt einleuchtend und modern, entspricht aber trotzdem nicht der | |
Realität. Die Sehnsucht ist bei vielen trotzdem da. Jeder, der sich für | |
nichttraditionelle Zeugungsmethoden entscheidet, sollte sich deshalb | |
eingestehen, dass die eigenen Wünsche nicht mit denen von Kindern | |
identitisch sind. | |
23 May 2019 | |
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## AUTOREN | |
Silke Mertins | |
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