# taz.de -- Ex-Krebspatientin über Kryotherapie: Kinder trotz Krankheit | |
> Luisa H. setzt sich dafür ein, dass junge KrebspatientInnen kostenlos | |
> Eizellen oder Spermien einfrieren lassen können. Das soll nun Realität | |
> werden. | |
Bild: Kryotherapie kostet etwa 5.000 Euro, hinzu kommen jährliche Lagerungsgeb… | |
taz: Luisa H. (Name geändert, Anm. d. Red.), an diesem Donnerstag wird im | |
Bundestag das [1][Terminservice- und Versorgungsgesetz] (TSVG) aus dem | |
Bundesgesundheitsministerium verabschiedet. Sie werden auf der | |
Besuchertribüne sitzen. Warum? | |
Luisa: Ich bin Mitglied der Stiftung Junge Erwachsene mit Krebs. Für mich, | |
für uns alle ist das ein großer Tag, weil die Abgeordneten die | |
Kostenübernahme fruchtbarkeitserhaltender Maßnahmen bei jungen | |
Krebspatienten als Kassenleistung beschließen. Für nachfolgende | |
Patientengenerationen soll es ab jetzt möglich sein, Eizellen und Spermien | |
mit der Kryokonservierung einfrieren zu lassen. Es geht hier um sehr junge | |
PatientInnen, die die Möglichkeit haben sollten, trotz ihrer Krankheit | |
später Kinder zu haben. Da möchten wir natürlich Gesicht zeigen. | |
Inwieweit hilft dieses neue Gesetz Ihnen persönlich? | |
Mir hilft das leider nicht mehr. Ich bin 2015 an Lymphdrüsenkrebs erkrankt, | |
ein halbes Jahr darauf ein zweites Mal. Weil der Krebs sehr aggressiv war, | |
musste mit der Chemotherapie sofort begonnen werden. Für eine | |
Kryokonservierung mit zwei Wochen Vorlauf für die hormonelle Stimulation | |
wäre damals keine Zeit gewesen. Es hat mich aber auch von ärztlicher Seite | |
niemand aufgeklärt. Mittlerweile ist meine Therapie beendet, und ich werde | |
immer fitter. Aber ich weiß natürlich, wo so ein junger Patient in dieser | |
Situation durch muss. Ich finde, das Thema Familie muss auch in einer | |
solchen Lage geklärt werden. | |
Warum hat man Sie damals nicht über die Möglichkeit der Kryotherapie | |
aufgeklärt? | |
Ich war 18 Jahre alt, das ist ja kein Alter, in dem man aktiv über Familie | |
nachdenkt. Gerade deswegen finde ich aber, dass solche Informationen von | |
ärztlicher Seite kommen müssen. In so einer Situation, in der man sich | |
fragt, ob man überhaupt überlebt, wäre das besonders wichtig. Ein Arzt weiß | |
so etwas natürlich viel besser als der Patient. | |
Wenn Sie damals, mit 18 Jahren, Bescheid gewusst und ausreichend Zeit | |
gehabt hätten, hätten Sie die Kryotherapie bezahlen können oder wollen? | |
Wollen auf jeden Fall. Aber finanziell wäre das eine Herausforderung | |
gewesen. So eine Therapie, also die Entnahme der Eizellen, kostet 5.000 | |
Euro, hinzu kommen die jährlichen Lagerungsgebühren von ein paar hundert | |
Euro. Die Entnahme von männlichen Spermien ist mit 800 Euro preiswerter, | |
schon weil nicht operiert werden muss und keine hormonelle Stimulation | |
nötig ist. | |
Das Thema Familienplanung bei KrebspatientInnen lief bisher unter dem | |
öffentlichen Radar, obwohl Jahr für Jahr 16.000 junge Erwachsene neu an | |
Krebs erkranken. Wie erklären Sie sich das? | |
Ein Problem ist, dass die Betroffenen nicht gern öffentlich darüber reden. | |
Das ist einfach sehr privat. Viele möchten der traurigen Wahrheit nicht ins | |
Auge sehen, dass mit der Krebstherapie ihre Fruchtbarkeit enden kann. In | |
meinem Freundes- und Familienkreis wusste niemand, dass die aggressiven | |
Therapien diese Langzeitwirkung haben. | |
Mit allem Respekt gefragt: Können Sie noch Kinder bekommen? | |
Bei mir ist das nicht sicher. Man muss das abwarten. Sicher ist, dass ich | |
große Schäden davongetragen habe. Meine Hoffnung ist, das sich meine Organe | |
im Laufe der Jahre doch noch erholen – mit viel Glück. | |
Haben Sie vor dem Hintergrund Ihrer Krankheitserfahrung angefangen, Medizin | |
zu studieren? | |
Ich habe zum Zeitpunkt der Erkrankung Bühnentanz studiert, ich wollte | |
Tänzerin werden. Insofern war es also nicht meine erste Wahl, Medizin zu | |
studieren. Aber ja, die Erfahrung mit dem Krebs hat das dann verstärkt. Ich | |
hatte viele inspirierende Ärzte, das hat mich motiviert. | |
Gesundheitsminister Jens Spahn ist aktuell schwer in der Kritik wegen | |
seiner 5 Millionen Euro teuren [2][Studie zu den psychischen Folgen von | |
Schwangerschaftsabbrüchen]. Auch von den Haus- und Fachärzten wird er | |
massiv für das TSVG angegangen. Wie erklären Sie sich, dass für Betroffene | |
wie Sie relativ problemlos eine Regelung gefunden wurde? | |
Für mich ist das schwer zu erklären. Auch andere Patientengruppen haben ja | |
drängende Probleme. Es war ja so, dass er sein Versprechen, sich um unsere | |
Belange zu kümmern, zuerst beim Felix Burda Award im vergangenen Jahr | |
gegeben hatte. Damals war Claudia Neumann Preisträgerin, sie ist ebenfalls | |
ehrenamtlich in unserer Stiftung aktiv. Nachdem Jens Spahn dort sein | |
Versprechen in einem so großen Rahmen gegeben hatte, wäre es für ihn wohl | |
eher von politischem Nachteil gewesen, wenn er es am Ende nicht zustande | |
gebracht hätte. Claudia und die Stiftung haben ihn in den folgenden Monaten | |
immer wieder daran erinnert, bis es letztendlich zu dem erfolgreichen | |
Gesetzesvorschlag kam. | |
Wie geht es Ihnen aktuell? | |
Sehr gut. Ich kann mich gar nicht beschweren. Manchmal vergesse ich, was | |
mir passiert ist – und das ist schön. Gleichzeitig freue ich mich, dass ich | |
in der Stiftung mit anderen Patienten zusammenarbeiten und Erfahrungen | |
weitergeben kann. So eine Unterstützung hätte ich mir damals auch | |
gewünscht, aber die gab es da noch nicht. Insofern ist das für mich | |
persönlich erfüllend. | |
14 Mar 2019 | |
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## AUTOREN | |
Anja Maier | |
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