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# taz.de -- Die goldene Ära des Hip Hop in Berlin: Die Rolling Stones des Rap
> Nostalgie-Show der Giganten: In der Berliner Wuhlheide bewiesen Wu-Tang
> Clan, Public Enemy und De La Soul, dass Neunziger-Rap noch nicht tot ist.
Bild: Ghostface Killah von Wu-Tang Clan in der Wuhlheide
Die Crews machten noch einmal „Turn-Up“, wie es im Slang heißt. Man rauft
sich halt zusammen: Die einen, der [1][Wu-Tang Clan], Public Enemy und De
La Soul, allesamt legendäre Rap-Gruppen aus New York, waren gekommen, um
noch mal ordentlich Cash und Fame abzugreifen – die anderen, deutlich
weniger reichen Crews im Publikum, um zusammen mit alten Freunden den
Golden-Era-HipHop ihrer Jugend abzufeiern. Viele ältere Rap-Fans waren am
Samstag in die Berliner Wuhlheide gepilgert, um wie im Museum die alten
Meister zwischen Oldschool und Boom-Bap zu sehen.
Unbescheiden warb die Tour mit dem Titel „Gods of Rap“. Zungenschlag: In
die Jahre gekommene Rapper aus der Geburtsstadt des HipHop steigen für 60
Euro ein letztes Mal vom Olymp, um Europas größte Bühnen abzureißen. Sind
die legendären HipHop-Acts jetzt endgültig rollingstonisiert – und
HipHop-Fans ab Mitte dreißig unheilbar alt? Die Voraussetzungen für die
Gods-of-Rap-Tour waren denkbar schlecht.
Hinzu kam die eigenartige Mischung: Flower-Power-Rap auf Jazz-Samples von
De La Soul. Politischer „Fight-the-Power“-Oldschool-Shit von Public Enemy
und Gangsta-Aggro-Gespitte mit rauen Sample-Beats vom Wu-Tang Clan. Jede
Band steht für eine unterschiedliche Epoche des HipHop der amerikanischen
Ostküste.
Das Unwahrscheinlichste an dem Abend: Es funktionierte erstaunlich gut. Wer
für Nostalgie gekommen war (also alle), wurde nicht enttäuscht. Dass das
Konzept aufging, lag hauptsächlich an DJ Premier, auch Premo genannt, der
als Gastgeber die Acts zusammengetrommelt hatte. Er band die Konzerte mit
sensationellen DJ-Sets zusammen.
## Tiefenentspanntes Publikum
Seine Auftritte stimmten die Zuschauer in der Parkbühne teilweise
euphorischer als die der etwas ältlichen Rapper. Genial, wie Premo etwa
Herbie Hancocks Song „Jessica“ live herunterpitchte und in das
Mobb-Deep-Stück „Shook Ones“ verwandelte, in dem die Crew ein Sample des
Hancock-Klassiker nutzt. Die Stimmung war „lit“, wie unter 25-Jährige auf
dem Konzert gesagt haben mögen.
Zwar hat keine der drei Crews in den vergangenen Jahren ein relevantes
Musikalbum herausgebracht. Doch das gut gelaunte und tiefenentspannte
Publikum sorgte dafür, dass der Abend funktionierte. Und natürlich war das
Line-Up legendär, vor allem für Hip-Hop-Puristen, die glauben, dass
Rapmusik Mitte der Neunziger gestorben ist. DJ Premier hielt eine würdige
Andacht für die Verstorbenen der Bewegung: Phife Dawg von A Tribe Called
Quest, Prodigy von Mobb Deep, Notorius BIG, ODB und BIG L.
Egal war hingegen der akustisch wenig überzeugende Auftritt von De La Soul.
Die spielten zwar ihre wichtigsten Tracks „Me, Myself and I“ und „Potholes
In My Lawn“ vom über 30 Jahre alten und absolut genialen Album „3 Feet High
and Rising“, aber die rudimentären Oldschool-Beats und zarten Jazz-Samples
konnte man nur erahnen: Die Mikrofone waren deutlich zu laut eingestellt.
## Young Dirty Bastard statt Ol' Dirty Bastard
Kurz unangenehm wurde es, als Public Enemy auftraten, nur als Public Enemy
Radio und ohne Flavor Flav. Denn während des Gigs war Puma-Werbung auf dem
meterhohen LED-Bildschirm zu sehen. Fight the power? Egal – gewonnen hat eh
schon längst das Kapital. Immerhin: Der stark auf die 60 zugehende Rapper
Chuck D hat eine der stärksten HipHop-Stimmen überhaupt und eine unfassbare
Bühnenpräsenz, als er seine Parts von „Bring The Noise“ rappte, von „Fi…
The Power“ oder anderen Meisterstücken vom 1989-Meilenstein „It Takes A
Nation Of Millions To Hold Us Back“.
Überraschend gut war auch der Wu-Tang Clan – und überraschend vollständig
obendrein: Von den lebenden Mitgliedern fehlte nur Method Man. Der
verstorbene Ol’ Dirty Bastard wurde morbiderweise von seinem 21-jährigen
Sohn Young Dirty Bastard würdig vertreten. In einem anderthalbstündigen Set
spielten sie die wichtigsten Tracks vom über 25 Jahre alten Album „Enter
the Wu-Tang (36 Chambers)“.
Roh abgemischte Samplebeats dienen als Grundlage für düstere Erzählungen
aus den Sozialbauten von Staten Island, wo kürzlich sogar ein District nach
ihnen benannt wurde. HipHop funktionierte an diesem Abend in der Wuhlheide
ein Vierteljahrhundert nach seiner goldenen Ära noch so, wie er in den
frühen Neunzigern gedacht war: als Sprachrohr für Wut von der Straße, gegen
soziale Ungerechtigkeiten – und für eine gute Zeit.
19 May 2019
## LINKS
[1] /Spekulant-kauft-Wu-Tang-Album-Unikat/!5260175
## AUTOREN
Gareth Joswig
## TAGS
Rap
Nostalgie
Konzert
Rezension
HipHop
Punk
Rap
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