# taz.de -- Parlamentswahlen in Belgien: Grüne Hoffnungen | |
> Klima ist zu einem der wichtigsten Themen vor der Parlamentswahl am | |
> Sonntag geworden. Das zeigen zumindest die Umfragewerte. | |
Bild: Trotz ungünstiger Startbedingungen recht lange im Sattel: die Koalition … | |
BRÜSSEL taz | Das Wort „Super-Wahlsonntag“ greift zu kurz: Nicht nur die 21 | |
belgischen Sitze im EU-Parlament werden neu verteilt, sondern auch die 150 | |
in der Abgeordnetenkammer in Brüssel. Und damit nicht genug: Auch die drei | |
Regionen – das frankophone Wallonien, das niederländischsprachige Flandern | |
sowie das zweisprachige Brüssel, auf die in Belgien ein Großteil der | |
politischen Befugnisse entfällt, bitten an die Urne. Vom „Tag der Wahrheit“ | |
spricht die renommierte Tageszeitung De Standaard. Eine Bezeichnung, die | |
weiter reicht als die Zahl der Wahlzettel und zu vergebenen Sitze. | |
Tatsächlich steht Belgien vor richtungsweisenden Entscheidungen, etwa | |
darüber, ob sich auf nationaler Ebene noch eine funktionsfähige Mehrheit | |
finden lässt. 2014 war dies nur durch Verletzung des Prinzips möglich, | |
wonach eine Koalition sowohl auf niederländisch- als auf | |
französischsprachiger Seite über eine Mehrheit verfügen muss. In der | |
Mitte-rechts-Regierung von Premier Charles Michel und seiner liberaler | |
Partei Mouvement Réformateur (MR) hatten die flämischen Nationalisten N-VA, | |
die flämischen Liberalen Open VLD und flämischen Christdemokraten CD&V ein | |
deutliches Übergewicht. In Belgien gibt es von allen Parteien zwei | |
eigenständige Versionen: eine ist flämisch, die andere französischsprachig. | |
Trotz ungünstiger Startbedingungen hielt sich diese Koalition recht lange | |
im Sattel. Bedingung dafür war, dass die stärkste flämische Partei, die | |
Nieuw-Vlaamse Alliantie (N-VA) ihre Ambitionen vorübergehend aufschob, | |
Belgien in eine Konföderation mit weitgehend selbstständigen Regionen | |
umzugestalten. Zusammen konzentrierte man sich auf eine sozial-ökonomische | |
Agenda der Haushaltssanierung mit schweren Einschnitten. | |
Das Ende dieses Konsens war erreicht, als die N-VA im Spätherbst 2018 | |
forderte, die zuvor gemeinsam beschlossene Unterzeichnung des | |
UN-Migrations-Abkommens von Marrakesch zu verweigern. Die Partner lehnten | |
das ab, [1][woraufhin die Regierung platzte.] Seither ist eine | |
Minderheitskoalition der verbliebenen Parteien kommissarisch im Amt. | |
Die Turbulenzen vom Jahresende könnten nun eine Fortsetzung bekommen: der | |
N-VA, seit 2010 größte belgische Partei, stehen Verluste bevor, und zwar | |
zugunsten ihres rechtsextremen Konkurrenten Vlaams Belang (VB). Egal, ob es | |
um ein stärkeres Flandern geht oder um Identität und Migrationsabwehr: der | |
Vlaams Belang, Nachfolger des 2004 wegen Rassismus verbotenen Vlaams Blok, | |
profiliert sich auf Kosten der N-VA, die an der Regierung vermeintlich zu | |
viele Konzessionen machte. | |
## Die einen links, die anderen rechts | |
Das Szenario, das sich im Winter anbahnte – ein harter Schlagabtausch | |
zwischen moderaten und radikalen flämischen Nationalisten, der den | |
Wahlkampf dominiert –, ist in dieser Form indes nicht eingetreten. Was im | |
Wesentlichen mit der Klimabewegung und den SchülerInnen zu tun hat, die | |
seit Jahresbeginn zahlreich und beständig auf die Straße gehen. Klima ist | |
damit auch zu einem der wichtigsten Themen vor der Wahl geworden, was sich | |
auch an den Umfragewerten der Öko-Parteien zeigt: sowohl der flämischen | |
Groen als der frankophonen Ecolo werden starke Gewinne vorhergesagt. | |
Die N-VA, angeführt vom bisherigen Innenminister Jan Jambon, setzt im | |
Wahlkampf stark auf ihre Forderung nach einem konföderalen Belgien. Auf | |
französischsprachiger Seite wird es für die Partei schwierig, | |
Koalitionspartner zu finden – jedenfalls jenseits des liberalen MR, der | |
durch die letzte Regierungsbeteiligung im frankophonen Landesteil | |
diskreditiert ist. Ex-Premier Elio Di Rupo, der dort für die Parti | |
Socialiste (PS) wieder ins Rennen geht, erklärte zuletzt: „Nur ein starker | |
PS kann das Schreckensbild einer N-VA-MR-Regierung verhindern.“ | |
Was Di Rupo nicht gefallen dürfte: Auch wenn seine Partei aller | |
Wahrscheinlichkeit im Süden des Landes vorne liegt, stehen ihr Verluste | |
bevor. Profitieren davon dürften Ecolo sowie die marxistische Parti du | |
Travail de Belgique (PTB). Das frankophone Belgien würde damit deutlich | |
nach links rücken, während in Flandern eine Mehrheit wohl rechts der Mitte | |
liegen wird. | |
24 May 2019 | |
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## AUTOREN | |
Tobias Müller | |
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