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# taz.de -- Politologe über Anschläge in Sri Lanka: „Aussöhnung ist der ei…
> Die Aufarbeitung des Bürgerkriegs in Sri Lanka müsse wegen der Anschläge
> nun auf den Prüfstand, fordert der Politologe Paikiasothy Saravanamuttu.
Bild: Rebellen der Tamil Tigers bei einer Übung im Jahr 2005
taz: Herr Saravanmuttu, Ihre Organisation beschäftigt sich seit Langem mit
Terrorismus in Sri Lanka. Wurden Sie von den Anschlägen überrascht?
Paikiasothy Saravanamuttu: Ja. Es war zwar bekannt, dass unter Muslimen
eine Radikalisierung stattfindet. Die National Thowheeth Jama’ath (NTJ),
die jetzt im Zentrum der Ermittlungen steht, war seit 2017 auf dem Radar
der Polizei. Aber es war umstritten, ob und wieweit sie bewaffnet ist. Um
ein Attentat dieser Größenordnung zu planen, sind mindestens hundert Leute
notwendig.
Ruwan Wijewardene, Staatsminister im Verteidigungsministerium, hat die
Anschläge als Rache für das Massaker in neuseeländischen Moscheen im März
bezeichnet. Was halten Sie von der Interpretation?
Er wird dies auf Basis von ersten Untersuchungsergebnissen gesagt haben,
die der Regierung vorliegen. Man kann es daher nicht ausschließen.
Deutet das darauf hin, dass die Terroristen Hilfe aus dem Ausland hatten?
Wir wissen es bisher nicht. Tatsache ist, dass es seit den 1970er Jahren
eine Radikalisierung der muslimischen Community im Osten Sri Lankas gibt.
Viele Religionsschulen wurden mit Hilfe Saudi-Arabiens gebaut. Aber die NTJ
ist ziemlich neu und keine große Organisation.
Muss man von einem Versagen der Sicherheitsbehörden in Sri Lanka sprechen?
Nein, der Geheimdienst und die Polizei hatten Informationen. Deswegen
konnten auch so schnell nach dem Anschlag mehr als dreißig Personen
festgenommen werden. Am 11. April hatte Indien Sri Lanka vor einem
Bombenattentat gewarnt. Aber von der Politik wurden die Warnungen nicht
ernst genommen. Premierminister Ranil Wickremesinghe hat zugegeben, dass er
und seine Minister nicht informiert waren. Auch in der Vergangenheit wurde
der Premierminister nicht zu Sitzungen des Sicherheitsrats eingeladen, was
auf seine Rivalität mit Präsident Maithripala Sirisena zurückzuführen ist.
Welche Rolle spielt der Aufstieg fundamentalistisch-buddhistischer Gruppen
bei der Radikalisierung von Muslime? Nach dem Ende des Bürgerkriegs 2009
gab es in Teilen der singhalesisch-buddhistischen Mehrheit eine Art
Triumphgefühl. Es macht den Eindruck, dass buddhistische Extremisten sich
einen neuen Feind gesucht haben nach dem Sieg über die tamilischen
Befreiungstiger (LTTE).
Es hat im vergangenen Jahr ernsthafte Zusammenstöße zwischen radikalen
Buddhisten und Muslimen gegeben. Aber die Frage ist: Wenn der Konflikt
zwischen buddhistischen Singhalesen und muslimischen Tamilen verläuft,
warum greift man dann die christliche Minderheit an (die Mitglieder in
beiden Volksgruppen hat, Anm. d. Red.)?
Was vermuten Sie?
Sri Lanka wählt dieses Jahr einen neuen Präsidenten. Wenn die Minderheiten
sich nicht trauen, an die Wahlurne zu gehen, kann dies wahlentscheidend
sein.
Die Opposition unter dem ehemaligen Präsidenten Mahindra Rajapaksa versucht
seit Langem, den Premierminister als schwach und zu nachgiebig gegenüber
Terroristen darzustellen.
Deshalb müssen die Verantwortlichen für die Anschläge schnell zur
Verantwortung gezogen werden. Und der Versöhnungsprozess muss intensiviert
werden!
Zielen die Attentate nicht darauf ab, genau dies zu verhindern?
Ja, aber dieser Moment bietet auch eine Chance. Alle politischen Strategien
müssen jetzt auf den Prüfstand. Aussöhnung ist der einzige Weg.
23 Apr 2019
## AUTOREN
Britta Petersen
## TAGS
Sri Lanka
Terrorismus
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