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# taz.de -- Afghanische Friedensbemühungen: „Gespräche sind keine Hochzeit�…
> Afghanen sind enttäuscht, dass erste Gespräche zwischen Vertretern von
> Taliban und Regierung abgesagt wurde. In der Kritik: die uneinige
> Regierung.
Bild: Außergewöhnliche Gespräche: Vertreter der US-Regierung und der Taliban…
KABUL/DOHA taz | Baghat Singh verkauft auf Kabuls großem Markt Tee, Safran
und Trockenfrüchte. Er macht das seit Jahrzehnten, doch bald ist Schluss.
„Ich verlasse das Land. Meine ganze Familie ist schon geflüchtet. Sie sorgt
sich um mich“, sagt Singh, der zur Minderheit der Sikh gehört. Er ist einer
der Letzten von ihnen in Afghanistan.
Nicht nur in den letzten Jahren, sondern erst recht seit Juli 2018 haben
viele Sikh [1][Afghanistan] verlassen. Damals wurde Avtar Singh Khalsa, der
für die Minderheit für das Parlament kandidieren wollte, zusammen mit 19
weiteren Sikh durch einen IS-Anschlag in der östlichen Stadt Jalalabad
getötet. „Inzwischen gibt es nur noch einige Dutzend Sikh-Familien im Land.
Einst waren wir Zehntausende“, so Singh.
Er sieht sich weiter als stolzen Afghanen. Doch Afghanistans Zukunft sieht
er düster. Daran ändern auch die gegenwärtigen Verhandlungsversuche mit den
Taliban nichts.
Mitte April hätten die Friedensgespräche eigentlich im katarischen Doha in
die nächste Runde gehen sollen. Von „intra-afghanischem Dialog“ war die
Rede. Doch dann wurde das Treffen, das erste geplante in dieser
Konstellation, wegen Differenzen zwischen Taliban und Regierung abgesagt.
## Regierung wollte gleich 250 Vertreter schicken
Probleme bereitete vor allem die lange Teilnehmerliste der Regierung. Sie
wollte 250 Vertreter schicken. Die Taliban spotteten, die Gespräche seien
doch „keine afghanische Hochzeit“.
Die meisten Afghanen erhoffen sich von Verhandlungen ein Ende des Krieges.
Doch viele sind skeptisch. „Ich kann nicht glauben, dass das Machtspiel um
Afghanistan tatsächlich endet. So läuft Politik einfach nicht. Die
Menschen, die darunter leiden, sind wir – die einfachen Leute“, sagt Shams
ul-Haqq, ein Buchhändler in Kabul.
Er hat das Land in den Jahrzehnten voll Krieg und Zerstörung nicht
verlassen. Seine Regale sind voll neuer Buchtitel. Beliebt sind neben
Schul- und Universitätslehrbüchern weiter Adolf Hitlers „Mein Kampf“ und
Che Guevaras Biografie. „Diese Dauerbestseller sagen viel über das
politische Versagen hierzulande.“
Bisherige Gespräche mit den Taliban fanden in den letzten Monaten sowohl in
Katar als auch in Russland statt. Doch stets fehlten dabei Vertreter der
afghanischen Regierung von Präsident Ashraf Ghani. Das kritisieren viele
Afghanen.
„Diese Konstellation war von Anfang an problematisch. Frieden kann so nicht
zustande kommen,“ sagt der Kabuler Student Mohammad Iqbal und meint, dass
die afghanische Regierung von den USA unterminiert werde, da diese direkt
mit den Taliban verhandelten – ohne bisher auf eine Teilnahme afghanischer
Regierungsvertreter zu bestehen.
## Vorwürfe an die Regierung
Doch Kritiker glauben, Ghanis Regierung habe selbst gar kein Interesse an
Gesprächen. „Die Regierung weiß doch, dass die Teilnahme von so vielen
Vertretern unrealistisch ist. Sie will damit nur die Organisation der
Gespräche sabotieren, sodass sie bestenfalls nicht stattfinden“, meint der
Student Rahim Laghmani. Er hatte 2014 noch Wahlkampf für Ghani gemacht.
Afghanische Friedensaktivisten, die extra nach Doha reisten, waren
teilweise empört. „Die Regierung hat eine wichtige Gelegenheit verpasst.
Das ist sehr traurig. Ich habe immer mehr den Eindruck, dass sie gar keinen
Frieden will“, sagt der Aktivist Matin Safi.
Deutlich wurde auch der interne Regierungszwist. Zur Liste der
Regierungsdelegation sagte etwa Atta Mohammad Noor, der vor Kurzem von
Ghani amtsenthobene Gouverneur der Nordprovinz Balkh, die Teilnehmer
spiegelten nicht die politischen Realitäten wider. „Der Dschihad wird
ignoriert“, sagt Noor.
Damit meint er die geringe Teilnahme von Ex-Mudschaheddin-Kommandanten aus
dem Umfeld seiner Partei Jamiat-e Islami. „Die Regierung macht sich doch
lächerlich. Ihre Menschen kommen nicht einmal untereinander aus. Wie sollen
sie dann mit dem Feind – den Taliban – verhandeln?“, meint Buchhändler
ul-Haqq, während er seine Bücher zusammenräumt.
30 Apr 2019
## LINKS
[1] /Alltag-in-Afghanistan/!5586934
## AUTOREN
Emran Feroz
## TAGS
Schwerpunkt Afghanistan
Afghanistankrieg
Taliban
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