| # taz.de -- Große Ratsversammlung in Afghanistan: Ghani will jetzt beim Friede… | |
| > Afghanistans Präsident Ashraf Ghani ist marginalisiert. Nun versucht er | |
| > Zugang zu den Verhandlungen zwischen den USA und den Taliban zu bekommen. | |
| Bild: Suche nach Frieden: Delegierte der großen Ratsversammlung („Loja Dschi… | |
| „Wir wählen zunächst das Präsidium, dann erläutern wir die Tagesordnung.�… | |
| Diese Mitteilung von Cheforganisator Omar Daudsai zu Beginn der | |
| Konsultativen Friedens-Loja Dschirga zeigte schon, dass die afghanische | |
| Regierung nichts dem Zufall überlassen will bei dieser Großversammlung. | |
| 3.200 Abgesandte aus allen Provinzen und von Flüchtlingen in den | |
| Nachbarländern Pakistan und Iran treffen sich ab Montagmorgen für vier Tage | |
| in der Hauptstadt Kabul, um Grundlinien für Friedensverhandlungen mit den | |
| Taliban zu erarbeiten. Knapp 30 Prozent der Delegierten sind Frauen. Weil | |
| die Taliban große Teile des Landes kontrollieren, konnten die | |
| Delegiertenwahlen nur in den Provinzzentren stattfinden. | |
| Zunächst kamen die Regierung mit ihrer strengen Regie noch durch. Aber am | |
| Nachmittag nahm die Unzufriedenheit zu, als sie weitere Leitungsmitglieder | |
| der Versammlung ohne Wahl einsetzen wollte. Der Dschirga-Vorsitzende Abdu | |
| Rab Rasul Sayyaf, der schon ohne Wahl von Präsident Ashraf Ghani ernannt | |
| worden war, brach die Sitzung ab und musste für Dienstag eine Wahl | |
| versprechen. | |
| Ab Dienstag teilen sich die Delegierten in Arbeitsgruppen auf, um jeweils | |
| von der Regierung gestellte Fragen abzuarbeiten – etwa: „Was sollen die | |
| Regierung und die Taliban für den Frieden tun?“ „Wollen Sie, dass | |
| grundlegende Menschenrechte gewahrt bleiben?“ Am letzten Tag sollen die | |
| Ergebnisse zusammengefasst und veröffentlicht werden. | |
| Ghani, dessen Mitarbeiter im Februar bei einer vorbereitenden | |
| Frauenversammlung jegliche Debatte verhindert hatten, versicherte bei der | |
| Eröffnung, alle sollten offen sprechen, niemand werde zensiert. Deshalb | |
| dürften Medienvertreter auch nicht in die Arbeitsgruppen. Doch dann warfen | |
| Sicherheitskräfte einen Delegierten aus dem Saal, der Ghanis Rede | |
| unterbrach. | |
| Das Problem, und teilweise auch der Anlass der Loja Dschirga: Gespräche zur | |
| Beendigung des Krieges laufen bereits seit Oktober zwischen der | |
| US-Regierung und den Taliban im Golfstaat Katar, aber ohne Ghani. Vier | |
| Punkte stehen zur Debatte, darunter auch, wie die Regierung in Kabul | |
| einbezogen werden kann. | |
| Laut US-Chefunterhändler Zalmay Khalilzad sei „nichts vereinbart, solange | |
| nicht alles vereinbart ist“ und dass es kein Abkommen ohne Kabul geben | |
| werde. Die Taliban bezeichneten Ghanis Regierung gestern erneut als | |
| „Marionettenregime, das niemanden repräsentiert“. Die Dschirga sei eine | |
| „Show“. Daudsai bedankte sich bei ihnen trotzdem dafür, dass sie Delegierte | |
| nicht an der Anreise gehindert hätten. | |
| Einen bitteren Beigeschmack hat auch Ghanis Ernennung des früheren | |
| salafistischen Warlords Sayyaf zum Vorsitzenden der Dschirga. Ihm werden | |
| massive, nie gesühnte Kriegsverbrechen aus früheren Phasen des | |
| Afghanistankriegs vorgeworfen. Doch seine Rolle als früherer | |
| Mudschahedinführer soll Ghanis Regierung religiöses Gewicht verleihen. | |
| Sayyaf erklärte in seiner Rede, alle – auch „die Taliban – kämpften für | |
| „dieselbe Religion“. Menschenrechte erwähnte er nicht. | |
| Die Dschirga ist der Versuch Präsident Ghanis, seine Position zu stärken | |
| und sich als Repräsentant der gesamten afghanischen Nation und deren | |
| Friedenswünschen darzustellen. Und zu fordern, dass seine Regierung an den | |
| Katar-Gesprächen beteiligt wird. Allerdings spricht Ghani nicht einmal mehr | |
| für seine gesamte Regierung der Nationalen Einheit (NUG). | |
| Deren Mandat läuft im Mai aus; Wahlen sollen im September stattfinden. | |
| Ausgerechnet der zweite Mann in der NUG-Doppelspitze, Kabinettschef | |
| Abdullah, boykottiert die Dschirga. Sein „Team“ sei vorher nicht zu deren | |
| Ablauf konsultiert worden. Elf weitere Präsidentschaftskandidaten haben | |
| sich Abdullah angeschlossen und drohen sogar, eine Gegendschirga | |
| abzuhalten. | |
| Doch kommt Ghanis Dschirga spät. Eine gesellschaftliche Friedensdebatte | |
| hätte sofort nach seinem Amtsantritt im September 2014 Jahren stattfinden | |
| müssen, als er Friedensgespräche zu seinem politischen Schwerpunkt | |
| erklärte. | |
| 29 Apr 2019 | |
| ## AUTOREN | |
| Thomas Ruttig | |
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