# taz.de -- Die Wahrheit: Ein nationales Ticket für Cricket | |
> Niemand versteht die seltsame Sportart mit dem Bällchen und den Hölzchen | |
> – außer den Engländern und den paar Milliarden anderen | |
> Schlagballspielern. | |
Bild: Nicht nur bei britischen Royals beliebt: Cricket | |
Es dauerte Jahre, bis ich Cricket endlich begriffen hatte. Mein englischer | |
Schwager John Wolff hatte meine Fragen nach dem ulkigen Spiel stets | |
ignoriert. Eines Tages schaute er mich ungläubig an. Er habe bisher | |
angenommen, dass ich ihn auf den Arm nehmen wollte, sagte er: „Du weißt das | |
wirklich nicht? Cricket kennt doch jedes Kind.“ | |
Dann erklärte er mir, dass es sich mehr oder weniger um ein Duell zwischen | |
dem Werfer und dem Schlagmann handle. Bei Olympia 1900 in Paris sei Cricket | |
sogar olympische Sportart gewesen. Die Goldmedaille ging – | |
selbstverständlich – an Großbritannien, prahlte John. Aber Irland habe doch | |
2006, 2008 und 2013 den Cup des International Cricket Council gewonnen, | |
wandte ich ein. Das hatte ich irgendwo gelesen und mir gemerkt, weil ich | |
überrascht war, dass die Iren eine solch zutiefst englische Sportart | |
überhaupt spielten. „Ach was“, meinte John abfällig, „dieser Cup ist do… | |
bloß ein Trostpreis für Anfänger, die dadurch langsam an ein etwas höheres | |
Niveau herangeführt werden sollen.“ | |
Inzwischen ist John verstorben, und ich habe die Regeln wieder vergessen, | |
weil mich bei meinen London-Besuchen niemand mehr zwingt, Cricket-Spiele zu | |
gucken. Den Cricket-Test von Norman Tebbit würde ich ohnehin nicht | |
bestehen. Tebbit, ein früherer Verbündeter von Margret Thatcher, hatte sich | |
eine Schikane für Menschen aus den ehemaligen Kolonien ausgedacht. Wenn man | |
sie schon nach Großbritannien hereinlassen müsse, dürften sie solange nicht | |
als Briten anerkannt werden, bis sie das englische Cricketteam gegen das | |
Team ihres Herkunftslands unterstützten. Sollte ich jemals nach München | |
ziehen, würde ich trotzdem nie FC-Bayern-Fan. Auf meinem Schlüsselring | |
steht: „Ich bin Fan von zwei Teams: Irland und dem jeweiligen Gegner | |
Englands.“ | |
Tebbit ist gerade 88 geworden und hat vollends den Verstand verloren. Er | |
sitzt im Oberhaus und hielt dort eine Rede zum Gedenken an die | |
Abgeordneten, die von Terroristen getötet worden waren. Die | |
Labour-Abgeordnete Jo Cox, die 2016 von einem Rechtsextremen erstochen | |
wurde, erwähnte er jedoch nicht. Als er darauf angesprochen wurde, | |
erwiderte er, dass Cox keineswegs von einem rechten Terroristen ermordet | |
worden sei. „Der Täter war von der Nationalsozialistischen Deutschen | |
Arbeiterpartei besessen – einer linken Partei.“ | |
Tebbit ist für den Brexit, er war schon gegen die EU, bevor sie überhaupt | |
existierte. Großbritannien werde vom Austritt profitieren, sagte er | |
neulich. Man werde keinen Cognac aus Frankreich mehr importieren, sondern | |
Weinbrand aus Australien. Der sei billiger und besser. Das Gleiche gelte | |
für Wein. | |
Mit 70 darf man in Großbritannien nicht mehr Auto fahren, wenn man nicht | |
nachweisen kann, dass man noch alle Tassen im Schrank hat. Warum dürfen | |
Politiker wie Tebbit über die Zukunft mitbestimmen, wenn sie selber keine | |
haben? | |
15 Apr 2019 | |
## AUTOREN | |
Ralf Sotscheck | |
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