# taz.de -- Islamfeindliche Übergriffe in Deutschland: Ins Gesicht gespuckt | |
> Im Schnitt werden in Deutschland mehr als zwei islamfeindliche Straftaten | |
> pro Tag angezeigt. Besonders gefährdet sind Frauen. | |
Bild: Oft fühlen Täter sich durch das Kopftuch einer Muslima in ihrem Tun leg… | |
BERLIN taz | „Ich habe mir die Ärmel runtergezogen und mit beiden Händen | |
das Gesicht trocken gewischt“, sagt Hind B. Ihre Stimme klingt noch immer | |
ungläubig, als die Aachenerin erzählt, was ihr passiert ist: Sie und ihre | |
Verwandten wurden auf offener Straße rassistisch beschimpft – schließlich | |
spuckte die Angreiferin ihr mitten ins Gesicht. | |
Rassismus kenne sie schon seit ihrer Schulzeit, sagt die 45-Jährige. „Aber | |
so etwas ist mir in meinem ganzen Leben noch nicht passiert.“ | |
Ende März sei sie mit ihrer Schwester, einer Freundin und deren Tochter | |
schwimmen gewesen. Hinterher hätten sie sich noch auf der Straße | |
unterhalten. Da hätten ein Mann und eine Frau sie im Vorbeigehen als | |
„Dreckspack“ bezeichnet. | |
„Ich habe gefragt, was das soll“, sagt Hind B. Sie heißt eigentlich anders, | |
aus Sorge um ihre Familie will sie aber nicht, dass ihr Name genannt wird. | |
Die Frau habe sie weiter beschimpft und „gesagt, wir hätten uns unser Fett | |
nur auf ihre Kosten angefressen“, erzählt sie. Als die 18-jährige Tochter | |
der Freundin die Polizei gerufen habe, habe der Mann ihr das Telefon aus | |
der Hand geschlagen und ihr von hinten am Kopftuch gezogen. Sie selbst habe | |
das Paar aufgefordert, sich nicht zu entfernen, bis die Polizei eintreffe. | |
„Und dann hat diese Frau mir ins Gesicht gespuckt“, sagt B. „Ich hatte ih… | |
Spucke in meinem Mund“. Sie seien außerdem als „Asylanten“ bezeichnet | |
worden, die nun sicher von der Polizei „registriert“ würden. | |
Der Übergriff [1][ist kein Einzelfall]. Alleine aus Berlin berichteten | |
Lokalmedien in diesem Jahr unter anderem über eine schwangere Frau, der | |
wegen ihres Kopftuchs in den Bauch geboxt wurde, über zwei Teenagerinnen, | |
denen mehrfach mit der Faust ins Gesicht geschlagen wurde und über ein | |
12-jähriges Mädchen, dem erst das Kopftuch heruntergerissen und das dann | |
geschlagen wurde. Im April wurde eine Frau mit Kopftuch in einer U-Bahn von | |
einem mutmaßlichen Neonazi verbal beschimpft und getreten. | |
Dass in diesen Beispielen alle Opfer weiblich sind, ist kein Zufall: Frauen | |
würden deutlich häufiger Opfer tätlicher Übergriffe im Alltag, sagt Nina | |
Mühe, Projektleiterin von Claim, einem Projekt gegen Islamfeindlichkeit. | |
Dort hatte Hind B. den Vorfall gemeldet. „Bei Frauen traut man sich eher“, | |
sagt Mühe. Auch das Kopftuch religiöser Musliminnen spiele eine Rolle: „Das | |
ist politisch so sehr als problematisch geframed, dass Leute sich | |
legitimiert fühlen, dagegen vorzugehen.“ Auch Kinder seien schon immer von | |
Diskriminierung betroffen – „aber tätliche Angriffe wie die kürzlich in | |
Berlin, das ist schon besonders schlimm“, sagt Mühe. | |
Die Behörden zählten im Jahr 2018 insgesamt 813 Straftaten gegen | |
muslimische Menschen oder Moscheen, wie die Regierungsantwort auf eine | |
Anfrage der Linken-Abgeordneten Ulla Jelpke kürzlich zeigte. Das sind zwar | |
weniger als im Vorjahr, aber die Zahl der Verletzten ist deutlich gestiegen | |
– von 32 auf 54. Die endgültige Zahl wird durch Nachmeldungen wohl noch | |
höher liegen. Viele Fälle von Alltagsrassismus tauchen in der Statistik | |
zudem gar nicht auf, weil es sich entweder nicht um Straftaten handelt oder | |
die Betroffenen sie nicht anzeigen. | |
Auch Nina Mühe hat das Gefühl, dass körperliche Übergriffe heftiger werden. | |
Fälle wie den von Hind B. kennt sie viele: Betroffene, die rassistische | |
Situation im Alltag irgendwie erdulden – und sich erst bei einem heftigeren | |
Übergriff an Beratungsstellen oder Behörden wenden. | |
„Diese Enthemmung, das hat auch etwas mit den abwertenden Äußerungen über | |
den Islam auf politischer Ebene zu tun“, sagt Mühe. „Viele sehen sich | |
bestätigt darin, Muslime als verachtenswert anzusehen. Das Anspucken ist | |
ein Ausdruck dessen.“ Auch nach bestimmten Ereignissen erlebten Betroffene | |
mehr offene Islamfeindlichkeit – etwa nach den Wahlerfolgen der AfD in | |
Berlin. Ein anderes Beispiel sei der rassistisch motivierte Terroranschlag | |
im neuseeländischen Christchurch, sagt Mühe. Einerseits sei nach so einem | |
Vorfall die Sensibilisierung höher. „Andererseits fühlen sich manche | |
Menschen dadurch erst recht ermutigt, ihre Ressentiments auszuleben.“ | |
24 Apr 2019 | |
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[1] /Islamfeindliche-Straftaten-in-Berlin/!5579313 | |
## AUTOREN | |
Dinah Riese | |
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