# taz.de -- taz-Mitgründer verteidigt AfD: Als „der Ulli“ rechts abbog | |
> Vor 40 Jahren hat Ulrich Kulke die taz mitgegründet. Später arbeitete er | |
> für die Grünen. Heute nimmt er die AfD in Schutz. Wie ist das passiert? | |
Bild: „Wenn, dann nennen Sie mich Konvertit“: Ulrich Kulke in seinem Wohnzi… | |
BERLIN taz | Am 4. Januar 1989 erschien in der taz eine Satire. [1][„Wer | |
schützt uns vor den Umweltschützern?“], stand drüber. Der Autor schlüpfte | |
dafür in die Rolle von Naturschutzgegnern und machte sich über sie lustig. | |
30 Jahre später hat der Text eine neue Pointe bekommen. Der damalige | |
Verfasser ist inzwischen tatsächlich der Meinung: Wer schützt uns vor den | |
Umweltschützern? | |
Sein Name ist Ulrich Kulke. Er ist mittlerweile 66, schreibt Bücher über | |
die großen Entdecker oder den Wettlauf zum Mond und kommentiert noch immer | |
gern das politische Geschehen. Hinter ihm liegt eine Laufbahn, die ihn zum | |
Musterfall eines Phänomens macht, das schon so manchen Politiker, Künstler | |
und Journalisten ereilt hat: den Gesinnungswandel mit zunehmendem Alter, | |
fast immer von links nach rechts. „Wer mit 20 kein Sozialist ist, hat kein | |
Herz. Wer mit 40 noch Sozialist ist, hat keinen Verstand“, dieser | |
Aphorismus wurde verschiedensten historischen Personen zugeschrieben. Vom | |
jungen Revolutionär zum alten Reaktionär, das ist ein biografischer | |
Klassiker. Die ideologischen Konfrontationen des 20. Jahrhunderts haben | |
viele wendungsreiche Werdegänge nach sich gezogen. Kulke ist politisch | |
einen besonders langen Weg gegangen. | |
Sein beruflicher Weg begann 1978. Damals gehörte der aus Benthe, | |
Niedersachsen, stammende Volkswirt zu den Mitgründern der taz. Ab 17. April | |
1979 erschien die Zeitung regelmäßig, im September wurde Kulke Redakteur. | |
1984 wechselte er als Mitarbeiter zur ersten Grünen-Bundestagsfraktion. | |
1985 kehrte er zur taz zurück. Nach Stationen in den Neunzigern bei der | |
Ökologie-Zeitschrift Natur, der einstigen DDR-Zeitung Wochenpost und der | |
Meeres-Zeitschrift Mare landete er 2001 für 15 Jahre bei der Tageszeitung | |
Welt des Axel-Springer-Verlags – wie einige Ex-taz-Redakteure. Kulke ging | |
noch einen Schritt weiter: Heute schreibt er Kommentare für das | |
Onlineportal Die Achse des Guten. | |
Das unter anderen von dem Publizisten Henryk M. Broder herausgegebene Blog | |
spricht laut einer Selbstbeschreibung Leser an, die „Denkverbote“ ablehnen, | |
und „schert sich nicht um Political Correctness“. Die Verfasser arbeiten | |
sich vor allem an der Zuwanderungspolitik, dem Einfluss des Islam und dem | |
Umwelt- und Klimaschutz ab. Sie nennen Angela Merkel „die Hohlraumfigur im | |
Kanzleramt“, sehen Ähnlichkeiten zwischen der „kollektivistischen Dogmatik… | |
der Grünen und „dem Gleichschaltungswahn der Nationalsozialisten“ und | |
werfen dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk Propaganda vor. Als einer der | |
Herausgeber 2015 ausstieg, begründete er das so: „Die Autoren mit dem | |
großen Verständnis für AfD, Pegida und Co. sind eindeutig in der Überzahl�… | |
Wer bei der Google-Suche „Ulli Kulke“ eingibt, bekommt als ersten Zusatz | |
aktuell meist ebenfalls vorgeschlagen: AfD. Seit Jahren nimmt Kulke die | |
Partei für das Blog vorwiegend gegen die seiner Meinung nach übertriebene | |
Kritik in Schutz. Kulkes Wandel geht weiter als der der meisten anderen | |
einstigen Linksradikalen, die es später in Verlage, Ministerien, Schulen, | |
Kanzleien und Konzerne verschlug. Der Ex-Grünen-Mitarbeiter und | |
taz-Mitgründer ist zum Verteidiger der AfD geworden. | |
Er findet den Umgang mit ihr „hysterisch“, nannte ihr Wahlprogramm 2017 | |
„akzeptabel“, spricht sich allerdings gegen NS-Relativierungen und | |
rassistische Äußerungen in der Partei aus. Die Aussage von Innenminister | |
Horst Seehofer, „die Migrationsfrage ist die Mutter aller politischen | |
Probleme im Land“, würde er dagegen „voll unterschreiben“. Den „Linksr… | |
der CDU unter Merkel hält er für verheerend. Aus seiner Sicht rollt eine | |
„Walze der linken Deutungshoheit“ über das Land, die „Wahrheiten | |
plattmacht“, und er versucht, sie zu bremsen. Wie ist das passiert? | |
In seinen Kommentaren plädiert er dafür, in diesen Zeiten politischer | |
Polarisierung wieder miteinander zu reden – und praktiziert das. Eine | |
Anfrage für ein Gespräch über seinen langen Marsch sagt er sofort zu. Der | |
tazler der ersten Stunde, der nun die AfD in Schutz nimmt, empfängt den | |
heutigen taz-Redakteur in seinem Reihenhaus am stillgelegten Berliner | |
Flughafen Tempelhof. | |
Mao und Sarrazin | |
Unter Geheul seines Terriers führt Kulke, kurze graue Haare und Karohemd, | |
in sein Wohnzimmer mit einer großen Bücherwand. Eine Biografie über Chinas | |
langjährigen KP-Chef Mao Zedong steht in einer Reihe mit einem Buch von | |
Thilo Sarrazin, der ebenfalls für die Achse des Guten schreibt. Mao bis | |
Sarrazin, das ist die Spannbreite der politischen Milieus, die er in seinem | |
Leben durchlaufen hat – auch wenn er nie in einer der vielen maoistischen | |
K-Gruppen war, sondern nur einer seiner Studienfreunde. | |
Kulke sitzt im Korbsessel und beginnt, sich in diesen anderen und doch | |
selben Typen hineinzudenken, der er vor 40 Jahren war. „Wenn man mir damals | |
erzählt hätte, dass ich beim Springer-Konzern ende, hätte ich entweder | |
gelacht oder wäre böse geworden – je nach Stimmung. Das hätte ich nicht f�… | |
möglich gehalten.“ Dem „Wer mit 20 kein Sozialist ist“-Sinnspruch kann er | |
etwas abgewinnen. „Es ist kein Zufall und geht ja vielen so.“ | |
Tatsächlich hat die westdeutsche Nachkriegsgeschichte viele Publizisten wie | |
etwa den Spiegel-Kolumnisten Jan Fleischhauer, den Historiker Götz Aly und | |
den Ex-Spiegel-Redakteur Reinhard Mohr hervorgebracht, deren heutiges | |
Wirken ein Zweizeiler des Lyrikers F. W. Bernstein umschreibt: „Die | |
schärfsten Kritiker der Elche waren früher selber welche“. Der jahrelange | |
Grünen-Wähler Fleischhauer veröffentlichte die konservative Streitschrift | |
„Unter Linken“. 68er Aly sah in „Unser Kampf“ Parallelen zwischen | |
Studentenbewegung und der NS-Generation. Ex-Sponti Mohr verfasste einen | |
FAZ-Essay „Linke Heuchler“. Kulke, Fleischhauer, Aly und Mohr sind das | |
Gegenmodell zum Grünen Hans-Christian Ströbele, ebenfalls taz-Mitgründer, | |
der auch mit fast 80 Jahren noch für Hausbesetzer und Hanf-Freigabe kämpft. | |
Dass ergraute Ex-Linke heute am leidenschaftlichsten gegen ihre einstigen | |
Ziele streiten, führt Kulke auch auf einen „Willen zur Opposition“ zurück. | |
Während der Studentenbewegung „war man links, wenn man sich quer stellen | |
wollte“, sagt er. Nun sei es aufgrund der Nachwirkung der 68er umgekehrt: | |
„Wenn die Grünen heute die von Journalisten am häufigsten gewählte Partei | |
sind, sagt das auch etwas darüber aus, wie der öffentliche Raum beackert | |
wird. Das ist mit Sicherheit auch ein Grund bei Personen wie Fleischhauer | |
und Mohr, bei mir auf jeden Fall, zu sagen: Leute, das geht zu weit.“ | |
Ein erstes Anzeichen gibt es während seines Studiums in Berlin. Kulke hatte | |
sich für Volkswirtschaft eingeschrieben, um „als Linker die Welt zu | |
verändern“ und sich für Entwicklungsländer einzusetzen. Als er mal einen | |
marktwirtschaftlich statt marxistisch ausgerichteten Professor gut findet, | |
flachst ein Freund: „Du Renegat!“ Das Wort wurde einst für Abtrünnige ein… | |
Religion benutzt, später für alle, die sich von einer Überzeugung abwenden | |
und eine gegenteilige einnehmen. Konvertit, Überläufer, Abgedriftete oder | |
gar Verräter – für Seitenwechsler wurden viele Begriffe verwendet. „Wenn, | |
dann nennen Sie mich Konvertit“, sagt Kulke heute. | |
1978 geht sein Studium zu Ende. Wie es sich in der Szene gehört, ist er | |
Taxifahrer. Er liebt den Job, träumt aber vom Journalismus. Der | |
Studienfreund, der ihn „Renegat“ genannt hatte, sitzt in einer der | |
Arbeitsgruppen zur Gründung einer alternativen Tageszeitung und sagt: „Komm | |
doch mal!“ Nullnummern werden produziert, bald erscheint die taz täglich. | |
Kulke wird Redakteur der Seite „Betrieb und Gewerkschaft“. Die „ganzen | |
Metadiskussionen“ setzen ihm zu. Die Kollegen besprechen die Theorien der | |
Philosophen Theodor W. Adorno und Max Horkheimer so ausgiebig, dass er | |
anfängt, Supermarkt-Angestellte zu beneiden. Er bewirbt sich weg. | |
Ein Schlüsselmoment | |
Schon als Kind hatte ihn der Bundestags-Gong fasziniert. Nun sind die 1980 | |
gegründeten Grünen sein Orientierungspunkt. Begeistert hatte er 1983 ihren | |
Einzug ins Parlament in Bonn verfolgt. 1984 wird er dort ihr | |
Fraktionsmitarbeiter für Entwicklungspolitik. Er schreibt | |
Abgeordneten-Reden und ist Fan von Joschka Fischer, der damals | |
Fraktionsgeschäftsführer ist. Otto Schily und Petra Kelly sind | |
Fraktionssprecher. „Das war hochinteressant, was da für Figuren waren.“ | |
Die Diskussionen nennt er „Schlachten“. Die Nachrüstungsdebatte tobt. Die | |
Nato stationiert als Reaktion auf modernisierte Sowjet-Nuklearraketen | |
US-Atomgeschosse in Mutlangen. Die Friedensbewegung blockiert Zufahrten, | |
eine der Parolen ist „Petting statt Pershing“. Protest gegen US-Präsident | |
Ronald Reagan in Berlin hatte zu Straßenkämpfen geführt. Das Gewaltmonopol | |
des Staates ist eine der Kontroversen der Grünen. Der fundamentalistische | |
Flügel stellt es in Frage. Kulke schwankt noch in seinen Positionen. Als | |
der Mitarbeiter eines Fundi-Grünen das staatliche Gewaltmonopol als | |
„Zivilisationssprung“ bezeichnet, denkt Kulke: „Toll, der traut sich | |
etwas!“ Er sieht es im Rückblick als einen Schlüsselmoment seiner Wandlung. | |
Auf die Dauer fehlt ihm das Schreiben, das Netzwerken im Politikbetrieb | |
liegt ihm nicht – er kehrt zurück zur taz. Klaus Hillenbrand, heute dort | |
Ressortleiter, hat Kulke damals erlebt und beschreibt ihn als „eloquent, | |
weit gereist und linksradikal“. „Der Ulli“ sei mit seinem Wunsch nach ein… | |
richtigen Wirtschaftsredaktion „allen so lange auf die Nerven gegangen“, | |
bis er sie gründen durfte. Kulke widmet sich Geldpolitik, | |
Staatsverschuldung und interviewt Deutsche-Bank-Chef Alfred Herrhausen. | |
Sein grünes Weltbild wankt immer mehr. Dass die Weltbank, deren | |
Ökostandards er schätzt, für die Umweltbewegung ein Feindbild ist, versteht | |
er nicht mehr. „Ich habe nach und nach gemerkt, dass viele Parolen völliger | |
Quatsch sind.“ Er habe sich noch links gefühlt, doch als | |
Wirtschaftsredakteur kollidieren Überzeugung und Realität immer häufiger. | |
Oft fragt er sich im Stillen: „Wie wirkt das auf andere? Kann ich mir das | |
erlauben?“ Er wird mutiger, und denkt dabei längst konservativer, als er | |
redet. „Es gab einen Verzögerungseffekt.“ | |
Sein Wandel beschleunigt sich, als er zum Magazin Natur geht. Wie sehr | |
Chefredakteur Dirk Maxeiner den Kurs des Umweltschutz-Leitblattes ändert, | |
ist Kulke beim Wechsel noch nicht klar. Maxeiner wirft den Naturschützern | |
Übertreibung vor. „Es kam ihm darauf an zu zeigen, was die Umweltbewegung | |
schon erreicht hat, und nicht so zu tun, als ob die Welt morgen untergeht“, | |
sagt Kulke. Ihm kommt das zupass. | |
Ein Natur-Kollege ist Ex-taz-Gefährte Michael Miersch. Miersch und Maxeiner | |
schreiben zusammen Bücher wie das „Lexikon der Öko-Irrtümer“, sie werden | |
eine publizistische Gegenströmung zur Umweltbewegung. Als das | |
Umweltbundesamt sie „Klimawandelskeptiker“ nennt, klagen sie dagegen – und | |
verlieren. Heute, und da schließt sich der Kreis, ist Maxeiner | |
Achse-des-Guten-Geschäftsführer. Miersch war jener Mitherausgeber, der | |
ausstieg. | |
Von Grass „zur Sau gemacht“ | |
Kulke knüpft einen weiteren wichtigen Kontakt: Bei der Wochenpost wird | |
Mathias Döpfner sein Chef. Die Kollegen hätten über ihn als „Jungspund, der | |
durchfegen will“ gelästert. Kulke kommt gut mit ihm aus und wird bei der | |
Abschiedsfeier des Vorgängers dafür vom Schriftsteller Günter Grass | |
„richtig zur Sau gemacht“. 1998 wird Döpfner Chefredakteur der | |
Springer-Zeitung Welt und will sie öffnen. Er holt taz-Redakteure, den | |
Ex-Titanic-Chefredakteur Hans Zippert als Kolumnisten und Thomas Schmid, | |
einst mit Joschka Fischer und Daniel Cohn-Bendit in der Gruppe | |
„Revolutionärer Kampf“ vereint. Bald sitzt auch Kulke mit den Ex-Genossen | |
im Axel-Springer-Turm mit Blick auf das damalige taz-Haus schräg gegenüber. | |
„Das war der Punkt, an dem ich dachte: Menschenskinder!“ Er kauft sich | |
einen Anzug, fühlt sich wohl und eckt politisch nicht an – bis an einem | |
Abend 2013. | |
Die griechische Schuldenkrise ist gerade wieder großes Thema. Ein Dutzend | |
Mitarbeiter sitzt bei einer Weinrunde oben in der Springer-Zentrale. Es | |
geht um die Finanzhilfen für Athen. Kulke hält sie für illegal und merkt, | |
dass die AfD-Kritik an den Rettungspaketen „außerhalb des bürgerlichen | |
Kanons“ liegt. Er habe sich wie zu taz-Zeiten gefühlt und gedacht: „Es ist | |
fast ein Tabu.“ | |
Die AfD wird von der Anti-Euro- zur Anti-Geflüchteten-Partei, Kulke nach | |
den Übergriffen Silvester 2015 in Köln mit dem CDU-Migrationskurs und dem | |
Umgang mit der AfD immer unzufriedener. Seine Version geht so: Von Anfang | |
an hätten die Medien die Partei unverhältnismäßig angegriffen und als | |
populistisch eingeordnet. Dadurch seien Gemäßigte wie Ex-BDI-Präsident | |
Hans-Olaf Henkel herausgedrängt worden. | |
Seitdem sich die AfD weiter radikalisiert und geschichtsrevisionistische | |
Äußerungen in der Partei zugenommen haben, ist Kulkes Verhältnis zu ihr | |
komplizierter. Einerseits nimmt er sie weiter gegen seiner Meinung nach | |
„überzogene und haltlose“ Kritik in Schutz – „auch weil sie die Leute | |
scharenweise zu ihr treibt“. Dass Parteichef Alexander Gauland für seinen | |
Satz „Wir werden die Regierung jagen“ hart angegangen wurde, hält er etwa | |
für eine „hysterische Reaktion“ von Bild bis Süddeutsche. Jemanden jagen … | |
wollen, das hätten in den vergangenen Jahren viele Politiker gesagt. | |
Andererseits lehnt Kulke Gaulands Satz, die Nazis seien „nur ein | |
Vogelschiss“ in über 1.000 Jahren deutscher Geschichte, ab und fordert | |
„mehr Härte gegen die Faschisten“ in der AfD. Das Parteipersonal findet er | |
„himmelschreiend“. Er spricht von einer „taktischen Seite meiner | |
Argumentation“ – aus Angst, „dass der Graben immer tiefer wird und sich | |
viele nicht mehr aufgehoben fühlen“. | |
Er sagt aber auch: „Meine Distanz zu denen ist geringer geworden“. Er wolle | |
sich „jetzt auch gar nicht nur verstecken und keineswegs behaupten, dass | |
alle Artikel, die ich je über die AfD geschrieben habe, nur den einzigen | |
Entstehungszweck haben, dass die Partei nicht größer wird. Das auch, aber | |
ich will das Spektrum auch vertreten wissen.“ Sein Wunsch: Die AfD solle | |
sich unter neuer Führung zur koalitionsfähigen Partei wandeln oder eine | |
bundesweite CSU „die Position des Konservativen“ aufnehmen. | |
Seit über 40 Jahren stürzt er sich in diese Gefechte. Er ist im | |
Rentenalter, verheiratet, hat zwei Töchter. Er könnte sich längst ganz | |
Familie, Büchern, Fahrrad und Hund widmen, statt Kommentare zu schreiben, | |
für die er Morddrohungen erhält. Mit einigen Freunden lache er über ihre | |
gegensätzlichen Positionen. Einer, mit dem er sich oft über die AfD zoffte, | |
melde sich allerdings nicht mehr. Doch das Thema treibt ihn um. Immer | |
wieder erwähnt er seinen „Gerechtigkeitsfimmel“. Den habe ihm mal ein | |
Lehrer bescheinigt, als er den Wehrdienst verweigern wollte. Nun melde sich | |
sein Gerechtigkeitssinn, wenn die AfD aus seiner Sicht unfair behandelt | |
werde. | |
Bei solchen Sätzen bekommen die meisten seiner taz-Mitgründer große Augen. | |
Im September 2018 kamen die Ehemaligen 40 Jahre nach der ersten Nullnummer | |
für eine Jubiläumsausgabe zusammen. Kulke hatte mit einem, der sich ähnlich | |
gewandelt hat, ein Essay angeboten. Die These: Linksliberale hätten mit | |
vielen Irrtümern über vier Jahrzehnte den Diskurs im Land bestimmt. Wegen | |
fehlender Akzeptanz für Merkels Migrationspolitik sei dies vorbei. Kritiker | |
würden pauschal zu „Rassisten, Faschisten oder Unmenschen“ erklärt. | |
[2][Kulkes Gründerkollegen lehnten den Text fürs Blatt als zu „AfD-nah“ | |
ab.] Zur Einweihungsparty des neuen taz-Hauses ging er drei Wochen später | |
dennoch. Eine Ex-Kollegin umarmte ihn – „trotz allem“, wie sie ihm sagte. | |
Kulke wiederum ist stolz darauf, dass er dabei war, als die taz gegründet | |
wurde, weil sie „im Spektrum fehlte“. Bei Themen wie der Nachrüstung und | |
der RAF-Kampagne gegen „Isolationsfolter“ seien sie zwar blauäugig gewesen. | |
Eine der damaligen Positionen hat er jedoch beibehalten: Kritik am | |
Autoverkehr. | |
In seiner Siedlung hat er eine Anwohnerinitiative gegen Durchgangsverkehr | |
gegründet. Im Sommer legten sie mit einem Picknick auf der Straße den | |
Verkehr lahm. Kulke feuerte die Nachbarn auf ihren Decken mit einem Megafon | |
an. Er sagt, er habe sich gefühlt wie früher. | |
16 Apr 2019 | |
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Timo Hoffmann | |
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