| # taz.de -- Die Wahrheit: Brust raus, Schnaps rein! | |
| > In Berlin gibt es einen lustigen neuen Sport namens Ringbahnsaufen. Daran | |
| > sollte man selbstverständlich nur gut gestylt teilnehmen. | |
| Eigentlich fahre ich ja seit Jahrzehnten hervorragend mit dem Lebensmotto | |
| „In style from desk to drinks“. Eine neue ungewohnte Konnotation dieses | |
| Sinnspruchs lernte ich jedoch jüngst kennen, als ein Kleidershop im | |
| Internet mir ungefragt die Auswahl „Dresses you can breastfeed in“ | |
| präsentierte: Allesamt sehr hübsche, glänzende V-Ausschnitt- oder | |
| Wickel-Fummel. Vielleicht sollte man das Motto je nach Lebenssituation | |
| erweitern, in „In style from desk to breastfeeding“, oder man versteht die | |
| „Drinks“ einfach etwas doppeldeutiger. Beziehungsweise doppel-d-deutiger. | |
| Apropos: In meinem Umfeld wird demnächst endlich mal wieder geworfen, und | |
| ich habe schon voller Vorfreude ein Geschenk gekauft, einen kleinen | |
| Strampler mit der Aufschrift: „Party at my room! 2 am! Bring a bottle!“ Und | |
| da soll noch einer oder eine sagen, Kinder haben sei nicht lustig. | |
| Ebenfalls lustig, und im weitesten Sinne im Thema, ist für mich das | |
| sogenannte Ringbahnsaufen, mit dem mich neulich ein sehr geschätzter | |
| Kollege bekannt machte. Man kann diesen alten Brauch in Berlin gut pflegen, | |
| denn dort gibt es eine 37 Kilometer lange geschlossene S-Bahnstrecke, die | |
| sich wie ein Ring in Form des Kopfes eines Hovawart-Hundes oder eines | |
| Australian Shepherds, wie man ihn von den „Fünf Freunden“ kennt, um die | |
| Innenstadt legt. | |
| Beim Ringbahnsaufen steigt man an jeder Station kurz aus, um im Bahnhof | |
| oder im Bahnhofsumkreis von einem Kilometer einen Schnaps zu trinken. Falls | |
| das mit dem Breastfeeding aktuell ist, geht natürlich genauso gut ein | |
| alkoholfreies Getränk. Man sieht dabei garantiert eine Menge von seiner | |
| Stadt, was man sich nie erträumt hätte, schon gar nicht in diesem Zustand – | |
| und kann dennoch nicht vom Weg abkommen. | |
| Die Berliner Ringbahn hat 27 Stationen, auch habituierteren Genussmenschen | |
| ist also eine gesunde Mischung aus Schnäpsen und Apfelsaftschorlen zu | |
| empfehlen. Vor Kurzem haben zwei Fotografen das Ringbahnthema gar für einen | |
| neuen Fotoband mit 27 Ringbahnstationsfotos genutzt, allerdings bevorzuge | |
| ich, wie so oft in meinem Leben, die Schnapsidee. | |
| Auch das Ringbahnsaufen, getreu meines Lebensmottos, würde ich selbstredend | |
| „in Style“ absolvieren – und hoffen, dass nicht gar so viele Menschen | |
| gleichzeitig mitwollen, sonst steigt die Ansteckungsgefahr durch Bakterien, | |
| und diese weißen oder arztgrünen Mundschutzmasken, wie sie in Japan üblich | |
| sind, passen zu den wenigsten Klamotten. | |
| Zudem kann ein bisschen Niesen doch wohl nicht schaden, neuerdings | |
| bezeichnen Forscher das Niesen sogar als teilweise orgiastisch – ein | |
| Neurologe aus Chicago nennt es „nasalen Orgasmus“. Mir macht es jedenfalls | |
| Spaß. So musste ich als Frühlingsallergikerin auch gestern in der S-Bahn | |
| mehrmals laut niesen, worauf mir ein älterer Sitznachbar freundlich | |
| „Gesundbrunnen!“ wünschte. Dabei waren wir noch ganze drei | |
| Ringbahnstationen vom Bahnhof Gesundbrunnen entfernt. | |
| 5 Apr 2019 | |
| ## AUTOREN | |
| Jenni Zylka | |
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