| # taz.de -- Die Wahrheit: Steiler Weisheitszahn | |
| > Keine Frau braucht Altherren-Anmache. Aber manch kessen Spruch vermisst | |
| > frau fast schon, wenn sie über „tolle Fahrgestelle“ nachdenkt. | |
| Bild: In Doktor Holstens Praxis fühlt sich jeder Zahn pudelwohl | |
| Nicht, dass mir die unter anderem durch die #MeToo-Debatte thematisierten | |
| schleimigen und übergriffigen Altherren-Anmachen tatsächlich fehlen. | |
| Dennoch könnte ich mir vorstellen, auf den bewundernden Ausruf „Tolles | |
| Fahrgestell!“ mit einem schmalen Lächeln zu reagieren – vor allem, wenn ich | |
| in meinem Auto sitze, dann würde ich den Spruch jovial-kennerisch abnicken. | |
| Ähnlich verhält es sich mit „Sie sind aber eine dufte Biene“, wobei ich m… | |
| der potenziellen Diminutivierung durch die Begriffswahl der als klein und | |
| emsig geltenden „Biene“ für eine ausgewachsene, ja sogar rapide alternde | |
| Frau wie mich durchaus bewusst bin. Nicht zu vergessen der etwaig | |
| ungewollten Aufmerksamkeit. Dennoch: Wenn jemand mich „dufte Biene“ nennen | |
| möchte, dann darf er oder sie es. Ich würde eventuell sogar mit dem oder | |
| der Betreffenden hernach eine „kesse Sohle aufs Parkett legen“. Auch wenn | |
| ich mir nicht ganz sicher bin, wie das geht, mit der Sohle. | |
| Aber diese Empfindungen sind subjektiv. Trotz dieses Geständnisses gilt | |
| also: Richtig ist es, Dinge wie „Tolles Fahrgestell!“ nur zu denken. Ich | |
| selbst denke das andauernd. Über Autos wie über Menschen, ich bin ja auch | |
| nur eine Frau oder „ein steiler Zahn“, hüstel. | |
| Apropos: Dass mir gerade nicht viel mehr ähnliche Begriffe einfallen, muss | |
| an der Entfernung eines meiner vier Weisheitszähne liegen, den ein junger | |
| Oralchirurg vorige Woche sanft heraushebelte wie den Korken eines teuren | |
| Champagners. Das Problem waren nicht die Schmerzen oder ist nicht die dicke | |
| Backe, mit der ich immer noch etwas zu kämpfen habe. Das Problem ist die | |
| fehlende Weisheit, die macht mir schon ziemlich stark zu schaffen. | |
| Weisheitszähne heißen ja nicht umsonst so, und wie soll ich bei einem eh | |
| nicht exorbitant angelegten Weisheitskontingent einen Verlust von 25 | |
| Prozent verkraften? Wie soll ich nach der Zahn-OP je noch mein Fernziel, | |
| den Status der Universalgelehrten, erreichen? | |
| Als ich dem jungen Chirurgen diese Frage stelle, zuckte er nur mit den | |
| Schultern, und behauptete, ihm sei kein Fall von abnehmender Intelligenz | |
| nach Zahnentfernungen bekannt – aber wie will er das denn beurteilen, er | |
| macht ja nach erfolgtem Eingriff keine IQ-Tests mit den Patienten, sondern | |
| fordert höchstens Profanes wie „Mund öffnen, bitte!“, um die Fäden ziehen | |
| zu können. Das kann ja jeder, sogar Nilpferde. Hätte er mir direkt nach dem | |
| „Plopppp“ einen Mathematiktest, Sechste-Klasse-Niveau, zugeschoben – ich | |
| hätte nicht bestanden. Nicht mal dritte Klasse. Wie multipliziert man | |
| nochmal Brüche? Und was war nochmal Plutimikation? | |
| Der Arzt wollte meinen Zahn übrigens nicht behalten, um ihn – mit den | |
| Beißern der vielen anderen Leidenden, die tagtäglich in seiner Praxis | |
| anfallen – an eine Kette für sein Löwenjäger-Kostüm zu hängen, wie ich es | |
| ihm vorschlug. „Viel zu kariös“, winkte er ab. Vermutlich war er ihm jedoch | |
| einfach nicht steil genug. | |
| 1 Feb 2019 | |
| ## AUTOREN | |
| Jenni Zylka | |
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