# taz.de -- Wissenschaftlerin über Frauenmedien: „Netzwerke sind unheimlich … | |
> Die rbb-Sendung „Zeitpunkte“ wird 40. Kommunikationswissenschaftlerin | |
> Elisabeth Klaus spricht darüber, ob es heute noch Frauenmedien braucht. | |
Bild: Die Redaktion von „Zeitpunkte“ des rbb vor 40 Jahren | |
taz: Frau Klaus, die rbb-Radiosendung „Zeitpunkte“ feiert ihren 40. | |
Geburtstag, wurde also 1979 [1][zur Zeit der Frauenbewegungen gegründet]. | |
Welche Bedeutung haben Frauenmedien damals gehabt? | |
Elisabeth Klaus: Frauenmedien waren von sehr großer Bedeutung. Die | |
Kommunikationswissenschaftlerin Gitti Geiger hat sie als | |
„Kristallisationspunkte“ für feministische Öffentlichkeiten bezeichnet. D… | |
gilt für die historische Frauenbewegung um 1900, für die der 1970er und | |
heute angesichts der allumfassenden Mediatisierung umso mehr. Medien | |
ermöglichten es, Bewegungsöffentlichkeiten zu gestalten und sich über die | |
eigenen Positionen und Forderungen zu verständigen. Insofern sind und waren | |
Frauenmedien ein Selbstverständigungsorgan und ermöglichten zugleich, über | |
den Kreis an Aktivistinnen hinaus zu agieren. Es war nie einfach, | |
feministisch zu agieren und politisch aktiv zu werden, deshalb waren | |
Frauenbewegungsmedien auch wichtig, um die Einzelnen zu ermutigen. | |
Wie haben sich redaktionelle Strukturen und die Möglichkeiten für weibliche | |
Journalistinnen seitdem geändert? | |
Zur gleichen Zeit als die „Zeitpunkte“ gegründet wurden, begann auch die | |
Journalistinnen-Forschung. Irene Neverla und Gerda Kanzleiter stellten | |
[2][in einer ersten umfassenden Studie] fest, dass eine horizontale und | |
vertikale Segmentation im Journalismus besteht. Horizontal bedeutet, dass | |
es Medien und Ressorts gibt, in denen viele Frauen arbeiten und solche, in | |
denen sie kaum vertreten sind. Die damaligen Männerdomänen waren Politik, | |
Wirtschaft und Sport. Heute gilt das nach wie vor für den Sport, obwohl | |
sich auch hier Veränderungen andeuten. In den anderen Ressorts ist der | |
Anteil von Frauen seit Ende der 1970er Jahre deutlich gestiegen. Die | |
vertikale Segmentation besagt, dass es eine Geschlechterhierarchie gibt. | |
Wenn man unten die Volontär_innen und „freien“ Journalist_innen platziert | |
und oben die Chefredaktion dann wird der Männeranteil nach oben hin immer | |
größer und dasselbe gilt für Einkommen und Prestige. Obwohl | |
Journalist_innen besser ausgebildet sind, etwa einen Doktortitel haben, | |
befinden sie sich häufiger auf den unteren Rängen der Medienhierarchie. | |
Inzwischen hat sich viel verändert. Trotzdem kamen die vor ca. 10 Jahren | |
durchgeführten repräsentativen Journalist_innenstudien zu dem Schluss, dass | |
Journalistinnen pro Monat etwa 500€ weniger verdienen als ihre Kollegen, | |
wobei berücksichtigt wurde, dass mehr Frauen in Teilzeit arbeiten. | |
Wie schätzen Sie den Eingang feministischer Themen heute auf die allgemeine | |
medienpolitische Agenda ein? | |
Meines Erachtens gibt es hier eine Diskrepanz zwischen den | |
wissenschaftlichen Studien, die immer wieder zeigen, was für eine marginale | |
Rolle geschlechterpolitische Themen in den Mainstreammedien spielen, und | |
der öffentlichen Wahrnehmung. Es stimmt, dass etwa zu #MeToo sehr viel | |
berichtet wurde oder in den letzten Wochen einiges über das Frauenwahlrecht | |
zu lesen, hören und sehen war. Vielleicht ist eine Ursache dieser | |
Wahrnehmungsdiskrepanz, welche Medien wahrgenommen werden, denn die taz und | |
der Standard greifen sicher eher geschlechterpolitische Themen auf als die | |
Bild-Zeitung oder die Kronen-Zeitung. Angesichts dessen, dass fast alle | |
Themen auch eine geschlechterpolitische Dimension haben – sei es der | |
Pflegenotstand oder die Kriegsberichterstattung –, kommen meines Erachtens | |
deutlich zu wenig Feminst_innen zu Wort. Wenn Mainstreammedien | |
feministische Themen aufgreifen, ist das zudem meist ambivalent, weil deren | |
Komplexität oftmals verloren geht. | |
Sind Frauenmedien also immer noch wichtig? | |
Offensichtlich ja, solange Frauen und Mädchen das Bedürfnis haben, eigene | |
Zeitschriften wie wir Frauen oder das Missy Magazin herauszugeben, eigene | |
Blogs wie mädchenmannschaft.de zu schaffen oder Zines zu produzieren. | |
Unsere Untersuchungen zeigen auch, dass es in klassischen Medien | |
geschlechterpolitische Seiten braucht. Sind das „Ghettos“? Müssten | |
feministische Themen nicht gleichberechtigt in allen Ressorts | |
berücksichtigt werden? Das wäre ein Ziel, was aber meines Erachtens derzeit | |
nicht zu erreichen ist. Journalismus ist zu einem gewissen Grad ein Spiegel | |
der Machtverhältnisse unserer Gesellschaft, in der Frauen eben nicht | |
gleichberechtigt und gleichwertig sind. [3][Eine Studie] von Brigitta | |
Huhnke hat gezeigt, dass die in der taz veröffentlichte Zahl der Artikel zu | |
Emanzipationsfragen um mehr als 40 Prozent sank, nachdem sie die | |
Frauenseite 1990 abgeschafft hatten. Die Kürzung der Sendeplätze oder die | |
Verschiebung auf einen unattraktiveren Sendeplatz, wie es bei einer Reihe | |
von [4][Sendungen wie „Zeitpunkte“] im Laufe der Jahre geschehen ist oder | |
deren Abschaffung markieren einen Rückschritt und zeigen, dass Feminismus | |
und Emanzipation eben nicht im Mainstream angekommen sind. | |
Wie könnten frauenpolitische Themen am besten ins öffentliche Bewusstsein | |
gelangen? | |
Es kommt dabei auf das Medium und dessen Strategie an. Ich denke nach wie | |
vor, dass Netzwerke von Journalistinnen unheimlich wichtig sind, um etwas | |
in den Redaktionen zu verändern. Die kontinuierliche Arbeit von | |
Medien-Watchgroups wird dringend benötigt, aber DIY-Aktivitäten sind ebenso | |
wichtig, weil sie zur Selbstermächtigung beitragen. Feminist_innen müssen | |
Standpunkte und Haltungen entwickeln, die dann, auf welchen Weg auch immer, | |
in die Öffentlichkeit getragen werden. Nur so kann es gelingen, dass | |
feministische Themen auch in die Mainstream-Medien kommen und dort | |
facettenreich und tiefschürfend diskutiert werden. | |
3 Apr 2019 | |
## LINKS | |
[1] /40-Jahre-taz-Frauenbewegung/!5536154 | |
[2] http://www.beck-shop.de/fachbuch/leseprobe/9783896695864_FirstChapter_015.p… | |
[3] https://link.springer.com/book/10.1007/978-3-322-89129-7 | |
[4] /Zeitpunkte-feiert-runden-Geburtstag/!5165266 | |
## AUTOREN | |
Nhi Le | |
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