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# taz.de -- "Zeitpunkte" feiert runden Geburtstag: "Manchmal ist der ganze Frau…
> Die RBB-Frauenfunksendung "Zeitpunkte" wird 30. Anfangs war es fast ein
> Tabubruch, über Frauenthemen zu berichten. Und lang galten viele davon
> als wenig ansprechend. Zu Unrecht, sagt Redakteurin Magdalena Kemper.
Bild: So waren die Anfänge: Die Zeitpunkte-Redaktion in den 70er-Jahren.
taz: Frau Kemper, die Sendung "Zeitpunkte" wird 30 Jahre alt. Herzlichen
Glückwunsch. Sie machen seit 30 Jahren Frauenfunk. Wie ist das, wenn man
sich sein ganzes Berufsleben lang parteiisch für Frauen verhält?
Magdalena Kemper: Parteiisch für Frauen heißt nicht, dass man alles, was
Frauen machen, gut findet. Vielmehr gehen wir der Frage nach, ob etwas,
über das wir berichten, für Frauen sinnvoll und gut ist. Dabei ignorieren
wir auf keinen Fall, dass es auch Situationen gibt, wo Frauen Mist bauen.
Frauenthemen an die Öffentlichkeit zu bringen, ist ja nicht unbedingt ein
Zuckerlecken. Wie war die Situation, als Sie anfingen?
Ich glaube, man kann sich das heute gar nicht mehr vorstellen, wie
Frauenthemen vor 30 Jahren im Rundfunk behandelt wurden. Nehmen Sie nur den
§ 218 zur Abtreibung. Das war ein Problem, über das fast nur Politiker und
Bischöfe sprachen. Wir haben aber diejenigen gefragt, die von Abtreibung
betroffen waren, und deren Ausgangsituation zum Ausgangspunkt der Debatte
gemacht.
Diese Veränderung im Rundfunk konnten Sie durchsetzen?
Als wir anfingen, gingen die Verantwortlichen im damaligen Sender Freies
Berlin (SFB) davon aus, dass wir ein Vormittagsmittagsmagazin machen mit
Kochrezepten, pädagogischen Tipps und Ratschlägen, wie man Klamotten
reinigt. Was wir boten, waren dagegen die tabuisierten Themen der
Frauenbewegung, die alles andere als fröhlich waren. Man sprach damals
sonst nirgends über Gewalt in der Ehe, über Abtreibung, sexuellen
Missbrauch. All die gesetzlichen Veränderungen bei diesen Themen, die haben
sich Frauen erkämpft. Heute kann man darüber reden. Allerdings war das im
Rundfunk kein einfacher Weg. Relativ schnell hieß es damals: Dieses
Programm brauchen wir nicht - obwohl wir die zweithöchste Einschaltquote in
Westberlin hatten.
Was ist passiert?
Wir wurden von einer Welle auf die andere, von einem Sendeplatz auf den
anderen geschoben. Der Anspruch, jeden Tag eine Stunde lang die Welt aus
Sicht von Frauen zu betrachten, galt als Anmaßung.
Und heute: Wird eine Sendung, die die Welt parteiisch aus der Sicht von
Frauen analysiert, noch gebraucht?
Ich glaube schon. Es ist noch eine Menge zu tun, obwohl vieles besser
geworden ist. Viele ehemalige Zeitpunkte-Kolleginnen tragen die Themen ja
auch in andere Redaktionen. Frauenthemen werden also viel breiter
angesprochen. Nehmen Sie nur Anne Will. Sie hat ihr Volontariat auch bei
uns gemacht. Was wir bei den Zeitpunkten allerdings leisten, das ist die
Kontinuität. Wir bleiben an den Themen dran, denn nicht alle sind so
publikumswirksam wie die Pornografie oder Feuchtgebiete oder Prostitution.
Es gibt das feministische Schwarzbrot: Doppelbelastung, ungleiche
Lohnverhältnisse, gläserne Decke, Migration, Gewalt gegen Frauen. Gewalt
gegen Frauen ist jeden Tag ein Skandal.
Welche frauenrelevanten Themen sind in letzter Zeit dazugekommen?
Die neue Armut der Frauen mit Hartz IV brennt unter den Nägeln. Auch das
Unterhaltsrecht entwickelt sich für Frauen zunehmend zum Desaster. Die
Debatten um Islamismus und religiöse Frauenverachtung sind ebenfalls
aktuell. Manchmal können wir aber sogar Positives berichten: etwa über mehr
Frauen in Chefetagen. Von denen erhoffe ich mir übrigens stetige
Frauenförderung.
Frauenthemen wurden in den vergangenen zehn Jahren als ziemlich alter Hut
abgetan. Wie haben Sie es geschafft, gegen diesen Trend dennoch
weiterzumachen?
Mit Humor. Manchmal ist der ganze Frauenkram auch komisch. Eigentlich ist
es doch grotesk, dass Männer immer noch von mangelnder Qualifikation von
Frauen reden. Dass sie sich bedroht fühlen von Frauen. Oder dass sie immer
noch sagen können: Den Frauen gehts doch prima.
Wer sind eigentlich die Macherinnen von Zeitpunkte?
Frauen zwischen 30 bis 69. Nicht alle waren am Anfang Journalistinnen. Sie
waren Meteorologinnen, Juristinnen, Modegrafikerinnen, Schneiderinnen.
Diese Qualifikationen ermöglichten Einblicke in unterschiedlichste Milieus.
Das hat uns geholfen, auf dem Teppich zu bleiben. Viele von uns haben auch
Kinder. Das hat das Kinderthema authentisch gemacht. Wir waren gestandene
Frauen, die sich nicht die Butter vom Brot nehmen lassen wollten - auch
nicht von alles besser wissenden Politikern.
Welchen neuen Wind bringen die jungen Journalistinnen in die Redaktion?
Sie schauen mit frischem Blick auf das, was in den letzten 30 Jahren
geschaffen wurde. Und sie sind nicht so belastet durch die feministische
Geschichte, während die Älteren manchmal meinen, die ganzen Dramen der
Geschichte reflektieren zu müssen. Die Jungen sind mitunter witziger.
Manchen - das soll man aber nicht ausklammern - ist Frauenfunk peinlich.
Die denken da nur an Krampfadern.
Die sich ausweitende Finanzkrise schürt die Frage, wie eine Gesellschaft
sein muss, damit sie gerecht ist. Glauben Sie, dass diese
Gerechtigkeitsdebatte sich positiv auf die Wahrnehmung von
geschlechterbezogener Ungleichheit auswirken wird?
Nein. Wir gehen im Gegenteil davon aus, dass die Finanzkrise sich sehr
negativ auf die Frauen auswirken wird. Frauen werden den Mangel weiterhin
gekonnt verwalten. Wir hatten mehrere Diskussionssendungen mit Bankerinnen
und Finanzexpertinnen dazu und mussten feststellen: Es gibt keine
öffentliche Diskussion über geschlechtergerechte Konjunkturprogramme. Und
ich finde auch nicht, dass die Krisendiskussion bei Attac bisher
geschlechtergerecht geführt wird.
Wie ist es mit dem Hörfunk und der Krise? Sind gehaltvolle Radiosendungen
in Zeiten der Krise womöglich wieder gefragter, weil die Party zu Ende ist?
Ich würde mich darüber freuen, wenn es so wäre. Wenn ich die
Einschaltquoten von Kulturradio sehe, die tatsächlich nicht schlecht sind,
spricht schon einiges dafür, dass die Leute wieder qualitative
Hintergrundinformation wollen. Orientierungshilfen wie Zeitpunkte sind in
der derzeitigen Krise nötiger denn je. Dafür spricht zudem, dass wir gerade
keine Kürzungsdebatte im Sender führen müssen. Ich setze da auch auf Dagmar
Reim, unsere Intendantin.
1 Apr 2009
## AUTOREN
Waltraud Schwab
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