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# taz.de -- Ein Festival für Zeitfragen: Hymnen dehnen, Mahler ehren
> Die MaerzMusik widmet sich festivalweise den Zeitfragen, mit Frederic
> Rzewski, Altmeister der Avantgarde, zu Gast. Ein Wochenkommentar.
Bild: Frederic Rzewski beim MaerzMusik-Auftritt im Haus der Berliner Festspiele
Am Anfang war der Protest. Ein historischer Protest zwar, aber einer, der
immer noch sitzt. Frederic Rzewskis „The People United Will Never Be
Defeated!“ von 1975, nach der chilenischen Widerstandshymne „El pueblo
unido jamás será vencido“, mit dem die MaerzMusik, das Festival für
Zeitfragen, vergangenes Wochenende eröffnete, ist einer der seltenen Fälle
eines „Hits“ der Nachkriegsmoderne. Ein Variationszyklus, der swingt,
mitunter sogar Pop-Appeal hat und noch in seinen sperrigsten Passagen
elektrisiert. Wenn alles sitzt.
Bei der Eröffnung spielte der US-amerikanische Komponist und Pianist sein
virtuoses Stück höchstselbst. Mit 80 Jahren vermutlich eine der letzten
Gelegenheiten in dieser Besetzung und daher allemal ein Ereignis.
Leider zeigte sich der ansonsten höchst geistesgegenwärtige Rzewski am
Klavier bei Weitem nicht so bravourös, wie seine eigene Musik verlangt. Er
blätterte sich im gemächlichen Tempo durch die Noten, spielte
verhalten-zögerlich, als würde er gerade noch üben. Wie um diesen Eindruck
zu bestätigen, griff er auch einigermaßen oft daneben.
Da es dieses Jahr bei dem Festival um Geschichtliches geht, wäre es
vermutlich weniger stimmig gewesen, einen jüngeren Interpreten einzuladen,
um die Sache flüssiger darzubieten. Viele Interpreten beanspruchen für das
Stück ansonsten eine gute Stunde, Rzewski nahm sich 90 Minuten Zeit. Für
die Wiederholung des Werks am Sonntag als Teil des MaerzMusik-Programms im
großen Nonstopkonzert „The Long Now“, das von Samstag auf Sonntag einen
guten Tag lang das Kraftwerk zum Dauerkonzertsaal mit Liegen zum
entspannten Abhängen oder Wegdösen umgestaltet, wirft das Fragen auf. Wird
Rzewski sein Spiel bis dahin noch einmal aufgefrischt haben? Oder wird er
dem Titel der Abschlussrunde gemäß sein Stück vielmehr zusätzlich
entschleunigen, auf zwei, drei Stunden gedehnt?
Neues Tonschaffen konnte man dafür am Donnerstag im Konzerthaus von drei
Komponistinnen hören. Orchester und Elektronik im feinen Obertondialog von
der US-Amerikanerin Ashley Fure, Droneflächen für Orchester und Orgel von
der Litauerin Justė Janulytė und, zum Abschluss, eine im Geist von Mahler
als Pastiche angelegte musikalische Erinnerungsarbeit, in der die
Österreicherin Olga Neuwirth die Melodien aus der Zeit ihres Großvaters zu
einem hauntologischen Strudel verarbeitete. Das war am Ende dann doch
gegenwärtiger als Rzewski. Die MaerzMusik kann eben durchaus, wenn sie
will.
30 Mar 2019
## AUTOREN
Tim Caspar Boehme
## TAGS
Avantgarde
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Neue Musik
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