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# taz.de -- Lage der Demokratie in Großbritannien: No. No. No. No. No. No. No.…
> Brexit-Chaos für Feinschmecker: Das Parlament lehnt die eigenen
> Vorschläge ab. Theresa May bietet ihren Rücktritt an. Wer blickt noch
> durch?
Bild: Brexit-Sorgen: Panzernashorn Sanjay aus Nürnberg soll eigentlich in Edin…
Das musste ja so kommen. Erst setzen die Hinterbänkler im britischen
Parlament Himmel und Hölle in Bewegung, um endlich selbstbestimmt
Vorschläge zum Brexit abstimmen zu dürfen, und [1][dann lehnen sie jeden
einzelnen ihrer eigenen Vorschläge ab]. Egal ob No Deal oder No Brexit, ob
neue Volksabstimmung oder das Norwegen-Modell: Keine Idee fand am
Mittwochabend im Unterhaus eine Mehrheit. Selbst der offizielle
Labour-Plan, von dem Jeremy Corbyn jeden Mittwoch im Parlament behauptet,
er allein sei mehrheitsfähig, erhielt weniger Stimmen als zuletzt Theresa
Mays Brexit-Deal.
Kurz bevor die Parlamentarier ihren bunten Brexit-Blumenstrauß in einen
Komposthaufen verwandelten, hatte die Premierministerin vor der
konservativen Fraktion ihren letzten Trumpf gezogen: Wählt meinen Deal und
ihr seid mich endlich los. Nicht einmal Boris Johnson konnte da
widerstehen, zumindest ein paar Stunden lang nicht. Denn das eröffnet die
Chance, dass nach dem EU-Austritt ein neuer Premierminister, den die
Brexiteers gern selbst stellen wollen, die Verhandlungen mit der EU über
die künftigen Beziehungen führt.
Mit diesen beiden Wendungen ging das Brexit-Duell von Westminster über
Nacht in eine neue Runde. Die rebellierenden Hinterbänkler wollen die zwei
aussichtsreichsten ihrer Brexit-Modelle – zum einen einen Verbleib in der
EU-Zollunion, zum anderen eine neue Volksabstimmung – am kommenden Montag
noch einmal zur Abstimmung stellen, in der Hoffnung, dass wenigstens eines
durchkommt. Oder beide, also eine Volksabstimmung über den Verbleib in der
EU-Zollunion. Mit dieser Idee könnte dann rechtzeitig zum Stichtag 12.
April eine weitere Brexit-Verschiebung bei der EU beantragt werden – bis
dahin muss Großbritannien, sofern es das bestehende Austrittsabkommen mit
der EU weiter ablehnt, eine Verschiebung über die Europawahlen hinaus
beantragen oder ohne Deal ausscheiden.
In 10 Downing Street hingegen sieht das neueste Gedankenspiel so aus: Am
Freitag, 29. März, also am ursprünglichen Brexit-Tag, kommt Mays Deal zum
dritten Mal zur Abstimmung, geht diesmal durch, und dann gibt es den
geordneten Brexit am 22. Mai, pünktlich zur Europawahl, an der die Briten
nicht teilnehmen. Dann tritt auch Theresa May als Premierministerin zurück,
damit jemand anders die „nächste Phase“ des Brexit leitet.
Wenn May sich durchsetzt, wird der Hinterbänkler-Plan hinfällig. Deswegen
steht viel auf dem Spiel und es wird mit verdeckten Karten gespielt.
[2][Parlamentspräsident John Bercow] bekräftigte und verschärfte am
Mittwoch noch einmal seinen rechtlichen Hinweis, wonach der Deal nicht ohne
„substanzielle Änderungen“ zum dritten Mal ins Parlament eingebracht werden
dürfe. Parlamentsministerin Andrea Leadsom kündigte unbeirrt am Donnerstag
im Unterhaus eine neue Brexit-Abstimmung für Freitag an, da ja noch diese
Woche der Deal verabschiedet werden müsse, um die Verschiebungsvereinbarung
mit der EU zu erfüllen.
Da es keine „substanzielle Veränderung“ gibt, kann nicht einfach der Deal
selbst neu eingebracht werden. Die Abgeordneten könnten aber ihre Absicht
bekunden, den unstrittigen Teil des Textes zu billigen, der die
Austrittsmodalitäten klärt, während der Teil, in dem Sprengsätze wie der
Nordirland-Backstop stehen, ausgeklammert bleibt. Damit wäre zwar der Deal
selbst nicht „substanziell verändert“, wohl aber der abzustimmende Antrag.
Diskussionen darüber mit Bercow „dauern an“, sagte Leadsom, während Bercow
mit dem Kopf schüttelte.
Manche neunmalklugen Analysten schlagen vor: Erst wird Mays Deal angenommen
und der Brexit vollzogen, später gibt es eine Volksabstimmung darüber, ob
Großbritannien nach dem Ablauf der vorgesehenen Übergangsfrist in der
Zollunion bleibt oder nicht. Das wäre ein dermaßen unverständlicher
Geniestreich, dass wohl niemandem etwas Besseres einfallen dürfte –
jedenfalls nicht in den verbleibenden kurzen Fristen.
Auch die Befürworter eines zweiten Brexit-Referendums wissen, dass sie eine
hoch riskante Strategie fahren, wenn sie ihr Referendum wie bisher als
Vehikel zum Verbleib in der EU verkaufen. Die Brexit-Populisten warten nur
darauf, dass die Referendumsbefürworter in diese Falle tappen. Dominic
Cummings, der geniale Wahlkampfleiter der Brexit-Kampagne „Vote Leave“ von
2016, warnte jetzt auf seinem Blog, solchen Politikern drohe eine noch viel
höhere Niederlage als vor drei Jahren.
Denn eine zweite Volksabstimmung wäre eine Vertrauensabstimmung über das
britische Politchaos der letzten vergangenen Jahre, so Cummings. „Bei einem
zweiten Referendum wird es nicht um die EU gehen. Es wird um euch und um
eure Parteien gehen, und wenn ihr 2016 schlimm fandet, wird das nächste Mal
für euch unerträglich.“
28 Mar 2019
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## AUTOREN
Dominic Johnson
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