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# taz.de -- Bouteflika vor dem Aus: Sanfter Putsch in Algerien
> Der Zusammenhalt der Machtelite um Präsident Bouteflika bröckelt. Eine
> zentrale Rolle könnte nun Senatspräsident Bensalah zukommen.
Bild: Übernimmt er das Amt des Präsidenten? Senatspräsident Abdelkader Bensa…
Oran taz | Algeriens Protestbewegung gibt sich unnachgiebig und fordert
auch nach der Einmischung des Militärs weiter einen tiefgreifenden
Systemwandel. Ihre Forderung nach der Absetzung von Staatspräsident
Abdelaziz Bouteflika, [1][die offenbar kurz bevorsteht], könnte sich
allerdings als Bumerang erweisen: Die mit Bouteflikas Clan rivalisierenden
Fraktionen im Machtapparat drängen zurück an die Schaltstellen der Macht.
Sie stellen die Weichen für einen regimeinternen, sanften Putsch.
Am Dienstag hatte Armeechef und Vize-Verteidigungsminister Ahmed Gaid Salah
seine bisherige Zurückhaltung aufgegeben und sich für die vorzeitige
Absetzung des gesundheitlich angeschlagenen Bouteflikas ausgesprochen. In
einer viel beachteten Ansprache forderte der General die Anwendung von
Artikel 102 der algerischen Verfassung, nach dem das Staatsoberhaupt für
regierungsunfähig erklärt werden kann. Damit wird ein von mächtigen Kreisen
innerhalb des Sicherheitsapparates gelenkter Übergangsprozess immer
wahrscheinlicher.
Zwar würde durch die Anwendung des Artikels der Weg frei gemacht für ein
vorzeitiges Ende der Präsidentschaft Bouteflikas, der seit 1999 an der
Macht ist. Doch die Erklärung des Armeechefs riecht nach direkter
politischer Einmischung des Militärs. Salahs Initiative sei ein
„machiavellistisches Manöver“, schreibt der Aktivist und Präsident des
Jugendverbandes RAJ, Abdelwahab Fersaoui, auf seiner Facebook-Seite. Die
Rückkehr zur aktuellen Verfassung ziele darauf ab, die Protestbewegung zu
ersticken und das System zu reproduzieren.
In der Tat mutet der Vorstoß des Armeechefs, der betonte, die Verfassung zu
beachten, grotesk an. Schließlich hatte die hinter Bouteflika stehende
Staatsführung Mitte März angekündigt, von eben jenem verfassungsrechtlichen
Pfad abweichen zu wollen. In einem Brief in Bouteflikas Namen [2][hatte sie
verkündet], dass ein Übergangsprozess eingeleitet und die für April
geplante Präsidentschaftswahl auf unbestimmte Zeit verschoben würde.
Bouteflika selbst würde in Zukunft nicht erneut antreten. Der damalige
Regierungschef Ahmed Ouyahia trat zurück.
## Ex-Regierungschef fordert Rücktritt
Nun obliegt es dem Verfassungsrat, nicht der Armee, die Bestimmungen von
Artikel 102 einzuleiten. Stellt dieser fest, dass der Staatschef „aufgrund
schwerwiegender oder andauernder Krankheit völlig unfähig ist, seine
Aufgaben zu erfüllen,“ kann das Parlament mit einer Zweidrittelmehrheit den
Vorsitzenden des Senats – des Oberhauses des Parlaments – für eine Dauer
von 45 Tagen als „geschäftsführenden“ Präsidenten einsetzen. Hält die
Verhinderung des Präsidenten an, könnte das Amt für vakant erklärt werden.
Eine Neuwahl müsste folgen.
Ein anderer Weg wäre ein Rücktritt Bouteflikas. Einen solchen forderte am
Mittwoch der entlassene Ex-Regierungschef Ouyahia in einer
aufsehenerregenden Stellungnahme. Die von ihm geführte Regierungspartei
RND, die zusammen mit der Partei FLN regiert, wird zwar von Flügelkämpfen
erschüttert. Doch die von Ouyahia geführte Fraktion, der enge Verbindungen
zum Geheimdienstapparat nachgesagt werden, könnte von Bouteflikas Absetzung
profitieren. Möglicherweise stellt sie sich wie bereits Ende der 1990er
Jahre wieder als führende zivile politische Kraft innerhalb des Regimes
auf.
Ob Absetzung oder Rücktritt: Eine zentrale Rolle könnte Senatspräsident
Abdelkader Bensalah zukommen, der aller Voraussicht nach als
geschäftsführender Präsident eingesetzt wird. Bensalah entstammt Ouyahias
RND und würde bei der Organisation von Neuwahlen eine wichtige Rolle
spielen. Unklar bleibt derweil, ob nach den jüngsten Entwicklungen weiter
Hunderttausende auf die Straße gehen werden. Für Freitag wurde erneut zu
landesweiten Protesten aufgerufen.
27 Mar 2019
## LINKS
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[2] /Algerien-im-Umbruch/!5580299
## AUTOREN
Sofian Philip Naceur
## TAGS
Algerien
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