# taz.de -- Letzte IS-Bastion in Syrien gefallen: Die Metamorphose des IS | |
> Kurdisch-arabische Einheiten haben den militärischen Sieg über den | |
> sogenannten „Islamischen Staat“ verkündet. Das Ende ist das noch lange | |
> nicht. | |
Bild: Der IS hat keinen „Staat“ mehr, die Ideologie ist allerdings nicht ve… | |
Kairo taz | Der sogenannte „Islamische Staat“ hat keinen Staat mehr. Einst | |
war das IS-Kalifat größer als Österreich. Nun ist es Geschichte. Am | |
Wochenende verkündeten die kurdisch dominierten und von den USA | |
unterstützten Demokratischen Kräfte Syriens (SDF) [1][die Eroberung des | |
letzten Landstrichs um das Dorf Baghus im Nordosten Syriens,] der noch vom | |
IS gehalten worden war. | |
Das Kalifat ist verschwunden, nicht aber die Menschen, die es geschaffen | |
haben. Noch weniger ihre Ideologie. Seit der IS 2016 begann, Territorium zu | |
verlieren, sind Tausende Kämpfer in den Untergrund gegangen. Im Irak haben | |
sich operative Zellen neu gruppiert. Sie führen Mordanschläge und | |
Sabotageakte gegen staatliche Institutionen durch oder erpressen mit | |
Entführungen Lösegeld – eine klassische Guerillataktik. | |
Ähnliches gilt für den Nordosten Syriens. In der einstigen IS-Hochburg | |
Rakka werden zahlreiche IS-Schläferzellen vermutet, die auch immer wieder | |
gegen SDF-Truppen und US-Soldaten zugeschlagen haben. Abu Muhammad al-Adani | |
– einst der zweitwichtigste Mann beim IS, bevor er 2016 getötet wurde – | |
hatte die IS-Taktik für den Tag X, an dem der IS sein Territorium verliert, | |
prägnant zusammengefasst: „Glaubt Amerika, wir seien besiegt, wenn wir eine | |
Stadt oder ein Stück Land verloren haben? Waren wir besiegt, als wir die | |
Städte im Irak verloren haben und uns in die Wüste zurückzogen?“ | |
Das verweist nicht nur auf die IS-Filialen, die in Nigeria, Libyen oder auf | |
dem Sinai gegründet wurden. Laut US-Verteidigungsministerium könnte der IS | |
seine Funktionsfähigkeit im Irak schneller wiederherstellen als in Syrien. | |
„Wenn es keine geeigneten Antiterrormaßnahmen gibt, könnte der IS in Syrien | |
innerhalb von 6 bis 12 Monaten wiederauftauchen und begrenzt Territorium | |
erobern“, hieß es in einem im Februar veröffentlichten Bericht. Der | |
irakische IS-Experte Haschim Haschmi schrieb auf Twitter: „Sie haben den | |
Stamm dieses bösen Baums gefällt, aber nicht die Wurzeln rausgezogen.“ | |
## Ideologie als Sicherheitsrisiko | |
Das gilt umso mehr, als sich die Bedingungen, die zum Aufstieg des IS | |
führten, kaum geändert haben: Beginnend bei den ausländischen | |
Interventionen in der Region, die viel zerstören, nie aber die erklärten | |
Ziele erreichen und unbeabsichtigt neue Monster schaffen (fast die gesamte | |
spätere IS-Führungsriege saß einst im US-Gefängnis Camp Bucca im Irak), bis | |
hin zu den Rivalitäten zwischen Iran und Saudi-Arabien, durch die Sunniten | |
und Schiiten aufeinandergehetzt werden. | |
Der IS hat sich zum Teil erfolgreich als Schutzmacht der Sunniten | |
vermarkten können, die sich im Irak und in Syrien vom politischen und | |
wirtschaftlichen System ausgeschlossen fühlen – einer der Gründe, warum | |
sich die Sunniten im Irak im großen Stil weigerten, sich dem IS | |
entgegenzustellen. | |
Im irakischen Ramadi, Felludscha und Mossul war nach der Befreiung dieser | |
Städte vom IS zwar Erleichterung zu spüren, gleichzeitig aber zeigte sich, | |
dass sich viele Sunniten beim Wiederaufbau ihrer Städte und ihres Lebens | |
vom Staat alleingelassen fühlten. Eine Enttäuschung, aus der islamistische | |
Gruppierungen erneut Kapital schlagen könnten. | |
Am beständigsten wird aber wohl die Ideologie sein. Es ist nicht die | |
operative Fähigkeit des IS, sondern dessen Ideologie, die auch das größte | |
Sicherheitsrisiko für Europa darstellt. In einem Manifest [2][im | |
IS-Online-Magazin Dabiq] aus dem Jahr 2015 wurde eine Dynamik beschrieben, | |
die militante Islamisten für sich nutzen wollten: Mit jedem Anschlag im | |
Westen wachse dort die antiislamische Stimmung. | |
## Ein Teufelskreis | |
Die Folgen seien Polarisierung und „die Eliminierung der grauen Zone“, wie | |
die Koexistenz zwischen Muslimen und Nichtmuslimen umschrieben wurde. Mit | |
der Ausgrenzung der Muslime könnten diese leichter in die Arme der | |
Islamisten und ihrer Ideologie getrieben werden. | |
Darin besteht die größte Gefahr in unseren Gesellschaften, in denen auf | |
Anschläge von Islamisten nun Anschläge rechtsradikaler selbsternannter | |
Kreuzritter folgen, wie zuletzt in Neuseeland. Blickt man auf diesen | |
Teufelskreis, muss man sich fragen, ob die Rechnung des IS nicht auch ohne | |
sein Kalifat noch aufgehen könnte. | |
24 Mar 2019 | |
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## AUTOREN | |
Karim El-Gawhary | |
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