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# taz.de -- Junge Talente in den Niederlanden: Sie sollen nur spielen
> Der niederländische Fußball hat sein Ausbildungssystem reformiert. Auf
> individuelle Entwicklung soll wieder mehr Wert gelegt werden.
Bild: Der 16-jährige Ryan Gravenberch ist jüngster Spieler bei Ajax Amsterdam
„Wir müssen uns mit Holland noch auseinandersetzen“, sagte Bundestrainer
Joachim Löw am Mittwochabend nach dem mühseligen Remis (1:1) gegen Serbien.
Die Vorbereitung auf das EM-Qualifikationsspiel in den Niederlanden fällt
zwangsläufig etwas knapp aus. Grundsätzlich schaut Deutschland aber wieder
intensiver auf das „Ausbildungsland“ Niederlande. Nicht das erste Mal. Aber
spätestens seit der WM 2014 galt [1][die „niederländische Schule“ als
überholt] – überholt von der „deutschen Schule“.
Allerdings sollte man nicht den Fehler machen, die guten Ergebnisse der
Elftal in der Nations League und von Ajax in der Champions League zu
überhöhen. Willem Vissers, Kolumnist der niederländischen Tageszeitung De
Volkskrant: „Mit Bondscoach Ronald Koeman ist der Spaß an der
Nationalmannschaft zurückgekehrt. Aber beim 2:2 zwischen Deutschland und
den Niederlanden war Deutschland besser. Und beim 0:3 in Amsterdam war
Deutschland auch nicht so schlecht.“
In den europäischen Vereinswettbewerben habe nur Ajax für positive
Schlagzeilen gesorgt. Ansonsten sei es ein eher schwarzes Jahr für die
niederländischen Vertreter. In der Tat: Der PSV Eindhoven schied in der
Gruppenphase der Champions League sieglos aus. In der Europa League
scheiterten Feyenoord Rotterdam und AZ Alkmar. Für Vissers befindet sich
der niederländische Fußball noch in einem Prozess der „großen
Transformation“. „Wir sehen einige Blumen blühen – aber wir haben deshalb
noch keinen Sommer.
Die für Deutschland interessanteste Frage lautet: Ist der Höhenflug von
Elftal und Ajax auch eine Folge von Veränderungen in der niederländischen
Ausbildung? Denn: Einige Dinge, die jetzt in Deutschland diskutiert werden:
eine zu starke Ergebnisorientierung im Jugendbereich auf Kosten von
Ausbildung und Entwicklung, zu viel Mannschaftstaktik, statt individueller
Ausbildung sind in den Niederlanden bereits seit einigen Jahren ein Thema.“
## Jugendtrainer zu sehr auf Siege fokussiert
Es begann im Herbst 2011 mit einem Machtkampf zwischen Johan Cruyff und
Louis van Gaal. Letzterer sollte Sportdirektor bei Ajax werden, Cruyff
verhinderte dies. Dennis Bergkamp, der sowohl Cruyff als auch van Gaal als
Trainer erlebt hat, erklärte die Unterschiede zwischen den beiden
Alphatieren des niederländischen Fußballs folgendermaßen: „Cruyff war sehr
fußballfixiert, sehr instinktiv. So wie er selbst spielte, hat er das Spiel
seinen Leuten nahegebracht. Es ging dabei mehr um Technik als um Taktik.
Van Gaal war mehr wie ein Klassenlehrer. Klare Anweisungen: ‚Tut dies, tut
das.‘ Sein Thema war, was die Spieler tun müssen, damit sein System
funktioniert.“
Cruyff sage hingegen häufig, dass man Kindern bis zum 14. Lebensjahr
taktisch nichts beibringen muss. „Man kann ihnen spielerisch Dinge
vermitteln, die sie kompetenter machen. Anschließend kann man ihnen dann
auch taktische Dinge beibringen.“
Ebenfalls 2011 wurde Wim Jonk, ein Ziehkind Cruyffs, Leiter der
Ajax-Akademie „De Toekomst“. Jonk reformierte die Ausbildung. Der
Cruyffist über seine Ausbildungsphilosophie: „Vorher waren die
Jugendtrainer zu stark mit dem Gewinnen von Wettbewerben beschäftigt.
Einige hatten Angst, nach Resultaten beurteilt zu werden. Dadurch wurde der
Austausch von Spielern erschwert, also dass ein Spieler in seiner
Mannschaft mal auf einer anderen Position spielt oder ein besonders guter
Spieler mal in einer älteren Mannschaft geprüft wird. (…) Wir schauen, ob
ein Spieler ein spezifisches Training nötig hat, auf dem Gebiet der
Technik, der Motorik oder Kraft. Der Hauptaugenmerk liegt auf der
technischen Entwicklung, aber wir betrachten natürlich auch alle anderen
Aspekte.“
## Weniger Erfolgs- mehr Ausbildungsorientierung
Zusammengefasst ging es also um eine stärkere Betrachtung und Beschäftigung
mit dem einzelnen Spieler, um Technik vor Taktik, um weniger Erfolgs- und
mehr Ausbildungsorientierung. In welchem Ausmaß Ajax’ Aufschwung der von
Cruyff initiierten Reform der Nachwuchsarbeit geschuldet ist, lässt sich
kaum beantworten. 2015 wurde Jonk entlassen, nachdem er die Transferpolitik
des Vereins kritisiert hatte. Heute verkauft er sein Ausbildungsmodell
weltweit.
Aus der aktuellen Ajax-Mannschaft stechen Matthijs de Ligt (19) und Frenkie
de Jong (21) heraus. Willem Vissers beschreibt de Jong als einen Spieler,
der als Jugendspieler seine Trainer ignoriert habe, wenn diese ihm
befahlen: „Spiel ab!“ Als de Jong bei Willem II ins Profiteam aufrückte,
kam er kaum zum Einsatz. 2016 wechselte er zu Ajax, wo er 48 Spiele für
Jong Ajax bestritt, der zweiten Mannschaft, deren Durchschnittsalter in der
aktuellen Saison 19,5 Jahre beträgt.
Jüngster Akteur ist der 16-jährige U19-Nationalspieler Ryan Gravenberch,
der seit seinem 10. Lebensjahr bei Ajax spielt. Jong Ajax spielt in der 2.
niederländischen Liga wie auch die „Zweite“ von PSV Eindhoven. Das
Mitwirken dieser Teams ist ähnlich unpopulär wie das der 2. Mannschaften
deutscher Erstligisten in der 3. Bundesliga oder Regionalliga. Aber für
junge Talente ist diese Liga eine großartige Schule, wenn sie sich mit
Spielern messen müssen, die ihnen technisch vielleicht nicht das Wasser
reichen können, aber physisch stärker und erfahrener sind.
Im aktuellen Kader der Elftal stehen fünf Spieler, die mit Jong Ajax oder
Jong PSV in der 2. Liga spielten. Auch im „Ausbildungsland“ Niederlande
fallen schon mal Talente durchs Netz. Beispielsweise Virgil van Dijk, heute
einer der weltbesten Innenverteidiger. 2013 wechselte van Dijk vom FC
Groningen zu Celtic Glasgow in die zweitklassige schottische Liga. Von dort
lotse ihn sein Landsmann Ronald Koeman 2015 zum FC Southampton und in die
Premier League.
24 Mar 2019
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## AUTOREN
Dietrich Schulze-Marmeling
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