# taz.de -- Feyenoord Rotterdam gegen deutsche Teams: Noch immer heikle Begegnu… | |
> Fans von Feyenoord Rotterdam fallen rund um die Partie gegen Union Berlin | |
> unangenehm auf. Gegen deutsche Teams haben diese Vorfälle eine | |
> Geschichte. | |
Bild: Leidenschaftliche Anhängerschaft: Feyenoord-Fans zündeln gegen Union Be… | |
AMSTERDAM taz | Da ist sie wieder, die alte Ambivalenz, die zu diesem Klub | |
zu gehören scheint. „Feyenoord winkt die Überwinterung“, hebt das | |
Boulevardblatt De Telegraaf nach dem 3:1 gegen Union Berlin an, referierend | |
auf den nicht mehr selbstverständlichen Verbleib in einem europäischen | |
Wettbewerb jenseits der Winterpause. Und ergänzt: „Aber Sorgen über das | |
Verhalten der legioen“. | |
Die „Legion“, wie in den Niederlanden jeder weiß, sind die Fans des 113 | |
Jahre alten legendären Vereins aus dem gleichnamigen Stadtteil in | |
Rotterdam-Süd, der ganz ohne Firmierungen wie „FC“ und „SV“ oder gar | |
„Vitesse“ oder „Borussia“ auskommt. Einfach: Feyenoord, ein Wort, ein | |
Viertel, eine Ansage. No nonsense. Rau, aber leidenschaftlich, hart | |
arbeitend, zupackend, so wie man im Rest des Landes die Menschen aus der | |
Hafenmetropole sieht, und sie sich selbst auch. | |
Dass ein Teil – so viel Nuance muss sein, denn Hunderttausende Feyenoorder | |
leben ihre enorme Klubliebe gewaltfrei aus – der Legion das mit dem | |
„Zupacken“ bisweilen konfrontativ versteht, ist die Kehrseite des | |
beeindruckenden Supports. So geschehen am Abend vor der | |
[1][Conference-League-Partie], als eine Delegation von Union Berlin beim | |
Essen in einem Restaurant von einer Gruppe Vermummter mit Stühlen und | |
anderen Gegenständen beworfen wurde. | |
Die Hintergründe des Angriffs sind auch in den Niederlanden unklar. Von | |
einer besonderen, in diesem Fall feindlichen Verbindung zwischen Feyenoord | |
und Union Berlin ist nichts bekannt. Wohl schreibt das Algemeen Dagblad am | |
Tag danach, dass das letzte internationale Match mit einer großen Anzahl an | |
Auswärtsfans fast zwei Jahre zurückliegt. Auf eine spezifischere Erklärung | |
könnte ein anderer Satz verweisen: „Spiele gegen Deutsche sind in De Kuip | |
(dem Stadion von Feyenoord) – noch immer heikel.“ | |
## 800 Tote in Rotterdam | |
Die [2][Bombardierung Rotterdams durch die deutsche Luftwaffe] am 10. Mai | |
1940 mit mehr als 800 Toten und 2.000 Verwundeten hat in der kollektiven | |
Identität der Stadt tiefe Spuren hinterlassen. Zu den 80.000 Menschen, die | |
ihre Wohnung verloren, kam eine zerstörte Innenstadt. Dass dies kein Grund | |
ist, 80 Jahre später ein paar Berliner Funktionäre anzugreifen, steht in | |
Rotterdam außer Frage. „Völlig verwerflich“ findet die Klubleitung den | |
Angriff und distanziert sich. Auch die traditionsreiche Feijenoord | |
Supportersvereniging stellte sich hinter diese Erklärung. In | |
Straßenbefragungen lokaler Medien kam immer wieder die Feststellung, dass, | |
wer so etwas tue, kein Fan sei. | |
Mark Boninsegna, bekannt als inoffizieller Feyenoord-Dichter, der seinem | |
Club im Frühjahr eine Poesiesammlung mit dem Titel „6 motherfucking 2“ | |
widmete, sagt dagegen zum TV- Sender PowNed: „Ich glaube schon, dass es | |
echte Anhänger waren. Zumindest sind sie für Feyenoord.“ Weiterhin | |
analysiert Boninsegna: „In Rotterdam wächst man natürlich auch ein bisschen | |
auf mit diesen Deutschen, was sie, auch wenn es lange her ist, dieser Stadt | |
angetan haben.“ | |
Zum Match gegen Union gibt es insofern einen direkten Bezug, als dass | |
Feyenoord-Fans ein Spanntuch präsentieren wollten, das an das Kunstwerk | |
[3][„Die zerstörte Stadt“ des Bildhauers Ossip Zadkine] erinnert und Teile | |
der Rotterdamer Skyline zeigt, neben der Aufschrift „Wir sind Rotterdamer, | |
wir halten durch“. Die Uefa fand die Aktion provozierend und verbot das | |
Spanntuch, was die Fans wiederum als respektlos empfanden. | |
In der jüngsten Vergangenheit gab es einen weiteren Zwischenfall. Vor zwei | |
Monaten waren Feyenoord-Fans an einer Schlägerei in Duisburg beteiligt, als | |
ihr Team bei einem Vorbereitungsturnier auf den gastgebenden MSV und | |
Borussia Dortmund traf. Fast 60 Rotterdamer wurden festgenommen. | |
In den Niederlanden indes fällt die Fanszene des Klubs immer wieder durch | |
antisemitische Gesänge und Symbolik auf, wenn es gegen den verhassten, als | |
jüdisch wahrgenommenen Erzrivalen Ajax Amsterdam geht. Slogans wie „Adolf, | |
hier laufen noch elf, wenn du es nicht tust, tun wir es selbst“, oder | |
[4][„Hamas, Hamas, Juden ins Gas!“] haben das Image von Feyenoord | |
nachhaltig besudelt. Die Standardantwort: man habe nichts gegen „wirkliche | |
Juden“, sondern nur gegen Ajax. | |
Überschattet wird damit auch das beeindruckende soziale Engangement des | |
Vereins in einem verarmten Viertel, in dem sich mehr und mehr Menschen den | |
Rechtspopulisten oder der AKP-nahen identitär geprägten vermeintlichen | |
Migrantenpartei DENK zuwenden. | |
22 Oct 2021 | |
## LINKS | |
[1] /Union-Fans-bei-Auswaertsspiel-verletzt/!5810189 | |
[2] /Liberation-Route/!5253469 | |
[3] https://de.wikipedia.org/wiki/Die_zerst%C3%B6rte_Stadt | |
[4] /Antisemitismus-gegen-Ajax-Amsterdam/!5121291 | |
## AUTOREN | |
Tobias Müller | |
## TAGS | |
Rotterdam | |
Union Berlin | |
Randale | |
GNS | |
MSV Duisburg | |
Union Berlin | |
FC Union | |
Schwerpunkt Fußball-EM 2024 | |
Fußballvereine | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Fußballspiel in Duisburg abgebrochen: Rassismus im Spiel | |
Wegen rassistischer Anfeindungen gegen einen Spieler des VfL Osnabrück | |
wurde ein Drittligaspiel abgebrochen. Die Polizei erstattete Anzeige gegen | |
einen Tatverdächtigen. | |
Kontrollverlust beim 1. FC Union Berlin: Ein Fehler zu viel | |
Der 1. FC Union unterliegt Feyenoord Rotterdam und untergräbt seine | |
Qualitäten. Gegen Köln soll wieder alles gut sein. | |
Union gegen Rotterdam: Einfliegender Holländer | |
Mit einem niederländischen Unionfan bereitet sich taz-Fußballexperte Gunnar | |
Leue auf das Rotterdam-Spiel vor. | |
Junge Talente in den Niederlanden: Sie sollen nur spielen | |
Der niederländische Fußball hat sein Ausbildungssystem reformiert. Auf | |
individuelle Entwicklung soll wieder mehr Wert gelegt werden. | |
Hertha BSC in NS-Zeiten: Zwangsweise auf dem Platz | |
Als den Vereinen im Zuge des Weltkrieges die Spieler ausgehen, werden auch | |
Zwangsarbeiter eingesetzt. So wie Bram Appel als Stürmer bei Hertha. | |
Antisemitismus gegen Ajax Amsterdam: "Hamas, Hamas, Juden ins Gas" | |
Viele Ajax-Fans sehen sich selbst als "Juden". Vor dem Pokalfinale am | |
Sonntag machen gegnerische Fans im Netz mit antisemitischen Parolen und | |
Klischees Stimmung. |