# taz.de -- Gemeinnützige Arbeit für Häftlinge: Schwitzen statt Sitzen | |
> SPD und Grüne wollen, dass Hamburger Häftlinge, die wegen nicht gezahlter | |
> Geldstrafen inhaftiert sind, ihre Strafe durch gemeinnützige Arbeit | |
> abgelten können. | |
Bild: Win-Win-Geschäft: Ein Straftäter beim gemeinnützigen Arbeiten | |
Hamburg taz | Das zumindest ist Konsens unter Hamburger | |
JustizpolitikerInnen: Es ist sinnvoll Ersatzfreiheitsstrafen zu vermeiden | |
oder zumindest zu verkürzen – also jene Haft, die verhängt wird, weil eine | |
Geldstrafe nicht gezahlt wurde. Bei der nächsten Bürgerschaftssitzung am | |
27. März stellen die Fraktionen der SPD und der Grünen gemeinsam einen | |
Antrag, der die Möglichkeit, die Ersatzfreiheitsstrafe durch gemeinnützige | |
Arbeit zu verkürzen, „verbindlicher“ gestalten soll, so sagt es Urs | |
Tabbert, justizpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion. | |
Konkret bedeutet dies, dass sich die Häftlinge bei der | |
Ersatzfreiheitsstrafe nicht länger zwischen mehreren Möglichkeiten | |
entscheiden können. Bislang konnten sie in der Justizvollzugsanstalt | |
alternativ bezahlte Arbeiten verrichten, gar nicht oder aber gemeinnützig | |
arbeiten. | |
Künftig soll nach dem Willen von SPD und Grünen die Möglichkeit bezahlter | |
Arbeit entfallen. Für fünf Stunden – in Härtefällen drei Stunden – | |
gemeinnütziger Arbeit wird ihnen aber ein Tagessatz der Geldstrafe getilgt. | |
Viele machen allerdings keinen Gebrauch von dieser Möglichkeit. | |
Die geplante Neuregelung als Zwangsarbeit zu begreifen, hält Urs Tabbert | |
aber für „groben Unfug“; schließlich könnten sich die Häftlinge auch f�… | |
bloße Absitzen der Strafe entscheiden. Die gemeinnützige Arbeit, laut | |
Tabbert etwa Reinigungs- oder Kochtätigkeiten, finde überwiegend in den | |
JVAs statt. Das sei organisatorisch bedingt, weil sich viele der | |
Ersatzfreiheitsstrafen auf nur wenige Wochen beliefen. | |
Mit der angestrebten Änderung des Hamburgischen Strafvollzugsgesetzes würde | |
die Stadt viel Geld sparen. Laut einer Anfrage der FDP an den Senat zahlte | |
die Justizverwaltung 2017 rund 134.000 Euro für die Vollstreckung von | |
Ersatzfreiheitsstrafen. Im Durchschnitt sind es drei Prozent der | |
Verurteilen in Hamburg, die nicht zahlen; im Februar diesen Jahres wurden | |
105 Ersatzfreiheitsstrafen verbüßt. | |
Die erhoffte Einsparung soll aber nur ein Aspekt der Gesetzesänderung sein. | |
Zugleich soll mit mehr aufsuchender Sozialarbeit die Haft vermieden werden. | |
Dazu gehört etwa Kontaktaufnahme durch die Dienststelle Gemeinnützige | |
Arbeit, wenn Menschen nicht auf Anschreiben der Vermittlungsstelle | |
reagieren oder Begleitung bei den Terminen mit den zuständigen Ämtern. Neue | |
Stellen sind dafür laut Urs Tabbert allerdings nicht vorgesehen. | |
In der Opposition begrüßt man das Vorhaben von SPD und Grünen – zumindest | |
in Ansätzen. Der justizpolitische Sprecher der CDU, Richard Seelmaecker, | |
hält jede Hilfestellung zur Vermeidung von Ersatzfreiheitsstrafen für | |
„sinnvoll“. Schließlich seien die Betroffenen von den Gerichten eben nicht | |
zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden. | |
## Hohe Abbruchquote bei gemeinnütziger Arbeit | |
Seelmaecker verweist aber auch auf die hohe Abbruchquote bei der | |
gemeinnützigen Arbeit. Laut Senat lag die zwischen 2013 und 2017 bei rund | |
30 Prozent. Deshalb plädiert Seelmaecker für das in Niedersachsen | |
praktizierte Modell „Geldverwaltung statt Ersatzfreiheitsstrafe“, das die | |
CDU erfolglos auch für Hamburg ins Gespräch gebracht hatte. | |
Auch Anna von Treuenfels-Frowein, die justizpolitische Sprecherin der FDP, | |
verweist auf gescheiterte Vorstöße aus der eigenen Partei. Sinnvoller als | |
an den „Symptomen herumzudoktern“, sei ein gesetzlicher Vorstoß auf | |
Bundesebene. Die zu Ersatzfreiheitsstrafe Verurteilten müssten zu | |
gemeinnütziger Arbeit verpflichtet werden, um die verhängte Geldstrafe zu | |
tilgen. Dann entstünden Ersatzfreiheitsstrafen erst gar nicht. | |
Das fordert auch Martin Dolzer von der Linken – allerdings unter anderen | |
Bedingungen. Die Betroffenen seien „vor allem finanzschwache Menschen“, die | |
aus Geldmangel gezwungen seien, ins Gefängnis zu gehen. „Sie befinden sich | |
oft in einem Dilemma zwischen einem ausgegrenzten Leben unter dem | |
Existenzminimum und dem Erreichen kultureller Teilhabe manchmal auch mit | |
fragwürdigen Mitteln.“ Dolzer fordert deshalb, „Bagatelldelikte wie | |
Schwarzfahren zu entkriminalisieren“. | |
19 Mar 2019 | |
## AUTOREN | |
Friederike Gräff | |
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