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# taz.de -- Admiral-Johannesson-Preis der Marine: Zweifelhafter Namensgeber
> An der Marineschule Mürwik wird der „Admiral-Johannesson-Preis“ vergeben.
> Aber war Admiral Johannesson ein Vorbild – oder ein NS-Täter?
Bild: Haltung ist wichtig: In Mürwik lernen Offiziersanwärter*innen das Stram…
Bremen taz | Ehrt die Deutsche Marine einen NS-Täter und untergräbt den
neuen Traditionserlass der Bundeswehr? Wenn am Freitag die „Marine Offizier
Vereinigung“ an der Marineschule Mürwik die oder den besten OffizierIn und
OffiziersanwärterIn des Jahres mit dem „Admiral-Johannesson-Preis“
auszeichnet, geht es nicht nur um Noten, sondern auch um Haltung.
Allerdings steht gerade die Haltung des Namensgebers des Preises,
Konteradmiral Rolf Johannesson, seit einiger Zeit in Frage. Er sei in den
Nationalsozialismus „schuldhaft verstrickt“ und „nicht traditionswürdig�…
heißt es in einem offenen Brief vom Montag, den namhafte Historiker und
Militärs unterzeichnet haben.
Rolf Johannesson zählt laut Marine zu „den Gründervätern der Bundeswehr“.
Er war erster Befehlshaber der Flotte und Begründer der „Historischen
Taktischen Tagung“, in deren Rahmen sich die Marine seit 1957 regelmäßig
mit ihrer Geschichte auseinandersetzt.
Allerdings: Nachdem Johannesson während des Nationalsozialismus Ende 1944
das Kommando über die Elbe und Wesermündung übernahm, bestätigte er noch in
den letzten Kriegstagen, am 21. April 1945, fünf Todesurteile gegen eine
Helgoländer Widerstandsgruppe. Die Hinrichtungen wurden am selben Tag
vollzogen.
Heute steht eine Büste Johannessons in der Aula der Marineschule und der
Preis ist nach ihm benannt. „Wir protestieren gegen diese
geschichtspolitische Verblendung sowie gegen diese Verhöhnung der Opfer der
NS-Militärjustiz“, heißt es nun in dem offenen Brief. Die Kritik an der
Marine in diesem Fall ist nicht neu, wurde nun aber anlässlich der
Verleihung erneut mit prominenter Unterstützung vorgetragen: Initiiert vom
Autor Jakob Knab sind unter den Unterzeichnern etwa Hannes Heer, der
ehemalige Kurator der Wehrmachtsausstellung, Uwe Danker, Direktor am
Seminar für Geschichte und Geschichtsdidaktik der Uni Flensburg, aber auch
Fregattenkapitän a.D. Dieter Hartwig.
Hartwig war es, der die Geschichtsschreibung über Johannesson veränderte.
Er selbst war Marinegeschichtslehrer in Mürwik und lehrte an der
Führungsakademie der Bundeswehr in Hamburg. „Ich war selbst Anhänger
Johannessons“, sagt Hartwig der taz. Bis er 2017 im Landesarchiv
Schleswig-Holstein eine Erklärung von Johannesson vom 16. November 1953
ausfindig machte und dessen Mitverantwortung an den fünf Todesurteilen
aufdeckte. Johannesson schrieb darin: „Die Erfordernisse der damaligen
harten Zeit ließen dem Gericht und mir keine Wahl.“
Im offenen Brief heißt es heute zu den Todesurteilen: „Johannesson handelte
hier in unbedingter Übereinstimmung mit Großadmiral Karl Dönitz, dem
Oberbefehlshaber der Kriegsmarine.“ Die Abfolge habe „den Charakter der
‚Fliegenden Standgerichte‘“ gehabt.Für Hartwig kann Johannesson kein
Vorbild sein, sondern lediglich ein Lehrbeispiel. Schärfer formuliert es
der Historiker Hannes Heer. Er spricht von einem „Mordpreis“ der vergeben
werde. „Solche Wurmfortsätze des Militarismus und Postnazismus müssen
verschwinden“, sagt er der taz. „Das Bundesverteidigungsministerium hätte
längst eingreifen müssen.“
Von dort aber erklärt ein Sprecher: „Ein Handlungsbedarf wird von Seiten
des Bundesministeriums der Verteidigung nicht gesehen. Sowohl die
Aufstellung der Büste als auch die Durchführung der Preisverleihung
entsprechen den Regelungen des neuen Traditionserlasses und für
Militärgeschichtliche Sammlungen in der Bundeswehr.“ Der Sachverhalt sei
mehrfach und umfassend geprüft worden, erklärte der Sprecher. Er verweist
darauf, dass unter Beteiligung des Inspekteurs der Marine und des
Wehrbeauftragten des Bundestages eine historische Kontextualisierung der
Büste ausgearbeitet worden sei, bei der auf die Todesurteile hingewiesen
werde.
## Verteidigungsministerium: „Kein Handlungsbedarf“
Diese Position findet sich auch im Jahresbericht des Wehrbeauftragten vom
Februar 2018 wieder. Darin heißt es zu Johannesson: „In seiner Person
werden Kontinuitäten und Diskontinuitäten deutscher Marinegeschichte
deutlich. Dem Umstand, dass er es trotz wachsender Zweifel am
nationalsozialistischen Regime an Konsequenz hat fehlen lassen und bis zum
Kriegsende nicht mit dem System gebrochen hat, sich möglicherweise schuldig
gemacht hat, steht beim Aufbau der Bundeswehr sein aktives Bemühen um eine
kritische Auseinandersetzung mit der Vergangenheit und seinem eigenen Tun
gegenüber.“
Marinehistoriker Hartwig ärgert sich über solche Aussagen. Regelmäßig habe
er Johannesson in den letzten Jahren vor dessen Tod im Jahr 1989 besucht.
„Er hat nie über die Todesurteile gesprochen“, sagt er. „Er hat seine
Mitverantwortung verschwiegen und war ein Gefolgsmann Dönitz’.“ Über all
das habe die Marine mit ihm aber nie im Detail diskutiert. Stattdessen
erhalte er Briefe von Angehörigen der Bundeswehr und werde beschimpft. „Das
ist sehr bedauerlich.“
19 Mar 2019
## AUTOREN
Jean-Philipp Baeck
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