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# taz.de -- „FAZ“ würdigt Kolonialgeneral: Ein Kriegsverbrecher als „Lö…
> Die „FAZ“ würdigt einen deutschen Kolonialgeneral, der in Afrika an einem
> Genozid beteiligt war. Dafür wird sie in den sozialen Medien kritisiert.
Bild: Paul von Lettow-Vorbeck wurde lange als Kolonialheld verehrt
Eine ganze Seite widmet die Frankfurter Allgemeine Zeitung dem
Kolonialgeneral Paul von Lettow-Vorbeck am Montag [1][unter dem Titel „Der
Löwe von Afrika“]. Der Artikel von Robert Focken würdigt Lettow-Vorbeck,
der vor 100 Jahren unter Jubel als einziger unbesiegter deutscher General
im Ersten Weltkrieg in Berlin empfangen wurde, für seine „in der
angelsächsischen Welt unvergessenen militärischen Leistungen“.
Euphemistisch ist die Rede von der deutschen Kolonialtruppe als
„Schutztruppe“, die seit 1914 „für die Sicherheit des Schutzgebietes
Deutsch-Ostafrikas verantwortlich gewesen war“.
Diese Verharmlosung der deutschen Kolonialherrschaft und des Generals zieht
sich durch den ganzen Artikel, sie zeigt sich etwa in Sätzen wie
„Lettow-Vorbeck liebte, was er tat – aufzuhören war keine Option“, oder …
der Darstellung des Generals als passionierter Jäger mit Sinn fürs
Praktische und Interesse für jedes Detail. Der Generalstab der US-Armee
habe in einer Studie von 2001 das strategische Vorgehen der Kolonialtruppe
untersucht, heißt es weiter, und der Autor schließt daraus, dass die
Strategie des Generals heute noch aktuell sei.
Eine solch unkritische Auseinandersetzung mit Lettow-Vorbeck wirkt wie aus
der Zeit gefallen, denn in der geschichtswissenschaftlichen Forschung wurde
der Mythos des Kolonialhelden längst einer kritischen Revision unterzogen.
## Symbolfigur des deutschen Kolonialrevisionismus
Wer war Paul von Lettow-Vorbeck? Geboren 1870 in Saarlouis, ließ der
General keinen Schauplatz kolonialer Gewalt aus: 1900 und im
darauffolgenden Jahr nahm er an der Niederschlagung des Boxeraufstands in
China teil, 1904 meldete er sich freiwillig für den Krieg in der damaligen
Kolonie Deutsch-Südwestafrika. Dort beteiligte er sich als Adjutant von
General Lothar von Trotha bis 1906 am Völkermord an den Herero und Nama,
bei dem schätzungsweise 90.000 Menschen starben. Er befürwortete den
Vernichtungsbefehl Lothar von Trothas und dessen Kriegsstrategie explizit
und verteidigte sie noch 1957 in seinen Memoiren.
Im Artikel der FAZ wird das nur nebenbei erwähnt, um darauf hinzuweisen,
dass die Guerilla-Taktik der Herero und der Nama das strategische Denken
Lettow-Vorbecks geprägt habe.
Bekannt wurde der Kolonialgeneral jedoch vor allem für seine eigenmächtige
Kriegsführung in der damaligen Kolonie Deutsch-Ostafrika im Ersten
Weltkrieg. Wurde Lettow-Vorbeck in der Weimarer Republik zum Kolonialhelden
stilisiert und zum Symbol des deutschen Kolonialrevisionismus, so schätzt
die geschichtswissenschaftliche Forschung den General heute kritisch ein
und ist sich einig, dass der Krieg verheerende Folgen für die dort lebende
Zivilbevölkerung hatte.
„Lettow-Vorbecks Kleinkrieg fielen bis zu 700.000 ostafrikanische Männer,
Frauen und Kinder zum Opfer, weite Teile des Landes wurden zerstört“,
schreibt der Lettow-Vorbeck-Biograf Uwe Schulte-Varendorff. Die Historiker
Jürgen Zimmerer und Joachim Zeller bezeichnen den Krieg als „gänzlich
sinnlos“, Schulte-Varendorff stellt zudem zahlreiche Verletzungen des
Kriegs- und Völkerrechts durch deutsche Kolonialtruppen fest.
## Er schreibt aus der Täterperspektive
Dem Autor des Artikels in der FAZ ist das nur eine Randnotiz wert. Deutsche
Biografen, schreibt er, „fremdeln zumeist mit Lettow-Vorbeck und ‚seinem‘
Krieg. (…) Sie wollen aus der Opferperspektive schreiben.“ Er selbst
schreibt lieber aus der Täterperspektive. Lettow-Vorbecks „Härte, die
nichts auf Herkunft, Hautfarbe oder Standesunterschiede gab“ sei der Grund
gewesen, dass der General auch unter den Askari, schwarzen Söldnern, die an
der Seite der deutschen Kolonialtruppen kämpften, populär gewesen sei.
Das erinnert an Lettow-Vorbecks Beerdigung unter militärischen Ehren 1964.
Der damalige Bundesverteidigungsminister Kai-Uwe von Hassel (CDU) rühmte
bei diesem Anlass den General als Meister in der „Kunst der
Menschenführung“. Mehrere Kasernen wurden nach Lettow-Vorbeck benannt, noch
heute tragen Straßen in einigen deutschen Städten seinen Namen. Erst in den
vergangenen Jahren wurde am Heldenstatus des Kolonialgenerals gekratzt.
In Hannover wurde die Lettow-Vorbeck-Allee 2013 unter Protest der Anwohner
in Namibia-Allee umbenannt. Die Stadt hatte ein Gutachten des Historikers
Helmut Bley in Auftrag gegeben, der dem Kolonialgeneral „eine völlig
amoralische Position gegenüber Menschenrechten und Menschenwürde sowie ein
radikal gestörtes Verhältnis zur Politik im Interesse des Primats des
Militärischen“ attestierte. Lettow-Vorbeck habe Kriegs- und Standgerichte
zur „Verletzung aller Normen des Rechts“ genutzt, Menschengruppen in die
Wüste getrieben, Menschen aufhängen und Dörfer verbrennen lassen, heißt es
in dem Gutachten.
So wie die Straßennamen noch heute einen General ehren, der
Kriegsverbrechen begangen hat, so setzt der „FAZ“-Beitrag „Der Löwe von
Afrika“ ihm ein journalistisches Denkmal – und erntet dafür harsche Kritik
in den sozialen Medien. „Die aktuelle #Hagiographie zu #Lettow-Vorbeck! Der
Preis für die kolonial-militaristische, lückenhafte Geschichtsklitterung
2019 geht an die @FAZ_NET“, schreibt der Kolonialhistoriker [2][Jürgen
Zimmerer auf Twitter]. Die Historikerin Birte Förster twittert: „Hier
werden vollkommen unreflektiert koloniale Mythen über Lettow-Vorbeck und
sog. Askari fortgeschrieben.“ Die kritische Geschichtswissenschaft ist da
eigentlich schon viel weiter.
4 Mar 2019
## LINKS
[1] https://edition.faz.net//faz-edition/politik/2019-03-04/der-loewe-von-afrik…
[2] https://twitter.com/juergenzimmerer/status/1102300580670771202
## AUTOREN
Elisabeth Kimmerle
## TAGS
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