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# taz.de -- Aufklärung von sexueller Gewalt: Die Kirche bewegt sich – ein bi…
> Diese Woche trafen sich die katholischen Bischöfe, um über die
> Aufarbeitung sexueller Gewalt zu beraten. Die meisten Taten sind jedoch
> verjährt.
Bild: Beraten über Aufklärung sexueller Gewalt: Bischöfe
Freiburg taz | Die katholische Kirche war ein Hort krimineller Handlungen.
Doch die strafrechtliche Aufarbeitung ist nur noch bedingt möglich, vor
allem, weil die meisten Taten verjährt sind. Es gibt aber auch Vorwürfe,
dass die Kirche immer noch zu sehr geschont werde. Das Bistum Osnabrück
betont, es arbeite „eng“ mit der Staatsanwaltschaft zusammen.
Eine große Studie im Auftrag der Deutschen Bischofskonferenz ergab im
September 2018: Bei 38.156 untersuchten Priestern, Ordensbrüdern und
Vikaren hatte die Kirche bei 1.670 Klerikern Hinweise auf sexuellen
Missbrauch, ein Anteil von 4,4 Prozent. Nur in 38 Prozent der
Verdachtsfälle hat es laut Studie Strafanzeigen gegeben – am häufigsten
durch die Opfer, deutlich seltener durch die Kirche. Nur in 34 Prozent der
Fälle konnten interne kirchliche Maßnahmen gegen die Beschuldigten
festgestellt werden, im Schnitt 22 Jahre nach der Tat.
Die kirchlichen Maßnahmen waren aber oft nicht sinnvoll, weil Täter nur in
eine andere Gemeinde versetzt wurden; dort konnten sie neuen Missbrauch
begehen, da häufig niemand gewarnt wurde.
Die Studie führte nicht unmittelbar zu Maßnahmen der Strafverfolgung, denn
die erfassten Fälle blieben namenlos. Die Forscher durften die Akten und
Archive der Bistümer nicht selbst auswerten, sondern erhielten die Daten in
anonymer Form.
## Professoren stellten Strafanzeige
Eine Gruppe von sechs Strafrechtsprofessoren, darunter der Hamburger
Reinhard Merkel, stellte daraufhin im Oktober 2018 Strafanzeige, jeweils am
Sitz der 27 katholischen Bistümer. Die Strafanzeigen wegen sexuellen
Missbrauchs richteten sich gegen „unbekannt“. Die Professoren wollten
erreichen, dass nun die kirchlichen Archive und Geheimarchive durchsucht
oder beschlagnahmt werden, um die noch ungesühnten Fälle aufzudecken.
Viele Taten seien noch nicht verjährt, argumentierten die Professoren, bei
sexuellem Missbrauch beträgt die Frist immerhin zehn Jahre. Kam es zu einer
oralen, vaginalen oder analen Penetration (was die Studie in rund 20
Prozent der Fälle feststellte), verlängert sich die Verjährungsfrist auf 20
Jahre.
Die von den Professoren erhofften Zwangsmaßnahmen gegen die Kirche blieben
aber aus. Manche Staatsanwaltschaften warfen den Strafrechtsexperten sogar
umgekehrt mangelndes rechtsstaatliches Denken vor. Eine Durchsuchung setze
einen konkreten Anfangsverdacht voraus, sie könne nicht dazu dienen, erst
die Tatsachen zu ermitteln, aus denen sich der Anfangsverdacht auf konkrete
Taten ergibt, heißt es etwa in einer Mitteilung der
Generalstaatsanwaltschaft Koblenz.
Beim Bistum Osnabrück meldete sich bald nach der Strafanzeige die örtliche
Staatsanwaltschaft, wie sich Bistums-Justiziar Ludger Wiemker erinnert. Die
Ermittler baten um Angaben zu 35 Osnabrücker Fällen, die in die Studie
eingeflossen waren. Wiemker lieferte die Namen der Beschuldigten, verbunden
mit einigen grundlegenden Angaben. Allerdings waren viele Beschuldigte
bereits verstorben, drei waren sogar strafrechtlich verurteilt worden, in
anderen Fällen hatte die Staatsanwaltschaft Ermittlungen geführt, aber
wieder eingestellt.
## Jeder Verdacht muss gemeldet werden
Im nächsten Schritt bat die Staatsanwaltschaft um vertiefte Informationen
zu sieben Fällen, die ihr noch unbekannt waren. Das Bistum lieferte hier
nun umfassende Unterlagen, etwa die Protokolle von Gesprächen mit den
Beteiligten. Allerdings handelte es sich hierbei um Fälle, die die Kirche
nicht für strafbar hielt, so Wiemker, und die zudem wohl oft auch schon
verjährt waren.
Für die Kirche wäre es riskant, Fälle zurückzuhalten, die noch strafbar
sind. Schließlich leben dann in der Regel auch die Opfer noch und könnten
jederzeit selbst eine Strafanzeige stellen und/oder an die Öffentlichkeit
gehen.
Die Leitlinien der Bischofskonferenz zum Umgang mit sexuellem Missbrauch
sehen vor, dass jeder Verdacht der Staatsanwaltschaft gemeldet wird – außer
das Opfer lehnt dies ab. Ein entgegenstehender Wille des Opfers soll aber
ignoriert werden, wenn „weitere Gefährdungen zu befürchten“ sind.
„Wegen dieser Rückausnahme werden letztlich doch alle Verdachtsfälle
angezeigt“, erläutert Bistumsjustiziar Wiemker. Im Jahr 2018 gab es im
Bistum Osnabrück zwei Verdachtsfälle. Beide wurden mit Zustimmung der Opfer
der Staatsanwaltschaft gemeldet.
Wenn Sie mehr über den Umgang der katholischen Kirche im Norden mit
sexuellem Missbrauch lesen möchten, schauen Sie in den aktuellen
Wochenendschwerpunkt der taz nord oder am [1][E-Kiosk] vorbei.
15 Mar 2019
## LINKS
[1] /e-kiosk/!114771/
## AUTOREN
Christian Rath
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sexueller Missbrauch
Katholische Kirche
Deutsche Bischofskonferenz
Strafverfolgung
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