# taz.de -- Bestechungsskandal um Konzertkarten: Stones beschweren Hamburgs SPD | |
> Sechs Anklagen und 42 Ermittlungsverfahren: Das ist die aktuelle Bilanz | |
> in der Affäre um Rolling-Stones-Tickets. Die weiter sich immer mehr aus. | |
Bild: Wer Karten genommen hat, bekommt ein Problem. Meistens ist es jemand mit … | |
Hamburg taz | Die Zeitbombe tickt. Mitten in den angehenden | |
Bürgerschaftswahlkampf rollt die juristische Aufarbeitung der Affäre um 100 | |
Frei- und 300 Kaufkarten für ein Rolling-Stones-Konzert im Hamburger | |
Stadtpark im September 2017. Diese bekam der inzwischen pensionierte Chef | |
des Bezirksamts Nord, Harald Rösler (SPD), vom Konzertveranstalter FKP | |
Scorpio und verteilte sie an Amtsbedienstete, Bezirksabgeordnete und die | |
ChefInnen öffentlicher Unternehmen. Es geht um Delikte wie Bestechung, | |
Bestechlichkeit, Vorteilsannahme und sogar um die Verleitung zu Straftaten | |
im Amt. | |
Am Montag erhob die Hamburger Staatsanwaltschaft die sechste Anklage im | |
Stones-Komplex. Angeklagt wird abermals ein Mitarbeiter des Bezirksamts; | |
der vierte bereits. 42 weitere Ermittlungsverfahren laufen zusätzlich und | |
fast täglich werden es mehr. Brisant dabei: Im Fokus der Ermittlungen | |
stehen viele Funktionäre mit SPD-Parteibuch. Neben Bezirksamtsleiter Rösler | |
und seiner designierten Nachfolgerin Yvonne Nische (SPD) sind auch drei | |
Staatsräte des SPD-geführten Senats betroffen. | |
Die angeklagte Ex-Finanzstaatsrätin Elke Badde (SPD), musste bereits ihren | |
Hut nehmen und Nische trat aufgrund der gegen sie erhobenen Anklage die | |
Rösler-Nachfolge nicht an, obwohl ihre Visitenkarten bereits gedruckt | |
waren. Gegen Verkehrsstaatsrat Andreas Rieckhof (SPD) und | |
Stadtentwicklungs-Staatsrat Matthias Kock (parteilos) wird wegen | |
Vorteilsannahme ermittelt, weil sie aus dem Kaufkartenkontingent bedient | |
worden sein sollen, als auf dem Markt keine Karten mehr zu haben waren. | |
Schon jetzt ist der Flurschaden für die SPD gewaltig. | |
Doch wenn spätestens im Herbst die Strafverfahren vor Gericht eröffnet | |
werden, dürften bis zur Bürgerschaftswahl im Februar 2020 immer neue | |
unappetitliche Details der Affäre öffentlich werden. Derzeit schweigen sich | |
alle Beteiligten mit Verweis „auf das laufende Verfahren“ aus. | |
Im Kern geht es um zwei Komplexe: Zum einen um die Frage, ob Rösler die | |
insgesamt 400 Karten von der Eventim-Tochter Scorpio als Gegenleistung für | |
die Genehmigung des Mammut-Konzerts verlangt hat, die nur mithilfe | |
zahlreicher Ausnahmeregelungen möglich war. Darauf hat nach taz-Recherchen | |
die Staatsanwaltschaft zahlreiche Hinweise. Hätte die Konzertgenehmigung | |
von dem Ticket-Geschenkpaket abgehangen, dürften die Tatbestände Bestechung | |
und Bestechlichkeit erfüllt sein. | |
Zudem prüft die Anklagebehörde, ob die ausgehandelte Platzmiete – rund | |
200.000 bis 250.000 Euro – die nach den gängigen Regularien hätte deutlich | |
höher sein müssen, so niedrig ausfiel, weil Scorpio dem Bezirksamt so | |
üppige Karten-Kontingente spendierte. Auch gegen zwei Scorpio-Mitarbeiter | |
wird ermittelt. Kurios: Der endgültige Vertrag zwischen Scorpio und dem Amt | |
wurde erst am 5. September 2017 geschlossen, genau vier Tage vor dem | |
Konzert. | |
## 100 Freikarten, davon die meisten für Behördenmitarbeiter | |
Auch gegen fünf Bosse öffentlicher oder halböffentlicher Unternehmen | |
ermittelt die Anklagebehörde wegen Vorteilsannahme. Gegen den sechsten, | |
den Chef der Hamburger Friedhöfe, Carsten Helberg, wurde das Verfahren | |
gegen Zahlung einer Geldbuße von 5.000 Euro bereits eingestellt. Ebenso die | |
Verfahren gegen Bezirksamts-Mitarbeiterinnen, meist wegen Geringfügigkeit | |
der Schuld. Noch immer aber wird – neben den fünf Anklagen – gegen 33 | |
weitere MitarbeiterInnen des Bezirksamts Nord ermittelt. | |
Die meisten der 100 Freikarten gingen an Behördenbedienstete, eine Handvoll | |
aber auch an Bezirksabgeordnete der SPD und dem Vernehmen nach auch der | |
CDU. Sogar eine Linke bekam Karten, die sie aber an ehrenamtliche Helfer | |
weitergeleitet haben will. Gegen den ersten Abgeordneten ermittelt die | |
Staatsanwaltschaft nun offiziell, weitere Ermittlungsverfahren könnten bald | |
folgen. | |
Für die SPD und Bürgermeister Peter Tschentscher könnte die Affäre die | |
Wahlaussichten mächtig drücken. Die entlassene Staatsrätin Badde war die | |
direkte Untergebene des früheren Finanzsenators Tschentscher. Wird auch | |
SPD-Staatsrat Rieckhof angeklagt, droht ein Desaster. Die CDU hält sich in | |
ihrer Kritik noch etwas zurück, da auch gegen den früheren | |
Vize-Bezirksamtschef Tom Oelrichs – ein CDU-Mitglied – Anklage erhoben | |
wurde und im Raum steht, dass auch CDU-Abgeordnete des Bezirks Karten | |
angenommen haben. | |
Die Grünen haben intern schon mögliche Verwicklungen in die Affäre | |
untersucht, scheinen aber an keiner Stelle involviert zu sein. Doch ihnen | |
ist an einer weiteren Schwächung des ohnehin nervösen Koalitionspartners | |
nicht gelegen. So profitiert die SPD noch davon, dass außer der FDP noch | |
niemand so richtig angreifen mag. Das aber dürfte sich ändern, wenn die | |
Prozesse begonnen haben – und die heiße Wahlkampfphase. | |
13 Mar 2019 | |
## AUTOREN | |
Marco Carini | |
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