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# taz.de -- Sky-Eigenproduktion „8 Tage“: Endzeitporno in acht Teilen
> In der Sky-Serie „8 Tage“ droht der Weltuntergang – inklusive
> Kettensägenmassaker und Kreuzigung. Zu Ende gedacht ist da nichts.
Bild: Schon geil: Beim Weltuntergang im Auto sitzen
„Das Planetary Defense Coordination Office musste heute in den frühen
Morgenstunden einräumen, dass die Raketenmission entgegen aller
Berechnungen gescheitert ist. […] Die Flüchtlingsströme reißen nicht ab.
Der Asteroid Horus ist weiterhin auf Kollisionskurs mit der E …“ tönt es
aus dem Autoradio.
„Armageddon“ und „Deep Impact“ waren gestern. Damals, 1998, als man sich
auf die US-Amerikaner – und ihre Fähigkeit Asteroiden abzulenken – noch
verlassen konnte. Jetzt rast Horus auf den Planeten zu und soll in
Frankreich auf die Erde niedergehen, weshalb sich die vierköpfige
Musterfamilie auf den Weg gen Osten macht – nicht ohne einer fiesen
Schlepperfamilie eine Riesentüte nun wertloser Euroscheine zu übergeben.
Raus aus Europa: Die Umkehr der Flüchtlingsbewegung ist eine interessante
Fiktion. Hier bleibt sie jedoch ein kurz angetipptes Motiv, das sich bald
erledigt hat, wenn klar wird, dass der Asteroid doch wohl eher in
Kasachstan einschlagen wird.
Und zwar in genau acht Tagen – daher der Titel der achtteiligen Serie („8
Tage“), die, mal wieder, in Berlin spielt. Nach Polen geht es für die
Protagonisten nur kurz, damit die Mutter (Christiane Paul) eine Frau und
ihren Sohn mit der Schrotflinte erschießen und der Vater (Mark Waschke)
einen Mann mit dem Laster überfahren kann, nachdem er zuvor über
Kofferberge am Bahnhof gestiegen ist, die kaum eine andere Assoziation
zulassen als Auschwitz. Später in der Serie folgen Kettensägenmassaker (mit
Darm) und Kreuzigung (des Erlösers). Nichts weniger als die Antithese zu
Lars von Triers reduzierter Weltuntergangs-Reflexion „Melancholia“ scheinen
die Macher im Sinn gehabt zu haben. Feinsinnig oder zu Ende gedacht ist
hier nichts.
## Acht Tage können verdammt lang werden
Da steht der Offizier vor den Polizisten: „Ich möchte Sie nochmal daran
erinnern, dass Sie ab heute der Bundeswehr unterstellt sind! Das heißt,
Desertieren ist ein Kapitalverbrechen!“ Wer da im Ausnahmefall eines
Einsatzes der Bundeswehr im Innern nochmal wem unterstellt ist: Ach, hätten
die Filmleute bloß einen Blick in die Artikel 35 und 87a des Grundgesetzes
geworfen!
Sie gehen stattdessen davon aus, dass nach dem Versagen der Amerikaner –
und nachdem die korrupte Bundesregierung nur einen Bruchteil der geplanten
und zur Verlosung vorgesehenen 15 Millionen Bunkerplätze gebaut hat –
ohnehin nur noch das Recht des Stärkeren gilt. In den Worten eines der
Serienpolizisten (Murathan Muslu): „Wenn wir uns alle wie Tiere benehmen,
können acht Tage verdammt lang werden.“
Das denkt sich auch der Zuschauer, wenn er sich das tierische Treiben acht
Folgen lang anguckt. So viel Geld [1][wie für „Babylon Berlin“] hatte Sky
(ohne die Hilfe der ARD) für diese Eigenproduktion augenscheinlich nicht
zur Verfügung – und einiges davon ging vermutlich für die Anzeigenkampagne
auf den Titelseiten mehrerer Boulevardzeitungen drauf: Gestapelte
Einkaufswagen und ein bisschen Müll auf den Straßen müssen für das
Endzeit-Setting genügen. Mal tobt auf ihnen der Mob, mal sind sie
menschenleer bis auf die Hauptfiguren, die durch sie hindurchgescheucht
werden wie die weißen Mäuse einer Versuchsanordnung.
Nach Andreas Prochaska für [2][die „Boot“-Fortsetzung] setzt Sky in seiner
neuesten Eigenproduktion mit dem „Oscar“-Preisträger Stefan Rutzowitzky
erneut auf einen österreichischen Regisseur (neben dem Schweizer Michael
Krummenacher). Apropos „Das Boot“: Wolfgang Petersens „Smog“ aus dem Ja…
1973 gilt längst als wichtiges Stück Zeitgeschichte. Das ignorante,
überforderte, zynische Katastrophenmanagement war bei ihm gut recherchiert.
Die Urheber von „8 Tage“ finden das von ihnen angerichtete – maßlose –
Elend augenscheinlich vor allem: geil. Die schwelgerische Schlussszene
beseitigt diesbezüglich den letzten Zweifel. Ihr Endzeitpanorama ist nicht
viel mehr als ein Endzeitporno.
3 Mar 2019
## LINKS
[1] /ARD-Serie-Babylon-Berlin/!5536299
[2] /TV-Serie-Das-Boot/!5548888
## AUTOREN
Jens Müller
## TAGS
Sky
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Serie
TV-Serien
Streaming
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