# taz.de -- Hanadi Chawaf über feministische Tattoos: „Es kommt darauf an, w… | |
> Zum Frauentag veranstaltet Hanadi Chawaf in der Kampnagel-Fabrik Hamburgs | |
> erste feministisch-antirassistische Tattoo-Convention. | |
Bild: Hanadi Chawaf in ihrem Tatoo-Laden „Hanadi's Garage“ im Hamburger Sch… | |
taz: Frau Chawaf, wieso braucht es eine feministisch-antirassistische | |
Tattoo-Convention? | |
Hanadi Chawaf: Die meisten Conventions werden von Männern für Männer | |
gemacht. Ein paar Frauen sind schön dabei zu haben. Die Convention bucht | |
Frauen als Tattoo-Models, die halbnackt durch die Hallen laufen. Klar, es | |
geht um die Darstellung des Körpers. Aber da laufen Frauen mit einem Tattoo | |
am Arm und einem am Bein rum und haben nur einen Bikini an, weil sie eben | |
schön auszusehen haben. | |
Aber Männer zeigen dort doch auch ihre Haut. | |
Wenn ein Mann sich auszieht, dann nicht für ein Tattoo am Oberarm, sondern | |
weil sein ganzer Oberkörper tätowiert ist und er seine Tattoos und Muskeln | |
zeigen will. Ich habe mich immer wieder gefragt: Muss das sein? Ich will | |
Conventions nicht schlecht machen. Es ist toll, sich mit anderen Künstlern | |
auszutauschen. Aber viele Conventions haben einfach ein unangenehmes Flair. | |
Und wieso antirassistisch? | |
Es gibt auch Tattoo-Conventions, die von Rassismus geprägt sind. Aber viel | |
wichtiger ist mir einfach, Widerstand zu zeigen. Alle reden über Nazis und | |
die AfD – wir wollen zeigen, dass es auch noch die andere Seite gibt, dass | |
es auch Offenheit in unserer Gesellschaft gibt. | |
Und bei „Ink About It!“ tätowieren nur Frauen? | |
Ich war seit drei, vier Jahren auf keiner Convention und habe den Austausch | |
vermisst. Ich habe mir das als coole Aktion am Frauentag vorgestellt, eine | |
feministische Convention. Meine Kolleginnen aus Hamburg, Berlin, Den Haag | |
und Leipzig fanden die Idee gut. Wenn das irgendwann größer wird, können | |
sicher auch Jungs mitmachen. Schließlich gibt es auch Männer, die sich auf | |
einer typischen Tattoo-Convention nicht wohlfühlen. Die wollen wir nicht | |
ausgrenzen. | |
Was bedeutet Feminismus für Sie? | |
Ich bin eine starke, emanzipierte Frau, also bin ich Feministin. Aber ich | |
bin keine, die schnell beleidigt wird, und versuche, alle so zu | |
akzeptieren, wie sie sind. Ich bin keine Kampffeministin und möchte mich | |
nicht mit Menschen streiten – in erster Linie mache ich das für mich | |
selbst. Und dieses Wort wird oft komisch aufgenommen. Aber eigentlich | |
müssten wir alle Feministinnen sein, wenn wir ein bisschen an uns selbst | |
denken. | |
Sie stechen am Wochenende feministisch-antirassistische Tattoos. Wie sieht | |
so ein Motiv aus? | |
Das ist nicht genau festgelegt. Wir sind sieben Frauen, alle von uns sind | |
künstlerisch begabt. Würden wir uns auf „feministische“ Symbole einigen, | |
hätten wir nur sechs, sieben Symbole. Es muss kein zerschlagenes | |
Nazi-Symbol sein, das wäre zu klein gedacht. Wir machen unsere Kunst – und | |
weil wir sie frei machen können, wird es feministisch und antirassistisch. | |
Also kommen alle Motive in Frage? | |
Blumen, Frauenköpfe … Das liegt auch im Auge der Künstler*innen, man kann | |
vieles als feministisch interpretieren. Tiere vielleicht weniger. Wobei ich | |
ein antirassistisches Tiermotiv habe: einen pinkelnden Hund. Auch ohne, | |
dass er auf ein Hakenkreuz pinkelt, zeigt das „Attitude“. | |
Welche typischen Tattoos sind denn sexistisch oder rassistisch? | |
Ein traditionelles Symbol ist das Tattoo der nackten Frau. Ich finde das | |
kann, je nachdem, wie es gezeichnet ist, auch einfach die Schönheit der | |
Frau zelebrieren. Wenn es „Oldschool“, also simpel, vielleicht ein bisschen | |
spielerisch ist, finde ich das schön. Wenn eine nackte Frau realistischer | |
gezeichnet ist, finde ich das irgendwie sexistisch. Andererseits muss man | |
der Kunst auch ihre Freiheit lassen – das sehen andere vielleicht extremer. | |
Wann hatten Sie ihr erstes Tattoo? | |
Ich wollte schon als Kind ein Tattoo, aber in Syrien war das nicht angesagt | |
– als Frau sowieso nicht. Als ich zum Studium in die USA gegangen bin, | |
wusste ich: „Ich tätowiere mich jetzt!“ Mit 26 hatte ich mein erstes | |
Tattoo. In Syrien macht man den Kindern Angst, indem man ihnen erzählt, | |
dass man in die Hölle geht, wenn man sich tätowieren lässt. Mein erstes | |
Tattoo war meine große Rebellion: Eine Fledermaus mit dem Schriftzug | |
„Straight to Hell“, also: „Direkt in die Hölle“. | |
Und seit wann tätowieren Sie selbst? | |
Nach dem Kunststudium in Baltimore bin ich nach Los Angeles gezogen und in | |
die Werbebranche gegangen. Weil ich nicht immer mit Computern arbeiten, | |
sondern lieber zeichnen wollte, habe ich nebenbei in Tattoo-Studios | |
rumgehangen und mich ausprobiert. In Hamburg habe ich zunächst als | |
Designerin gearbeitet, mich dann aber vor acht oder neun Jahren als | |
Tattoo-Künstlerin selbstständig gemacht. | |
Was hat es mit der Frau mit Kopftuch auf sich, die Sie immer wieder | |
zeichnen? | |
Das ist mein Charakter, den zeichne ich mittlerweile seit über 25 Jahren. | |
Der verbindet meine Herkunft mit dem, was ich jetzt lebe. Er symbolisiert | |
die Mischung aus Kulturen, die ich so mag. Er hat immer etwas Westliches – | |
die Meerjungfrau, zum Beispiel, die wiederum das Kopftuch – also etwas | |
Orientalisches – trägt. | |
Sie selbst tragen kein Kopftuch. | |
Das Kopftuch steht für meine Herkunft. Bei meiner Figur schauen Haare aus | |
dem Kopftuch, obwohl man eigentlich keine Haare zeigen darf. Sie ist locker | |
drauf. Ich musste nie ein Kopftuch tragen. Wir durften machen, was wir | |
wollten – nur tätowieren durfte ich mich nicht. | |
Wäre diese Figur ein feministisch-antirassistisches Motiv? | |
Das kommt darauf an, wie ich sie zeichne. Manchmal finde ich die | |
Zeichnungen traurig, weil sie darin gefangen ist: Sie muss funktionieren, | |
kochen, eine gute Mutter und eine gute Frau sein. Das möchte ich eigentlich | |
nicht tätowieren. Menschen sollen ihre Tattoos sehen und denken „Ich mach | |
jetzt was!“ Positivere Bilder von dieser Figur habe ich aber schon drei | |
Menschen gestochen. Und bei der Convention kommt eine vierte dazu: Eine | |
Freundin aus dem Iran, die schon als Kind nach Deutschland gekommen ist. | |
Sie musste dort immer Kopftuch tragen, lebt aber hier viel freier. Wir | |
haben ähnliche Kulturen und Ähnliches erlebt. Ich freue mich sehr darauf, | |
ihr ein Tattoo zu stechen – auch noch am Frauentag! | |
7 Mar 2019 | |
## AUTOREN | |
Carlotta Hartmann | |
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