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# taz.de -- Toilette für Trans*- und Intermenschen: Die dritte Klo-Option
> In Bayern soll es in einigen Schulen neben Toiletten für Jungen und
> Mädchen welche für ein drittes Geschlecht geben. Das Konzept ist
> umstritten.
Bild: Lieber Unisex-Toiletten für alle oder ein drittes Klo?
„Man muss ja in die Zukunft denken“, sagt Andrea Lehner. Sie ist
Schulbauberaterin und hat der bayerischen Gemeinde Pullach vorgeschlagen,
in der Grund- und Mittelschule, die neu gebaut werden soll, Toiletten für
Kinder des dritten Geschlechts einzubauen. Für Lehner ist das
selbstverständlich. Bis das neue Schulgebäude steht, dauere es noch
mindestens sechs Jahre. Und dann „wird es Kinder geben, die sich stolz mit
dem dritten Geschlecht identifizieren werden“, sagt sie. „Und für diese
Kinder brauchen wir selbstverständlich Toiletten.“
Damit hat Lehner eine Debatte ausgelöst. Nach ersten Medienberichten
schrieb die AfD Bayern auf Facebook, die „Transsexualisierung“ gehe in die
nächste Runde: „Eifrige Trans-Aktivisten beginnen nun, einen Kampf um die
Toiletten zu führen, als gäbe es dort ein gravierendes Problem
geschlechtsspezifischer Unterdrückung.“ Auch ein Psychologe äußert sich
kritisch: Der Münchner Kinderpsychologe Klaus Neumann sagte der dpa, ihm
seien keine ernstzunehmenden Untersuchungen oder Studien bekannt, die
nachweisen, dass sich bereits Grundschulkinder der
Geschlechterdifferenzierung bewusst sind.
In Bayern schlug Andrea Lehner die dritte Toilette vor, weil der Bundestag
Ende 2018 ein Gesetz verabschiedete, [1][das ein drittes Geschlecht
anerkennt.] Eltern können ihr neugeborenes Kind auf dem Standesamt als
„divers“ eintragen lassen, wenn es weder dem männlichen noch dem weiblichen
Geschlecht zugeordnet werden kann.
## Bauliche Lösung für diverse Kinder soll kommen
„In Pullach sind wir aufgeschlossen“, sagt Swantje Schütz, Sprecherin der
Stadt Pullach, „aber wie genau wir für das dritte Geschlecht eine Toilette
umsetzen, ist noch völlig unklar.“ Eine bauliche Lösung für diverse Kinder
soll kommen, so hat es das Beratergremium zur Erstellung eines
Schulraumkonzepts, das Andrea Lehner leitet, vorgeschlagen. In dem Papier
heißt es: „Schüler- und Lehrertoiletten, Behindertentoilette,
Einzeltoilette für das 3. Geschlecht“.
Dieser Abschnitt, in dem die dritte Toilette erwähnt werde, sei aber nur
ein Detail des ausführlichen Konzepts, betont Sprecherin Schütz. Das
Konzept sei Ende Januar vom Gemeinderat in Pullach einstimmig beschlossen
worden. Nun werde eine Machbarkeitsstudie für den Neubau in Auftrag
gegeben. „Die Architekt*innen müssen vorschlagen, wie die Toiletten genau
angelegt werden“, sagt Lehner. Ob es eine Unisex-Toilette für alle oder
eine gesonderte dritte Toilette nur für diverse Kinder geben wird, sei also
noch offen. Unterdessen planen [2][laut eines Berichts des Münchner Merkur]
auch die Gemeinden Taufkirchen und Garching in neu gebauten Schulen
Toilettenlösungen für diverse Kinder.
Dass Toiletten ein Ort sind, an dem sie diskriminiert werden, berichten
Trans- und Interpersonen immer wieder. So auch in einer Studie, die die
Bundesvereinigung Trans* im Januar veröffentlicht hat. Dafür wurden mehr
als 1.500 Menschen, die sich als Trans oder nicht-binär identifizieren,
befragt. Demnach erlebt fast die Hälfte der Teilnehmenden
geschlechtergetrennte Toiletten als diskriminierend. Jede Dritte befragte
Person sagt das über getrennte Umkleidekabinen.
## Welche Lösung ist die beste?
„In der Schule gibt es für Trans- und Inter-Schüler*innen überall dort
schwierige Situationen, wo nach zwei Geschlechtern getrennt wird, zum
Beispiel im Schwimmunterricht, im Sportunterricht und in Umkleidekabinen“,
sagt Elena Kuhley. Als Projektleiterin des Vereins ABqueer berät sie
Lehrer*innen in Weiterbildungen zu sexueller und geschlechtlicher Vielfalt.
Outen sich Schüler*innen als Trans oder Inter, seien Schulen manchmal
überfordert: Darf das Transmädchen, das vorher in der Jungsumkleide war,
nun zu den Mädchen? Solche Fragen würden oft am Einzelfall entschieden,
einheitliche Regelungen fehlten, sagt Kuhley.
Strittig ist, welche räumliche Toilettenlösung die Beste ist. Einerseits
wäre die dritte Toilette für diverse Kinder möglich, andererseits eine
Unisex-Toilette, auf die alle Kinder gehen könnten. „Grundsätzlich ist
alles, was die Sichtbarkeit erhöht und Schutzräume schafft, gut“, sagt
Caroline Ausserer, Sprecherin der Bundesvereinigung Trans*. Schüler*innen
sollten sich darüber bewusst werden, dass es nicht nur männlich und
weiblich gibt. Damit könne man nie früh genug anfangen.
„Es muss Menschen möglich sein, auf die Toilette zu gehen, ohne sich auf
den üblichen WCs erst erklären zu müssen“, sagt Stefanie Klement,
Vorsitzende des Vereins Intersexuelle Menschen. Sie begrüßt den Vorschlag
für eine dritte Toilette. Elena Kuhley von ABqueer findet, man müsse alle
Beteiligten sensibilisieren: „Schulen sollten sich nicht auf die ein, zwei
Personen fokussieren, die sich als Trans und Inter geoutet haben, sondern
lieber alle Schüler*innen aufklären“, sagt. So schaffe man Verständnis für
die Bedürfnisse der geouteten Schüler*innen.
Das Hainberg-Gymnasium in Göttingen hat sich dafür entschieden,
Unisex-Toiletten einzuführen. „Im vergangenen Jahr haben wir gemerkt, dass
einige Schüler*innen das Bedürfnis danach haben“, sagt Schülersprecher
Linus Steinmetz. Der Schülerrat regte daher an, Unisex-Toiletten
einzurichten. Zwei Anlagen, die bislang für Mädchen und Jungen vorgesehen
waren, wurden umgebaut. Sie sind nur für eine Person gleichzeitig benutzbar
und können von innen abgeschlossen werden. Im September wurden die Räume
eröffnet.
„Die Atmosphäre an der Schule ist insgesamt toleranter als vorher“, sagt
Steinmetz. Das liege daran, dass seine Mitschüler*innen durch den
Toiletten-Umbau anfingen, über Geschlechterrollen zu diskutieren. Manche
hätten gefragt, wer denn auf diese Toilette gehen dürfe. „Dann habe ich
gesagt: Die dürfen alle benutzen. Auch ich als cis-Mann“, sagt Steinmetz.
Schulleiter Georg Bartelt ist zufrieden: „Von zwölf Toilettenanlagen im
Haus haben wir zwei Anlagen zu Unisex-Toiletten ausgebaut, das nimmt
niemandem etwas weg.“
## Politik reagiert verhalten
Trotz der guten Erfahrungen in Göttingen reagierten Politiker*innen auf den
Vorschlag zur dritten Toilette bislang verhalten. Selbst in Berlin, wo sich
die rot-rot-grüne Landesregierung der Förderung von Trans- und
Intermenschen an Schulen verpflichtet hat, verhallt der [3][Vorschlag für
eine dritte Toilette.] Sebastian Walter, Mitglied des Berliner
Abgeordnetenhauses und Sprecher der Grünen für Antidiskriminierungs- und
Queerpolitik, sagt, das Thema werde aus seiner Sicht symbolisch völlig
überladen.
Er plädiert für pragmatisches Vorgehen. „Die Frage ist doch: Braucht es so
was? Gibt es Bedarf?“, sagt er. Wenn Eltern und Kinder diesen Bedarf sähen,
könnten Schulen selbst entscheiden, eine solche Toilette einzurichten.
Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) und der Senator für
Antidiskriminierung, Dirk Behrendt (Grüne), wollten sich gegenüber der dpa
nicht äußern.
„Kinder sollten in der Schule unaufgeregt erfahren, dass es Frauen, Männer
und Menschen gibt, die sich nicht eindeutig einem dieser beiden
Geschlechter zugehörig fühlen“, sagt Karin Prien (CDU), Bildungsministerin
von Schleswig-Holstein. Sollte in einer Schule die Frage nach einer dritten
Toilette aufkommen, werde man dort mit dem Schulträger eine Lösung finden.
„Das kann im Einzelfall auch ein Unisex-Angebot sein“, sagte Prien.
26 Feb 2019
## LINKS
[1] /Trans/Inter-kritisieren-Gesetzentwurf/!5519003
[2] https://www.merkur.de/lokales/muenchen-lk/pullach-ort29321/pullach-bayern-t…
[3] /Unisex-Toiletten-in-Berlin-und-anderswo/!5520390
## AUTOREN
Markus Kowalski
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