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# taz.de -- Medien in der Türkei: Linke gucken Fox News
> Fox News gilt als stramm konservativ. Nicht so in der Türkei: Das
> türkische Fox TV ist der letzte große und unabhängige Kanal des Landes.
Bild: Bleibt: Anchorman Fatih Portakal
Istanbul taz | Wenn US-Präsident Donald Trump sich von der Kritik
„feindlicher Journalisten“ erholen will, schaltet er seinen Lieblingssender
Fox News ein. Hier bekommt er zu hören, was er hören will. Die meisten Fans
des US-Präsidenten schauen sowieso nichts anderes.
Auch bei den meisten anderen Sendern und Printmedien im weltweiten Imperium
des australischen Medienmoguls Rupert Murdoch kann man sicher sein, dass
sie ein stramm konservatives bis rechtsradikales Publikum bedienen.
Doch es gibt eine Ausnahme im Murdoch-Reich: Wenn in der Türkei ein linker
Intellektueller Nachrichten im Fernsehen schaut, kann man fast sicher sein,
dass er die türkische Ausgabe von Fox News eingeschaltet hat. Wenn sich ein
Sender in der Türkei überhaupt noch traut, einen kurdischen Politiker zu
einer Diskussionsrunde einzuladen, kann man sicher sein, dass es Fox TVist.
Und wenn in einem Mainstreamkanal die enormen Preiserhöhungen von
Lebensmitteln aufs Korn genommen werden, kann es wiederum nur Fox News
sein.
Die Regierung von Recep Tayyip Erdoğan wollte den Sender stoppen und ließ
über die Medienaufsicht ein dreitägiges Sendeverbot für den 4., 5. und 6.
Februar verhängen. Doch ein Gericht hob das Sendeverbot auf und Fox News
konnte seine Zuschauer auch an den vergangenen drei Tagen mit Infos über
explodierende Zwiebelpreise versorgen.
## Aufruf zu Gelbwesten-Protest
Als Murdoch 2006 für nur 96 Millionen Dollar den Sender kaufte, wurden dort
vor allem Seifenopern und Spielshows abgespult. Doch je mehr Fernsehsender
die Regierung unter ihre direkte Kontrolle zwang, umso mehr wuchs Fox News
in seine Rolle als letzter großer regierungsunabhängiger Fernsehkanal.
Das Gesicht dieses unabhängigen Programms ist Fatih Portakal, der Anchorman
für die Nachrichtenprogramme des Senders. Jeden Abend führt er sein
Publikum eine Stunde lang mit Mut, Verve und Witz durch das politische
Geschehen.
Manches Mal, wenn er die Regierung wieder einmal besonders pointiert
kritisierte, fürchtete seine zunehmend größer werdende Fangemeinde,
Portakal werde wie so viele kritische Journalisten vor ihm vom Bildschirm
verschwinden und als angeblicher „Terror-Propagandist“ vor Gericht
auftauchen. Doch Portakal blieb. Selbst einen direkten Angriff von Erdoğan
auf ihn persönlich hat er bislang überstanden.
Als die türkische Regierung sich im Dezember besonders heuchlerisch über
Polizeiübergriffe auf Gelbwesten-Demonstranten in Frankreich beklagte, rief
Portakal seine sechs Millionen Follower auf Twitter auf, in der Türkei dem
Beispiel der Gelbwesten zu folgen: „Los, lasst uns einen friedlichen
Protest machen gegen die Preissteigerungen, gegen die hohen Erdgaspreise.
(…) Wie viele Menschen werden sich wohl trauen, in der Türkei auf die
Straße zu gehen?“ Erdoğan griff Portakal daraufhin öffentlich an, die
Medienaufsichtsbehörde verhängte eine hohe Geldstrafe und das nun wieder
aufgehobene Sendeverbot.
## Regierung kontrolliert 90 Prozent aller TV-Kanäle
Dass der Murdoch-Mutterkonzern seine türkische Tochter gewähren lässt und
sogar hinnimmt, dass Portakal auch lautstark den amerikanischen
Imperialismus im Nahen Osten beklagt, hat einen guten Grund: Fox News ist
zum meistgesehenen und damit hochprofitablen Sender in der Türkei geworden.
Nach einer Studie, die die Nachrichtenagentur Reuters und die Universität
von Oxford durchgeführt haben, nennt jeder zweite türkische
Fernsehzuschauer Fox News als Hauptnachrichtenquelle. Wichtigstes Argument:
Fox News sei der letzte unabhängige Fernsehkanal in der Türkei.
Tatsächlich kontrolliert die Regierung direkt oder indirekt rund 90 Prozent
aller TV-Kanäle, seit im letzten Frühjahr auch der Doğan-Konzern gezwungen
wurde, seine Mediensparte mit dem Fernsehsender Kanal D und der Zeitung
Hürriyet an einen Erdoğan nahestehenden Geschäftsmann zu verkaufen.
Gerade jetzt vor den Kommunalwahlen im März, [1][bei denen die
Regierungspartei AKP die Metropolen Istanbul und Ankara verlieren könnte],
ist Fatih Portakal mit Fox News zur wichtigsten Stimme in der türkischen
Medienlandschaft geworden.
7 Feb 2019
## LINKS
[1] /Kommunalwahlen-in-der-Tuerkei/!5565688
## AUTOREN
Jürgen Gottschlich
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