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# taz.de -- Volkspolizei-Gefängnis in Berlin-Mitte: Spurensuche im DDR-Knast
> Das ehemalige Polizeigefängnis Keibelstraße wurde am Montag als Lernort
> eröffnet. SchülerInnen sollen lernen, wie verletzlich Demokratie ist.
Bild: Das Gefängnis Keibelstraße war die einzige Untersuchungshaftanstalt, in…
Plötzlich steht man im Gefängnis. Nichts an der hellen Fassade verrät, dass
sich hinter den vielen Bürotüren ein dunkler Gefängnisraum auf vier
Stockwerken auftut. Die bleigraue Farbe an den Innenwänden wirkt besonders
trostlos. Das war so gewollt. Filmteams überstrichen nach 1990 das einst
helle Wandgrün.
Die ehemalige DDR-Untersuchungshaftanstalt in der Keibelstraße wurde am
Montag von der Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) und dem Zeitzeugen
Michael Brack als Lernort für SchülerInnen ab der 9. Klasse eröffnet. Die
Jugendlichen sollen sich mittels Tablet auf Spurensuche begeben, erklärt
Birgit Marzinka, Leiterin des Trägers Agentur für Bildung.
In den Zellen stehen neben Waschbecken und kleinem Wandspiegel multimediale
Installationen. Dort können über Kopfhörer ZeitzeugInnenberichte angehört
und Kopien von Gefängniskarten oder Vernehmungsprotokollen gelesen werden.
Dokumentiert wird hier, mit welcher Härte die Volkspolizei gegen Punks,
Obdachlose oder Homosexuelle vorging. Auch SystemkritikerInnen und
erwischte Flüchtlinge mussten hinter den Holztüren mit Stahlriegeln auf
ihren Prozess warten. Das Gefängnis mit etwa 130 Zellen wurde nach 1951 in
Betrieb genommen. Es war die einzige U-Haftanstalt in Ostberlin, in der
auch Frauen inhaftiert wurden.
An dieser „Stätte der Erinnerung“ sollen „die SchülerInnen sich in die
Opfer hineinversetzen“ und spüren, „wie wichtig, aber auch verletzlich eine
demokratische Gesellschaft ist“, so die Senatorin. Der ehemals Inhaftierte
Brack betont: „Es gibt, neben anderen EU-Ländern, kein anderes Land wie das
heutige Deutschland, in dem man frei leben kann.“ Vor 50 Jahren war er für
drei Monate in der Keibelstraße inhaftiert. Aus Protest gegen den Einmarsch
in Prag 1968 schrieb er als 19-Jähriger nahe dem Ostkreuz „Freiheit für die
Tschechoslowakei“ an eine Wand. Das Vierteljahr Haft reichte, um in Brack
„Flashbacks und fast einen Herzkasper“ auszulösen, als er vor wenigen
Jahren das Gefängnis zum zweiten Mal betrat.
## Berichte von ZeitzeugInnen zu politisch
Im Vorfeld der Eröffnung wurde über die Führungen diskutiert. Zuvor hatten
ehemals Inhaftierte in Eigeninitiative durch das Gefängnis geführt. Der
neue Träger verzichtet jedoch darauf, ehemals Inhaftierte als Guides
einzusetzen. „Berichte von ZeitzeugInnen sind eine politische
Angelegenheit. SchülerInnen können dies nicht einordnen“, findet Marzinka.
Sie sollen sich in der dreistündigen Lernwerkstatt „aus der Perspektive des
Ortes“ die Historizität des Gefängnisses als Stätte politischer
Unterdrückung erschließen. Jedoch werde eng mit ZeitzeugInnen und der
Gedenkstätte Hohenschönhausen zusammengearbeitet. In der sechsstündigen
Führung sei die Begegnung mit früher Inhaftierten vorgesehen.
Eine 10. Klasse des John-Lennon-Gymnasiums testete den Lernort zuvor. „Mir
ist das Ausmaß der staatlichen Repression in der DDR nicht sofort klar
geworden,“ erzählt eine Schülerin, „ich hätte mir die Begegnung mit einem
Zeitzeugen gewünscht.“ Erst Gespräche mit ihren ehemals ostdeutschen Eltern
und Recherchen vertieften ihr Verständnis. Die Atmosphäre im Gefängnis
beschrieben die SchülerInnen übrigens: „Wie im Film!“
18 Feb 2019
## AUTOREN
Katharina Schmidt
## TAGS
DDR
Gefängnis
Gedenkort
Sandra Scheeres
Kolumne Immer bereit
Gedenkstätte Hohenschönhausen
DDR
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