| # taz.de -- Amazon kuscht vor New York: Die Stadt, die nicht mehr schläft | |
| > Amazon wird seine Zentrale „HQ2“ nicht in New York bauen. Ein Bündnis f�… | |
| > eine bezahlbare Stadt kann Erfolg haben – auch gegen die Demokraten. | |
| Bild: Amazon? Braucht kein Mensch. Und schon gar nicht in New York | |
| New York taz | Hey-hey, ho-ho, Amazon has got to go“ und – prägnanter – | |
| „Fuck off Amazon“: Diese Rufe waren seit Mitte November vergangenen Jahres | |
| immer lauter geworden in New York. Sie ertönten auf der Straße, in Kirchen | |
| und Synagogen, bei Kuratoriumssitzungen der staatlichen City University of | |
| New York, bei Versammlungen von Mieterinitiativen und Gewerkschaften und im | |
| Sitzungssaal des Stadtrats. | |
| Der Onlineversandriese hielt sich lange bedeckt, versuchte die Proteste | |
| auszusitzen. Aber jetzt, nach drei Monaten, hat er aufgegeben. Ende letzter | |
| Woche kündigte er an, dass er das geplante neue Hauptquartier im New Yorker | |
| Stadtteil Long Island City nicht eröffnen werde. Begründung: die | |
| langfristige Unterstützung durch Politiker fehle. | |
| SprecherInnen linker Initiativen feiern den Rückzug als Erfolg ihres | |
| Aktivismus gegen Milliardäre und korrupte PolitikerInnen. „Wenn wir | |
| zusammenkommen und gemeinsam kämpfen, können wir eine Stadt schaffen, die | |
| für uns da ist und nicht für Milliardäre wie Bezos“, jubilierten New Yorks | |
| Communities for Change, ein Bündnis für ein bezahlbare und lebenswerte | |
| Stadt, die Migrantengruppe Make the Road und die Demokratischen | |
| SozialistInnen (DSA). | |
| Michael Gianaris, der für den Stadtteil Long Island City, wo Amazon | |
| hinwollte, im Senat des Bundesstaates New York sitzt und einer der Sprecher | |
| der Proteste war, sagte, Amazon habe sich bis zuletzt unglaublich bockig | |
| verhalten: Motto: „Entweder ihr tut, was ich will, oder ich ziehe mich | |
| zurück.“ SprecherInnen von Handelskammern und Wall-Street-Unternehmen | |
| fürchten jetzt um das Investitionsklima in ihrer Stadt. Lloyd Blankfein, | |
| ein Chef der Investmentbank Goldman Sachs, tweetete ärgerlich, die Kampagne | |
| gegen Amazon sei „negativ für die wirtschaftliche Entwicklung und für | |
| Tech-Jobs in der City“. | |
| ## Demokraten decken Amazon | |
| Die Frage: „Wem gehört die Stadt?“ beherrschte die dreimonatige | |
| Mobilisierung gegen Amazon in New York. Bürgermeister, Bill de Blasio und | |
| Gouverneur Andrew Cuomo, zwei Demokraten, hatten den Deal hinter | |
| verschlossenen Türen ausgehandelt. Kaum wurde er im November, kurz nach den | |
| Midterm-Wahlen bekannt, ging der Sturm los. In ihm bündelten sich | |
| langjährige Proteste – gegen Niedriglöhne, gegen Mietwucher und die | |
| Verdrängung alteingesessener StadtbewohnerInnen bis hin zur Empörung über | |
| die traute Zusammenarbeit von DemokratInnen mit großen Konzernen. | |
| Amazon wollte Milliarden in Long Island City investieren und kündigte an, | |
| dort 25.000 Arbeitsplätze entstehen zu lassen. Zugleich aber handelte der | |
| Konzern Steuernachlässe in Höhe von drei Milliarden Dollar aus sowie | |
| zusätzliche öffentliche Gelder in Form von Infrastrukturmaßnahmen, wie dem | |
| Bau eines Hubschrauberlandeplatzes. Es wären die höchsten Subventionen | |
| geworden, die New York je einem Konzern gezahlt hat. | |
| „Investiert in die öffentlichen Universitäten dieser Stadt, nicht in den | |
| Konzern des reichsten Mannes der Welt“, argumentierte der New Yorker | |
| Soziologiestudent Shayhan Lewis bei einer der ersten Protestversammlungen | |
| gegen Amazon. In den seither vergangenen Monaten wurde die Beschwerdeliste | |
| der KritikerInnen immer länger. Sie listeten die Mängel auf, für die ihre | |
| Stadt Steuereinnahmen benötige: darunter die Sanierung der | |
| heruntergekommenen Sozialbauten und der maroden öffentlichen | |
| Verkehrsmittel. Doch zugleich bekam die Kritik an Amazons Konzernpolitik | |
| immer schärfere Konturen. | |
| New York ist die Stadt mit der stärksten Gewerkschaftspräsenz in den USA. | |
| Das steht im Gegensatz zu Amazon, das Gewerkschaften bekämpft und seine | |
| Beschäftigten mit Löhnen von durchschnittlich 30.000 Dollar im Jahr | |
| abspeist und seine Steuern nicht [1][bezahlt]. Einwanderergruppen in New | |
| York, einer Stadt die sich als Zufluchtsort für MigrantInnen versteht, | |
| kritisierten darüber hinaus die enge Zusammenarbeit zwischen Amazon und den | |
| Abschiebebehörden. Unter anderem stattet Amazon die Abschiebepolizei mit | |
| Gesichtserkennungstechnologie aus. | |
| ## Gentrifzierungsbeschleuniger | |
| „Glückwunsch“, spotteten AktivistInnen aus der Amazon-Zentralstadt Seattle, | |
| am anderen Ende der USA, als New York im November den Zuschlag bekam: | |
| „Amazon bringt 25.000 Beschäftigte nach Long Island City. Sie werden die | |
| alten Bewohner aus ihren Wohnungen vertreiben.“ In dem Stadtteil Long | |
| Island City im Bezirk Queens fürchteten viele AnwohnerInnen, dass Amazons | |
| Ankunft die ohnehin schon laufende Gentrifizierung noch beschleunigen | |
| würde. | |
| Vor dem Deal mit Amazon, hatte New Yorks Bürgermeister geplant, 1.500 | |
| mietpreisgebundene Wohnungen auf dem Bauplatz in Long Island City zu bauen. | |
| Amazon zeigte keine Absicht, Ersatz für diesen Wohnraum zu schaffen. Das | |
| unterscheidet den Konzern unter anderem von Microsoft. Nach massiven | |
| Protesten in Seattle hat Microsoft entschieden, dort 500 Millionen in | |
| erschwingliche Wohnungen zu investieren. | |
| Bevor New York im November den Zuschlag bekam, hatte Amazon mit seiner | |
| Ankündigung, es suche einen Platz für sein zweites Hauptquartier in den | |
| USA, Dutzende von Städten in einen ruinösen Wettbewerb aufeinander | |
| losgelassen. Manche Städte lockten mit noch höheren Steuernachlässen als | |
| New York. An der Spitze stand Pittsburgh in Pennsylvania, das Amazon | |
| Geschenke in Höhe von 9,7 Milliarden Dollar anbot. | |
| Letztlich entschied sich Amazon dann, sein zweites Hauptquartier „HQ2“ | |
| aufzuteilen – auf die politische und auf die finanzielle Hauptstadt der | |
| USA: Man wählte Crystal City, einen Vorort von Washington, für die eine | |
| Hälfte und Long Island City für die andere. Nach dem Rückzug aus New York | |
| verlautet jetzt von Amazon, dass es an Crystal City festhält und keinen | |
| weiteren Standort sucht. | |
| Wie schwerwiegend die Konsequenzen des Amazon-Rückzugs für den New Yorker | |
| Arbeitsmarkt sein werden, ist offen. Einerseits hätte Amazon zahlreiche | |
| Beschäftigte von außerhalb der City mitgebracht. Andererseits boomt die | |
| City gegenwärtig ohnehin – auch ohne Amazon. Allein im Jahr 2017 entstanden | |
| in New York 72.000 neue Arbeitsplätze. Bürgermeister de Blasio, der Amazon | |
| unbedingt haben wollte, zeigt sich unverhohlen enttäuscht über die | |
| Konzernentscheidung. | |
| „Dies ist ein hartes Pflaster“, sagte er, „Amazon hätte einen Dialog fü… | |
| und zusammenarbeiten können. Sie haben das nicht getan.“ Gouverneur Cuomo | |
| hingegen verschont den Konzern mit Kritik. Stattdessen drischt er auf die | |
| Linken in seinem Bundesstaat ein. Laut Cuomo hat „eine kleine Gruppe von | |
| Politikern“ ihre „kleinlichen Interessen“ gegen das Interesse der | |
| Gemeinschaft durchgesetzt. | |
| 17 Feb 2019 | |
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| ## AUTOREN | |
| Dorothea Hahn | |
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