# taz.de -- Platz für die freie Szene: Was ist ein Kulturhaus? | |
> Die Alte Münze in Mitte soll ein Zentrum der freien Szene werden. Nun | |
> will man ein Nutzungskonzept daür erarbeiten. | |
Bild: Was da wohl alles passieren kann, in der Alten Münze? | |
Lange hat sie einen derartigen Ort gefordert, nun wird die freie Kultur- | |
und Kreativszene Berlins ein Haus für ihre Belange bekommen. Die Alte | |
Münze am Molkenmarkt in Mitte soll nach einem Beschluss des Berliner | |
Abgeordnetenhauses im Mai des vergangenen Jahres das Zentrum der freien | |
Szene werden. Am Dienstag stellten Vertreter der Senatsverwaltung für | |
Kultur und Europa sowie der Berliner Immobilienmanagement GmbH (BIM), die | |
mit der Entwicklung des Hauses beauftragt wurden, in einer öffentlichen | |
Veranstaltung dort ihre weiteren Pläne vor. Klar machten sie gleich mal, | |
dass vor 2026 nicht mit der Fertigstellung des neuen Kulturorts zu rechnen | |
ist. | |
Lange wurde um die Zukunft der ehemaligen Münzprägeanstalt, die während der | |
Nazizeit erbaut wurde und in der noch bis zum Jahr 2006 Münzen geprägt | |
wurden, gerungen. Drei Mal versuchte das Land Berlin, die Immobilie, die | |
seit 2009 Zwischennutzer beherbergt, zu veräußern. Aus unterschiedlichen | |
Gründen kamen die Deals aber nicht zustande. Der Jazztrompeter Till Brönner | |
entwickelte konkrete Pläne für den Ort, der Haushaltsausschuss des | |
Bundestags bewilligte ihm 2016 sogar bereits 12,5 Millionen Euro Förderung | |
für sein „House of Jazz“. | |
Doch Kultursenator Klaus Lederer sprach sich gegen das Vorhaben aus und gab | |
den Plänen der freien Szene den Vorzug. Die hat unter anderem in einer AG | |
Münze Forderungen entwickelt, den Gebäudekomplex für eine | |
„nicht-kommerzielle kulturelle Nutzung“ zur Verfügung zu stellen. Auch wenn | |
das „House of Jazz“ nun nicht kommt, werde Musik eine große Rolle bei der | |
Entwicklung der Alten Münze spielen, betonte am Dienstag Helge Rehder von | |
der Berliner Kulturverwaltung. Allein schon, um ein paar Musikproberäume zu | |
schaffen, an denen es großen Bedarf gebe. | |
Die Euphorie in der freien Szene ist nun groß. Die Skepsis aber auch. Das | |
konnte man am Dienstag erleben. Der Auftakt zur Neugestaltung der Alten | |
Münze war gut besucht, der Saal prall gefüllt. Um die 150 Interessierte | |
waren gekommen. Dass die Bürger in Berlin sich an Entscheidungen darüber | |
beteiligen wollen, was mit den öffentlichen Orten in ihrer Stadt geschieht, | |
konnte man einmal mehr hier sehen. | |
Gleichzeitig war die Veranstaltung der Beginn eines öffentlichen | |
Beteiligungsverfahrens, das ein Nutzungskonzept für den Gebäudekomplex | |
erarbeiten soll. Wie dieser genau bespielt werden soll, abgesehen von dem | |
Vorhaben, Musikproberäume und Arbeitsräume für Kreative zu schaffen, ist | |
noch weitgehend offen. Ein Kultur- und Kreativstandort soll hier entstehen, | |
das sei sicher, aber gleichzeitig wurde gesagt: „Was das genau ist, wissen | |
wir auch noch nicht.“ | |
## 35 Millionen Euro vom Senat | |
15.500 Quadratmeter nutzbare Fläche sollen auf dem 8.500 Quadratmeter | |
großen Gelände der Alten Münze entstehen. Die Keller und die Tresorräume | |
der ehemaligen Münzprägeanstalt sollen dabei neu erschlossen werden. 35 | |
Millionen Euro werden vom Senat für die Sanierung zur Verfügung gestellt. | |
Was so viel Geld nicht ist, wenn man die Bilder der Keller sieht, deren | |
Zustand ziemlich marode ist und die Feuchtigkeitsschäden aufweisen. | |
Sanierungsarbeiten gab es in dem ganzen Komplex seit gut 20 Jahren keine | |
mehr, Denkmalschutzbestimmungen müssen außerdem beachtet werden. | |
Auch nicht einfach wird es werden, die Vorstellung einer | |
„nicht-kommerziellen kulturellen Nutzung“ mit der Tatsache in Einklang zu | |
bringen, dass sich das künftige Kulturhaus selbst tragen soll. Öffentliche | |
Zuschüsse sind für den laufenden Betrieb nicht vorgesehen. In der | |
durchsubventionierten Berliner Kulturlandschaft ein eher ungewöhnliches | |
Vorhaben. Quersubventionierung lautet hier das Zauberwort. Cafés und | |
Kreativwirtschaft sollen höhere Mieten zahlen, um Künstlerateliers und | |
Bandproberäume billig anbieten zu können. | |
Mit welchem Konzept all die Wünsche, Forderungen und Visionen unter einen | |
Hut zu bringen sein könnten, das wird im nächsten halben Jahr erörtert | |
werden. „Welche Werte und Wünsche haben Sie für die Alte Münze“, diese | |
Frage liest man am Dienstag auf einer Tafel. Vorschläge werden ab sofort | |
gesammelt. | |
## Denken in alle Richtungen | |
40 Teilnehmer eines Beteiligungsverfahren werden bis zum Juni in | |
Arbeitsgruppen erörtern, planen, entwickeln. Am Ende des Prozesses geben | |
sie eine Empfehlung an den Senat ab, die freilich nicht bindend ist. In | |
alle Richtungen könne erst einmal gedacht werden, wurde seitens des | |
Stadtentwicklungs-Thinktanks Urban Catalyst versichert, der das Verfahren | |
leitet. 20 der Beteiligten sind bereits gesetzt, darunter Vertreter der | |
freien Szene genauso wie von der Kreativwirtschaft und den aktuellen | |
Zwischennutzern. 20 weitere können sich noch bis zum 19. Februar als | |
Teilzeit-Raumentwickler bewerben. Eine Aufwandsentschädigung gibt es für | |
den Job auch, für jeden der insgesamt vier Workshops je 150 Euro. | |
Vor allem an den Formalitäten des Beteiligungsverfahrens gab es große | |
Kritik am Dienstag. Besonders das Prozedere mit den 20 freien Bewerbern | |
stieß bei manchen im Publikum auf großes Missfallen. Bewerben dürfe sich | |
jeder, teilte Urban Catalyst mit. Vorstellungen, was aus der Alten Münze | |
werden soll, seien der Bewerbung unbedingt beizulegen. Wirklich | |
berücksichtigt werden diese freilich nicht. Vielmehr werden die glücklichen | |
20 letztendlich im Losverfahren bestimmt. Was aber, wenn die 20 zum | |
Großteil aus der Kreativwirtschaft kommen, lautete eine der Fragen aus dem | |
Publikum. Könne das nicht den vorgesehenen nicht-kommerziellen Charakter | |
des Hauses bedrohen? | |
Auch die logisch richtige Frage wurde gestellt, was es bringen würde, in | |
einer Bewerbung seine Visionen für die Alte Münze auszubreiten, wenn diese | |
überhaupt keine Rolle spielten, da ja das Los entscheidet. Eine | |
„Bankrotterklärung“ nannte einer der Besucher das angedachte Zufallsprinzip | |
von Urban Catalyst. Die freilich wehrten sich. Würde eine Jury über die | |
Bewerber abstimmen, würde das auch für Ungerechtigkeiten sorgen. Das | |
angedachte Verfahren sei nicht mehr verhandelbar. | |
Mit Streit und endlos scheinenden Diskussionen ging es mitten hinein in die | |
Entwicklung eines neuen, hoffentlich aufregenden Kulturorts im Herzen | |
Berlins. Man kann sich nur wünschen, dass es mit Streit und endlos | |
scheinenden Diskussionen zumindest im nächsten halben Jahr weitergehen | |
wird. | |
16 Feb 2019 | |
## AUTOREN | |
Andreas Hartmann | |
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