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# taz.de -- Radsport in Kolumbien: Talententwicklung mit Erfolg
> Die besten Radler der Welt sind derzeit in Kolumbien unterwegs. Dort ist
> der Radsport extrem populär. In den Nachwuchs werden Millionen
> investiert.
Bild: Die Generation von Quintana konnte auf eine recht gute Infrastruktur bauen
Bogotá taz | Jairo Chaves bezeichnet sich selbst als einen frustrierten
Radsportler. „Als ich jung war, war meiner Familie der Radsport nicht
wichtig. Niemand hat dies als Beruf angesehen. Unsere Familien haben uns
zum Arbeiten angehalten“, erzählt er. Er selbst, der sein Talent nicht
entfalten konnte, nahm sich vor, es für seine Kinder besser zu machen. „Es
entwickelte sich eine ganze Generation von Vätern, die ihren Kindern
bessere Bedingungen ermöglichen wollen“, erzählt er taz bei einem Treffen
in Bogotá.
Durchaus mit Erfolg. Sein Sohn Esteban ist seit Jahren Profi beim
australischen Rennstall Mitchelton-Scott. Er kam unter anderem aufs Podium
beim Giro d’Italia und der Vuelta a Espana. Der zweite Sohn Brayan, sieben
Jahre jünger als Esteban, fährt derweil im U23-Team von Mitchelton. „Er hat
in sogar bessere Werte als Esteban in seinem Alter. Er ist ein kompletter
Fahrer, auch gut im Zeitfahren“, sagt Chaves senior stolz.
Eine ähnliche Rolle spielte bei Top-Sprinter Fernando Gaviria –
Etappensieger bei der Tour de France und derzeit bei der heimischen Tour
Colombia auf der Jagd nach Tageserfolgen – dessen Vater Hernando. Er ist
Sportlehrer, hat in La Ceja bei Medellín eine eigene Radsportschule und
entwickelte neben Sohn Fernando auch Tochter Juliana als Bahnfahrerin.
In nach Boyacá, in die Heimatregion von Nairo Quintana, der die Tour de
France schon drei Mal auf dem Podium beendet hat, kommt die Rede schnell
auf Don Luis, den Vater. Der sparte sich das letzte Geld vom Munde ab,
verkaufte Obst und Gemüse an einer Wasserstelle just an der
Trainingsstrecke seines Sohnes, um diesem den nicht ganz unaufwendigen
Sport zu finanzieren.
„Es war hart damals. Wir hatten Jungs mit Talent. Und Don Luis war auch
sehr engagiert. Aber es war nicht einfach, Unterstützung zu bekommen. Wir
haben in den Läden um etwas Proviant für die Fahrten zu den Rennen gebeten.
Manchmal haben wir etwas bekommen, manchmal haben sie uns aber auch allein
gelassen“, erzählt im Örtchen Arcabuco Rusbel Achagua, der, wie er sagt
„erste Trainer, erste Mechaniker, erste Masseur und erste Psychologe von
Nairo“.
## Verzahnung von Bahn- und Straßenradsport
Die Generation von Quintana & Co konnte neben Vätern, die sie
unterstützten, und Trainern, die an sie glaubten, auch auf eine recht gute
Infrastruktur bauen. In den drei wichtigsten Radsportregionen gibt es
Bahnen. „Das gibt dir die Basis als Radprofi, sowohl was den Muskelaufbau
angeht als auch die technische Beherrschung des Geräts“, meint Jairo
Chaves. Seine Söhne waren auf dem Velodrom in Bogotá unterwegs, die
Gaviria-Geschwister kreisten im Velodrom von Medellín. Und auch der kleine
Quintana drehte seine Runden auf der Bahn von Duitama in Boyacá. Wie beim
so erfolgreichen britischen Radsportprogramm setzte man auch in Kolumbien
auf die enge Verzahnung von Bahn- und Straßenradsport.
Für die nächste [1][Generation von Radsportlern] werden die Bedingungen
weiter verbessert. Die Generation der „frustrierten Radsportler“ vom
Schlage eines Jairo Chaves aus den Entwicklungsprogrammen für die Söhne
eigene Nachwuchsteams aufgebaut. Da gibt es feinstes Material, gute
Coaches, auch psychologische Betreuung – und für den Sprung nach Europa
sogar Englischlehrer, die im Rennen Anweisungen auf Englisch auf die Knöpfe
im Ohr geben.
In Boyacá hat [2][Nairo Quintana] ein staatliches Entwicklungsprogramm
initiiert. „Das Budget beträgt 6 Milliarden Pesos, das sind etwa 2
Millionen Dollar. Jedes Jahr wird die Summe weiter erhöht, um die
Mindestlohnsteigerungen aufzufangen“, sagt der Koordinator des Programms,
Carlos Chalapud. Insgesamt 70 Sportler werden in acht Teams direkt betreut,
weitere 2.000 sind in einem Monitoringprogramm, in dem auch Quintanas
Entdecker Achagua arbeitet.
Verhältnismäßig neu für kolumbianische Verhältnisse ist, dass nicht nur
Kletterer ausgebildet werden, sondern auch Sprinter und potenzielle
Klassikerfahrer. Sebastián Molano gibt in dieser Saison sein Debüt im
Rennstall UAE von Gaviria und soll für diesen bei der Tour Colombia die
Sprints anziehen. Er ist ein Produkt dieses Programms.
Nationaltrainer Fernando Saldarriaga, er betreute unter anderem Quintana
sowie den älteren Chaves und brachte in dieser Saison gleich drei seiner
unmittelbaren Schützlinge in World-Tour-Teams unter, sieht daher eine ganz
neue Generation von Fahrern heranwachsen. Sie ist nicht nur athletisch
breiter aufgestellt, sondern auch mental stärker. „Früher genügte es
kolumbianischen Fahrern, als Helfer in den europäischen Teams
unterzukommen. Jetzt müssen wir Trainer unsere Talente aber auch so
ausbilden, dass sie Leader sein können und es selbstverständlich wird, dass
europäische Profis für sie arbeiten“, sagt er.
Zum neuen Selbstbewusstsein in Kolumbien würde ein eigenes Pro-Tour-Team
passen. Saldarriaga, derzeit Chef des Pro-Continental-Teams Manzana
Postobón, träumt davon: „Wie schön wäre das, wenn kolumbianische Sportler
Rundfahrten in einem Trikot gewinnen, auf dem Kolumbien steht!“
18 Feb 2019
## LINKS
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## AUTOREN
Tom Mustroph
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