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# taz.de -- Spanien-Rundfahrt der Radprofis: Voll am Anschlag
> Ein Schnitt von 50 Stundenkilometern macht die 17. Etappe der Vuelta zum
> historischen Ereignis. Philippe Gilbert gewinnt – und kann es nicht
> fassen.
Bild: Nicht jeder kann mithalten: Die Vuelta verlangt den Fahrern alles ab
„In 17 Rennjahren habe ich das noch nicht erlebt“, rief Philippe Gilbert
nach der Ankunft in Guadalajara aus. Der Zielort liegt mitten im
Don-Quixote-Land, wie die Schilder, die die Tourismusbehörde hier überall
aufgestellt hat, verraten. Doch mit einem vergeblichen Kampf gegen
Windmühlen hat der Radprofi des Deceunninck-Quick-Step-Teams wenig zu tun,
mit einem Epos schon eher. „220 Kilometer, allesamt Vollgas, eine Gruppe
von fast 50 Fahrern, Klassementfahrer darunter und wir mit sieben von acht
Fahrern unseres Teams dabei: Das ist historisch“, sagte Gilbert im
Anschluss. Und schüttelte ungläubig den Kopf, als hätte er wirklich jemand
gegen Windmühlen anreiten gesehen.
Bei Gilbert war es ein lachendes Kopfschütteln. Denn er gewann am Mittwoch
diese Etappe, und zwar in einem wilden Sprint vor Sam Bennett. Dem
Bora-hansgrohe-Profi hingegen fehlte danach sogar die Luft zum
Kopfschütteln. „Ich kann nicht mehr. Ich bin so platt“, japste er. Ein
Lächeln schoss erst über sein Gesicht, als Quick-Step-Mann Tim Declercq,
einer der sechs Teambegleiter von Gilbert, an ihm vorbeifuhr und zu ihm
sagte: „Tut mir leid, Mann, wir mussten heute gegen dich fahren.“ Bennett
schaute ungläubig auf und sagte: „Danke, Mann, aber das ist Radsport.“ Dann
gab er sich wieder der Pflege seiner Erschöpfung hin.
Schon beim Kilometer Null hatte die wilde Jagd begonnen. „Dass eine Gruppe
gehen würde, war schnell klar. Dass es aber sofort losgehen würde, das
hatte wohl niemand erwartet“, blickte Luke Roberts, sportlicher Leiter von
Sunweb, zurück.
Sein Team hatte fünf Leute vorn. Vier von ihnen beteiligten sich mit
Quick-Step an der Führungsarbeit. Ihr Lohn war, dass sie ihrem Kapitän
Wilco Kelderman fünf Minuten Vorsprung auf die meisten Rivalen innerhalb
der Top Ten verschaffen konnten. Die Sunweb-Helfer waren danach aber so
ausgelaugt, dass sie zum Sprint gar nicht mehr in der Lage waren, obwohl
sie mit den beiden Deutschen [1][Max Walscheid und Nikias Arndt] zwei
endschnelle Leute dabei hatten. „Klassement ging heute vor Etappenerfolg.
Und wir sind bis zum Anschlag gefahren“, erzählte Arndt später.
Auf Anschlag fahren, das bedeutete einen Schnitt von 50,63
Stundenkilometer. Nur mit den Beinen, ganz ohne Motor, jedenfalls wurde –
wie gewohnt – kein im Rahmen versteckter Motor entdeckt. „Ich musste die
ganze Zeit meine höchsten Werte fahren, um überhaupt mitzukommen“,
schilderte [2][John Degenkolb] die Situation. Der Frankfurter gehörte zu
denen, die vorn mit dabei waren. Eine der vielen Windkanten machte aber
seine Hoffnung auf einen Etappenerfolg zunichte. „Auf der Straße hatten 20
Mann Platz, und wenn du dann auf Platz 28 bist, reißt die Lücke vor dir“,
erklärte er. Und als er da gegen den Wind kämpfte, schoss es ihm durch den
Kopf: „Dies ist die härteste Grand Tour, die ich je in meiner Karriere
gefahren bin. Nur einen Tag gab es, den man recht ruhig im Feld verbringen
konnte. Ansonsten immer nur Vollgas.“
## Taktische Meisterleistungen
Am Vollgas am Mittwoch hatte Nairo Quintana Mitschuld. Der Kolumbianer war
für die Fluchtgruppe zwar gar nicht vorgesehen. Seine Präsenz indes spornte
die anderen drei Movistar-Profis zu enormer Tempoarbeit an. Sieben
Quick-Step-Männer, vier Sunweb-Helfer, drei Movistar-Turbos: der Motor
dieser Fluchtgruppe war beachtlich.
Im Feld hinten mühten sich die Helfer des Gesamtführenden Primož Roglič und
des Zweitplatzierten Tadej Pogačar ab, den Rückstand nicht zu groß werden
zu lassen. Just in dem Moment, in dem Quintana virtuell auf den zweiten
Platz gefahren war und der wachsende Vorsprung der Gruppe es möglich
machte, dass er sich sogar das rote Trikot holen würde, spannten sich
plötzlich die Movistar-Mannen im Hauptfeld vor die gesamte Konkurrenz. Sie
verkürzten Quintanas Vorsprung.
Fuhr hier wieder eine Movistar-Abteilung gegen die andere, wie schon so oft
in dieser Saison?„Nein, es war taktisch clever“, beurteilte Sunweb-Mann
Roberts die Lage. „Sie sind in dem Moment angetreten, als die
Jumbo-Visma-Fahrer am Ende waren. Sie haben für Chaos gesorgt und den Motor
des Verfolgerfelds kleiner gemacht. Hätte Astana nicht einige Männer
zurückgerufen, wäre das Loch immer größer geworden und Quintana hätte Rot
geholt.“
Astana fürchtete um die Position seines Leaders Miguel Ángel López – und
rettete so Roglič in einem historischen Rennen die Führung. Viel Spannung,
viel Krafteinsatz, viele sich überschneidende Taktikpläne.
12 Sep 2019
## LINKS
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## AUTOREN
Tom Mustroph
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