# taz.de -- Neuer Präsident von El Salvador: Viel Twitter, wenig Programm | |
> Wer ist Nayib Bukele, der zum neuen Präsidenten El Salvadors gewählt | |
> wurde? Eine Karriere aus Social Media, Pomade und Marketing. | |
Bild: Ein Mann der Mode wird Präsident El Salvadors: Nayib Bukele | |
BERLIN taz | Er gab keine Interviews und nahm an keinen Debatten teil. Er | |
reiste nicht durchs Land, ging nicht um Stimmen werbend von Tür zu Tür. Er | |
hatte kein Programm, sprach nur vage von „neuen Ideen“. Es reichte ihm, auf | |
die Korruptionsskandale der beiden bislang dominierenden Parteien FMLN und | |
Arena hinzuweisen. Zu allen anderen Problemen des Landes schwieg er. Er war | |
drei Jahre lang Bürgermeister der Hauptstadt San Salvador. Dieses Amt gilt | |
in El Salvador als Sprungbrett ins Präsidentenamt, und an diesem Sonntag | |
hat Nayib Bukele [1][diesen Sprung geschafft]: Mit 53,6 Prozent der Stimmen | |
hat er gleich im ersten Wahlgang eine absolute Mehrheit erzielt. | |
Bukele ist ein schillernder Typ. Der 37-Jährige wurde in eine steinreiche | |
Familie palästinensischer Abstammung hineingeboren, hatte eine Werbeagentur | |
und war Alleinimporteur einer Motorradmarke. Sein schwarzes Haar trägt er | |
mit viel Pomade nach hinten gekämmt, dazu einen akkurat gestutzten | |
Vollbart. | |
Er kleidet sich gern mit modischen Anzügen, bindet aber nie eine Krawatte | |
um. Sein Markenzeichen sind Socken in schreienden Farben. Seine politische | |
Karriere begann 2012, als er zum Bürgermeister von Nuevo Cuscatlán gewählt | |
wurde, einem kaum 8.000 Einwohner zählenden Kleinstädtchen ein paar | |
Kilometer südlich der Hauptstadt. | |
Damals trat Bukele für die FMLN an. Weil er als Werbefachmann für die | |
Linkspartei gearbeitet hatte, lag das nahe. Nuevo Cuscatlán spielte vorher | |
keine Rolle auf der politischen Landkarte El Salvadors. Das änderte sich | |
mit ihm. Wie kein anderer nutzte er Internetplattformen wie Facebook und | |
Twitter, gab darüber jede neu errichtete Straßenlampe bekannt. | |
## Hauptsache schöne Fotos | |
Er machte Witze über alle Parteien einschließlich der eigenen und manchmal | |
auch über sich selbst. Das war neu, das sprach die eher apolitische Jugend | |
an. Drei Jahre später eroberte die FMLN mit ihm als Kandidaten nach sechs | |
Jahren Rechtsregierung das Bürgermeisteramt der Hauptstadt zurück. | |
Dass er im Wahlkampf jede Menge Trolle und Bots eingesetzt hatte, dass er | |
mit Fake News gearbeitet hatte und sein halbes Wahlkampfteam wegen | |
Fälschungen verhaftet wurde – was soll’s? Was zählte, war der Erfolg. | |
Schon als Bürgermeister von San Salvador schielte Bukele aufs | |
Präsidentenamt und konzentrierte sich auf prestigeträchtige Aktionen. So | |
ließ er sechs Häuserblocks im vorher chaotischen Stadtzentrum zur schicken | |
Ausgehmeile herrichten. Dass gleich dahinter weiterhin Mord und Totschlag | |
herrschen, kümmerte ihn wenig. Hauptsache, er hatte schöne Fotos für seine | |
Plattformen. Zur FMLN hielt er Distanz, verhöhnte sie gar bisweilen. Als er | |
aus der Partei ausgeschlossen wurde, störte ihn das kaum. Er ist kein | |
Parteimensch, sein Programm ist er selbst. | |
Für die Präsidentschaftswahl schloss er sich der rechten Gana an, der wohl | |
korruptesten Partei des Landes. Ihre Symbole und Farben tauchten in seinem | |
Wahlkampf nicht auf. Wie gewohnt bespielte er Internetplattformen. Sein | |
Facebook-Auftritt ist von 1,4 Millionen Menschen abonniert, seine | |
Twitter-Meldungen von einer halben Million. | |
Dazu kaufte er bei einem Fernsehsender und bei Radiostationen Sendeplätze | |
für seine One-Man-Show. Er argumentiert nicht, er macht sich nur lustig | |
über seine Kontrahenten und wird bisweilen vulgär. Er geriert sich als | |
Mann, der nicht zum politischen Establishment, zu „den immer selben“ | |
gehört. Kein Vorschlag, kein Versprechen. „Sein Diskurs ist reines | |
Marketing“, sagt Ivón Rivera, die an der Zentralamerikanischen Universität | |
über Fake News forscht. „Er hat sich als coole Marke positioniert.“ Jetzt | |
wird er Präsident. Ob er mehr will als genau das, wird sich herausstellen. | |
4 Feb 2019 | |
## LINKS | |
[1] /El-Salvador-hat-neuen-Praesidenten/!5570080 | |
## AUTOREN | |
Toni Keppeler | |
## TAGS | |
El Salvador | |
Nayib Bukele | |
FMLN | |
El Salvador | |
El Salvador | |
El Salvador | |
Präsidentschaftswahl | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Parlamentswahlen in El Salvador: Machtlose Opposition | |
In El Salvador gewinnt die Partei des Präsidenten die absolute Mehrheit im | |
Parlament. Ab jetzt kann Nayib Bukele ungehindert durchregieren. | |
Verfassungskrise in El Salvador: Soldaten im Parlament | |
Präsident Bukele lässt Militär ins Parlament eindringen, damit die | |
Abgeordneten ein Darlehen bewilligen. Jetzt hat er das Oberste Gericht | |
gegen sich. | |
El Salvador hat neuen Präsidenten: Bukele bricht Zweiparteien-System auf | |
In El Salvador wird erstmals ein Politiker Präsident, der nicht einer | |
traditionellen Partei angehört. Damit verliert Venezuelas Maduro einen | |
Verbündeten. | |
Präsidentschaftswahl in El Salvador: Die Linke hat fertig | |
Wie die Ex-Guerilla FMLN als Regierungspartei ihre Wähler enttäuscht hat. | |
Und warum am Sonntag ein Kandidat ohne Programm gewinnt. |