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# taz.de -- BBC-Miniserie „Verrate mich nicht“: Ärztin ohne Grenze
> In der BBC-Miniserie ist Dr. Ally Sutton eine erfolgreiche und beliebte
> Ärztin. Das einzige Problem: Sie ist eigentlich gar keine.
Bild: Wie man operiert, hat sich Dr. Ally Sutton (Jodie Whittaker) mit Hilfe vo…
Sie rettet einer jungen Ärztin den, Pardon, Arsch, weil sie natürlich viel
mehr Routine hat. Und weil sie einfach gut ist in ihrem Job – als
Krankenschwester. Als sie die Missstände auf ihrer Station an die
Krankenhausleitung weitergibt, wird Sie zum Dank dafür des Mobbings
beschuldigt und suspendiert. Sie lässt sich von ihrer besten Freundin
trösten: „Solltest du jemals irgendwas von mir brauchen, egal was, es
gehört dir!“ Sie nimmt sie beim Wort.
Die Freundin ist Ärztin und drauf und dran auszuwandern. Sie bemächtigt
sich ihrer Identität und bewirbt sich in einem Krankenhaus in Edinburgh für
den Job als Ärztin. Wie man fachgerecht operiert, hat sie sich vorher auf
YouTube angeguckt. Sie ist ein „Naturtalent“. Doch, es gibt da die eine
oder andere etwas brenzlige Situation. Aber alle mögen sie hier, sogar die
Schwestern: „Sie sind eine von uns!“ Es dauert tatsächlich zwei von vier
Folgen, bis mal einer auf die Idee kommt, sie zu googeln.
In Zeiten der Digitalisierung ist es eigentlich kaum zu glauben, dass so
eine Hochstapelei nicht schon vor dem Bewerbungsgespräch auffliegt.
Undenkbar, dass einer wie der gelernte Postbote Gert Postel 15 Jahre lang
Karriere machen kann als: Zahnarzt, Notarzt, Divisionsarzt, Amtsarzt und
Psychiater – wie es in Deutschland zwischen 1980 und 1995 geschehen ist.
Es hätte auch damals schon nicht möglich sein dürfen.
## Ein fantastischer Filmstoff
Natürlich sind solche Geschichten vom Aufschneider mit viel Charme und noch
viel mehr Chuzpe ein fantastischer Filmstoff – für Komödien à la „Catch …
If You Can“. Zwar hat sich Leonardo DiCaprio damals nicht als Arzt
ausgegeben, wohl aber als Pilot. Entscheidend ist, dass eine Person ohne
die als notwendig erachtete formale Qualifikation sich einen Beruf anmaßt,
in dem Leben und Tod anderer Menschen buchstäblich in ihren Händen liegen.
So gesehen: nicht wirklich zum Lachen.
So gesehen: längst überfällig, das Motiv einmal als Drama zu erzählen. Und
seit „House of Cards“, jener inzwischen von der Realität überholten Serie
um einen schamlos manipulativen amerikanischen Präsidenten (und eigentlich
auch schon seit „Breaking Bad“, nein, sogar schon seit „Die Sopranos“ �…
haben wir Zuschauer ja gelernt, dass es durchaus möglich ist, sich in einen
bösen Protagonisten einzufühlen.
Aber das Erbe dieser Meilensteine des zeitgenössischen Serienschaffens will
die BBC-Produktion „Verrate mich nicht“ gar nicht antreten. Cath Hardacre
alias Dr. Ally Sutton (Jodie Whittaker) ist eine Gute. Sie muss schließlich
für eine süße kleine Tochter sorgen, deren Erzeuger nichts zu deren
Lebensunterhalt beiträgt. Wie gesagt, sie ist ein „Naturtalent“, auch in
medizinischen Belangen bald besser als die studierten Ärzte. Das Schicksal
ihrer Patienten geht ihr zu Herzen, wie uns Zuschauern das ihre.
## Handwerklich top – Umsetzung harmlos
Keine Frage, handwerklich (Buch: Dan Sefton) und schauspielerisch gibt es
nichts zu mäkeln, für Spannung ist gesorgt. Aber gemessen am Maßstab der
genannten Serien; am Maßstab der besten neueren BBC-Serien (wie „Sherlock“,
„Fleabag“, „Bodyguard“); am Maßstab der zuletzt auf dem
Arte-Miniserien-Sendeplatz am Donnerstagabend gelaufenen Formate – und Arte
hatte da wirklich einen tollen Lauf mit „Ad Vitam“, „Die Wege des Herrn“
und „Ein Wunder“ – erweist sich „Trust Me“ (so der Originaltitel) als…
bisschen, nun ja: altmodisch. Oder harmlos. Oder unterkomplex.
Wie die zweite Staffel aussehen soll, wird eine große Überraschung, da sich
die Besetzung ändern wird. Die am längsten (seit 1963) laufende und
erfolgreichste britische TV-Serie „Dr. Who“ handelt von einem namenlosen
außerirdischen Zeitreisenden, jenem Dr. Who, dessen Doktortitel übrigens
auch fragwürdig ist und der über die Jahre von zwölf Schauspielern
verkörpert wurde und aktuell, erstmals: von einer Schauspielerin. Lange
Vorrede, kurzer Sinn: Der Coup, die wichtigste britische Fernsehrolle
überhaupt zu ergattern, ist der famosen Jodie Whittaker gelungen. Es ist
deshalb kein Spoiler, zu schreiben, dass die von ihr gespielte falsche
Ärztin, die Hauptfigur der ersten Staffel, in der bereits geplanten
Fortsetzung von „Trust Me“ nicht mehr mit dabei sein wird.
31 Jan 2019
## AUTOREN
Jens Müller
## TAGS
Arte
Miniserie
BBC
Fernsehen
Fernsehen
BBC
Sex Education
DC Comics
Fernsehserie
House of Cards
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