# taz.de -- Ärztliche Aufklärungspflicht: BGH stärkt Rechte von Organspendern | |
> Ärzte können sich nicht auf eine „hypothetische Einwilligung“ berufen. | |
> Eine korrekte Aufklärung sei wichtig, entschied der Bundesgerichtshof. | |
Bild: Einem Lebendspender wird eine Niere entnommen: vorab muss über die Risik… | |
Freiburg taz | Lebendorganspender sind künftig besser vor ärztlichen | |
Aufklärungsfehlern geschützt. Künftig können sie auch dann Schadenersatz | |
bekommen, wenn sie unabhängig von der korrekten Aufklärung wohl auf jeden | |
Fall ein Organ gespendet hätten. Das entschied jetzt der Bundesgerichtshof | |
(BGH). So werde das Vertrauen in die Transplantationsmedizin gestärkt, hieß | |
es. | |
Jährlich werden in Deutschland mehr als 600 Organe lebend gespendet. Dabei | |
handelt es sich überwiegend um Nieren, weil diese im Körper doppelt | |
vorhanden sind. Eine Lebendspende ist nur an Ehegatten, Kinder und andere | |
sehr nahe stehende Personen erlaubt. | |
Der Ingenieur Ralf Zietz spendete 2010 seiner Frau, die auf Dialyse | |
angewiesen war, eine Niere. Danach erkrankte er am Erschöpfungssyndrom und | |
ist nur noch sehr beschränkt arbeitsfähig. | |
Seiner Frau ging es dank der erhaltenen Niere zunächst besser. Jedoch war | |
ihr Immunsystem so geschwächt, dass ihr nach einem unfallbedingten | |
Knieschaden ein Bein amputiert werden musste. | |
Zietz klagte gegen das Transplantationszentrum der Essener Uniklinik auf | |
Verdienstausfall und Schmerzensgeld – bisher ohne Erfolg. Zwar stellten die | |
Gerichte einerseits fest, dass er schlecht über die Risiken aufgeklärt | |
worden war. Sie lehnten seine Klage dennoch ab, denn sie unterstellten, | |
dass Zietz seiner Frau auch bei guter Aufklärung eine Niere gespendet | |
hätte. | |
## Hypothetische Einwilligung | |
Eine solche „hypothetische Einwilligung“ ist zwar im Arzthaftungsrecht | |
zulässig. Bei Lebendorganspenden soll sie künftig aber ausgeschlossen sein, | |
entschied jetzt der Bundesgerichtshof Bei der Lebend-Spende sei die | |
korrekte Aufklärung des Spenders nämlich besonders wichtig. | |
Da er einem Angehörigen helfen will, müsse er „vor sich selbst geschützt“ | |
werden, so die Vorsitzende Richterin Vera von Pentz. Dieser Schutz würde | |
aber leerlaufen, wenn Ärzte sich nach mangelhafter Risikoaufklärung auf die | |
hypothetische Einwilligung berufen könnten. | |
„Das ist eine Superentscheidung“, sagte Zietz’ Anwalt Martin Wittke. | |
„Künftig können sich die Transplantationszentren nicht mehr leisten, die | |
Risiken einer Lebendspende herunterzuspielen.“ | |
Die Klage von Zietz (und ein Parallelfall) müssen jetzt vom | |
Oberlandesgericht Hamm erneut verhandelt werden. Wenn der Organspender über | |
die eigenen Risiken oder über die Risiken für den Empfänger nicht | |
ausreichend aufgeklärt wurde, macht dies die Einwilligung zur Organspende | |
unwirksam. | |
Das heißt: Die Transplantation war dann rechtswidrig und das Klinikum muss | |
für alle Schäden aufkommen. Wenn über die Aufklärung kein Protokoll | |
angefertigt wurde und beim Gespräch kein neutraler Arzt mit dabei war, | |
macht dies allein die Einwilligung zwar noch nicht unwirksam, erklärte der | |
Bundesgerichtshof. Dies müsse künftig aber als „starkes Indiz“ für eine | |
unzureichende Aufklärung gewertet werden. | |
29 Jan 2019 | |
## AUTOREN | |
Christian Rath | |
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